Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 30 Liebfrauen n. 1400 – v. 1414, 1414

Beschreibung

Grabplatte für Henning und Margareta von den Roden; an der Westwand des Kreuzganges im vierten Joch von Süden; Sandstein, hell; im Binnenfeld unter mit Türmchen, Kriech- und Kreuzblumen besetzten Maßwerkbögen ein ritterliches Paar, die Frau links in langem Gewand, Mantel und Schleier, ihr Gemahl barhäuptig, in vollem Harnisch, den ein tiefsitzender Gürtel beschließt, die Linke am Waffengurt, mit der Rechten den Schwertgriff des auf die Spitze gestellten Schwertes umfassend, zu ihren Füßen Wappen, auf dem Rand zwischen eingehauenen Linien einzeilig umlaufend der eingehauene Sterbevermerk, dessen Buchstaben teils noch mit einer rotbrauene Masse (Pech?) ausgefüllt sind. In die bei der Herstellung der Platte freigelassene obere rechte Ecke wurde das Todesdatum des Mannes mit den Zehner- und Einerzahlen der Jahreszahl und der Tagesdatierung nachgetragen, wie wohl auch das Tatzenkreuz in der linken oberen Ecke. Das Todesdatum der Frau in der dafür vorgesehenen unteren rechten Ecke wurde nicht mehr nachgetragen.

Maße: H. 210,5 cm, B. 137,8 cm, T. 18 cm, Bu. 7,5 cm (Nachträge: 6–6,5 cm).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. + · annoa) · domini · mo · cccco · ⟨xiiii · i(n) / die bartolo⟩b) 1) obiit · he(n)ni(n)gusc) · von · den · roden · milesd) / obiit · marga/reta · vxor · ei(us) · quor(um)e) · a(n)i(m)ef) · requiesca(n)tg) · i(n) pace · amen ··

Übersetzung:

Im eintausendsten vierhundertsten vierzehnten Jahre des Herrn am Tage Bartholo[maei]1) starb Henning von den Roden, Ritter, [- - -] starb Margareta seine Frau, deren Seelen ruhen mögen in Frieden, amen.

Wappen:
Gittelde2)Roden3)

Kommentar

Die Buchstaben sind aus Einzelgliedern zusammengebaut, die Schaftenden teilweise abgerundet, insgesamt wurden die Brechungen nicht so extrem durchgeführt bzw. etwas abgerundet. Selten kommen Verbindungen zwischen den einzelnen Buchstabenteilen vor. Etliche Brechungen wirken eckig umgeknickt. Die Schaftenden werden oft nicht verbreitert, sondern sind gerade und abgerundet. Oberlängen und Unterlängen ragen kaum über das Mittelband hinaus. Nur einmal ist der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens des a rund und dünn ausgeführt. Das c wird oben in einem 90° Winkel eckig gebrochen. Das obere Ende des senkrechten Teils des gebrochenen linken Bogenabschnitts des d läuft sich verjüngend aus. Der Balken des e ist zu einem steil rechtsschräg verlaufenden Strich reduziert, der unten nach rechts umgeknickt wird. Das obere Schaftende des h ist leicht abgerundet. Die Schaftspitze des l ist leicht konisch abgerundet. Das o ist oft links oben offen. Der Bogen des p ist ziemlich gerundet, zusammen mit dem q der einzige Buchstabe mit echter Unterlänge. Der Schaft des r beginnt mit einem gerundeten dünnen Anstrich von links, die Fahne berührt den Schaft meist nicht. Der als Schwellzug ausgeführte obere Abschnitt des Rechtsschrägschafts des x hat keine Verbindung zum senkrecht gestellten Linksschrägschaft, der Balken setzt tief an. Als Kürzungszeichen verwendete man kurze, knapp über dem Schriftband liegende Kompendienstriche, die us-Kürzung verläuft sichelförmig, an den Enden spitz zulaufend, die orum-Kürzung besteht aus einem an den oberen rechten Bogenabschitt des o angelehnten Schulter-r und einem einer Fahne gleichenden, kurzen schräglinken Kürzungsstrich neben dem rechten oberen Bogenabschnitt des Schulter-r. Das in den Zahlzeichen verwendete hochgestellte o wird nicht gebrochen. Als Worttrenner dienen schräglinke Striche mit Sporen an den gegenüberliegenden linken unteren und rechten oberen Ecken. Sie sind geschwungen fast wie eine Tilde. In den nachgetragenen Passagen zeigt nur das a wenige Unterschiede zu demjenigen des Hauptteiles. Das obere Ende des gebrochenen oberen Bogens ist serifenartig verbreitert, ebenso die Schaftenden des b, dessen Bogen hoch ansetzt und nach links gebrochen spitz auslaufend endet. Zwischen den durch Brechungen aufgelösten Bogenabschnitten klafft ein großer Zwischenraum. Das e ist demjenigen der übrigen Schrift ähnlich, es fehlt der steil rechtsschräg verlaufende Strich am Ende des oberen Bogenabschnitts. Das obere Schaftende des l ist verbreitert. Die Fahne des r steht separat als Quadrangel, die untere Spitze wird zu einem Zierstrich lotrecht ausgezogen. Worttrenner fehlen. Mit Einschränkungen könnte diese Grabplatte in die Umgebung der Werkstatt H4 der Halberstädter Grabplatten gehören (siehe Nr. 26, 29, 37).

