Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 26 Liebfrauen 1402

Beschreibung

Grabplatte für Dekan Heinrich von Bardorp; an der Südwand des Langhauses auf 27,5 cm hohem Steinsockel; Sandstein, hell; die oberen Ecken abgeschrägt, Kanten bestoßen, unterer Rand erodiert, sonst gut erhalten, Ritztechnik; im Inneren unter einer Maßwerkarchitektur ein barhäuptiger, tonsurierter Kleriker in eine am unteren Rand mit der Parura verzierte Albe, Amikt und Kasel gekleidet, Stola und Manipel angelegt, in der Linken einen Kelch mit Hostie haltend, die Rechte segnend erhoben, am Rand zwischen eingetieften Linien umlaufend der eingehauene, einzeilige Sterbevermerk.

Maße: H. 205 cm, B. 118,6 cm, T. 15,4 cm, Bu. 6–8 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. + anno · d(omi)ni · m · cccc · / ii / · qui(n)ta · die · mensis · moue(m)brisa) 1) · obiit · honora/bilisb) · do(mi)n(u)s · hinricusc) · de · / bardorpd) · decan(us)e) · hui(us)f) · ecc(lesi)e · cui(us)g) a(n)i(m)a · req(ui)escat · i(n) · pace · / ame(n)

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1402