Man weiß nicht, woher und wie die Grabplatte in den Kreuzgang der Liebfrauenkirche gekommen ist. Doering bemerkte sie 1902 jedenfalls nicht.4) Das ist allerdings kein Einzelfall, wie die Grabplatte des Dekans des St. Bonifatiusstiftes, Heinrich von Münster, zeigt, die ebenfalls auf unbekannte Weise ihren Weg in den Liebfrauenkreuzgang gefunden hat.5)

Als Zeuge erscheint Henning von den Roden als Knappe gemeinsam mit seinem Bruder Hugo zuerst in einer Urkunde aus dem Jahr 1370.6) Offensichtlich war er durch seine Frau, wie aus deren Wappen zu schließen ist, mit den Urkundenausstellern, Hans und Albrecht von Gittelde, verschwägert. 1386 und 1388 wird er als Bürge aufgeführt.7) 1388 und 1390, als er gemeinsam mit seinem Bruder das Schloß Wülperode in Pfandbesitz hat, wird er Ritter genannt.8) Zuletzt ist er im Jahr 1402 als lebend belegt.9) 1417 wird ein Viertel eines Zehnten, das er und seine Frau, Margareta von Gittelde, in Ergstedt besessen haben, vom Halberstädter Domkapitel den Testamentsvollstreckern des verstorbenen Dekans Konrad von Driburg (1389–1410) verschrieben.10) Vielleicht kann daraus auf den möglichen Tod von Frau Margareta nach 1414 und vor diesem Zeitpunkt im Jahr 1417 geschlossen werden. 1418 werden Güter, die Henning von den Roden bei der Hornburg gehabt hatte, aus einer Verpfändung des Schlosses durch Bischof und Domkapitel an die Herren von der Asseburg ausgenommen.11)

Textkritischer Apparat

  1. anno] Vor dem ersten Wort und dem Worttrenner ein Tatzenkreuz.
  2. bartolo] Von anderer Hand nachgetragen. Zu ergänzen zu bartolomei.
  3. henningus] henigus Wäß.
  4. miles] Nach diesem Wort bleibt über die folgende Ecke hinweg ein Spatium bis nach der Mitte der unteren Schmalseite. Hier sollten die Sterbedaten der Margareta Gittelde eingetragen werden, was jedoch unterblieb.
  5. quorum] eius Wäß.
  6. anime] ane Wäß.
  7. requiescant] requiscat Wäß.

Anmerkungen

  1. 24. August 1414.
  2. Gewendet, gespalten, vorn eine halbe Rose, hinten dreimal geteilt; vgl. Siebmacher SaA, S. 52 mit Taf. 32.
  3. Ein Hahn; vgl. Siebmacher SaAE, S. 17 mit Taf. 13.
  4. BKD, S. 351–356.
  5. Vgl. Nr. 29 mit Anm. 5.
  6. UBHH Bd. 4, Nr. 2788 S. 135. Rhoden (Harzkreis) östlich von Hornburg. Sein Bruder wird auch als Burgmann auf der Hornburg genannt.
  7. Ebd., Nr. 2999 S. 294–296, Nr. 3013 S. 307.
  8. Ebd., Nr. 3012 S. 306, Nr. 3032 S. 320 f. Vgl. auch BKD, S. 154.
  9. Ebd., Nr. 3198 S. 475.
  10. Ebd., Nr. 3344 S. 569. Vgl. zu Konrad von Driburg Meier 1967, S. 219 Nr. 334.
  11. Ebd., Nr. 3354 S. 574–576.

Nachweise

  1. Wäß 2006, S. 264.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 30 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0003006.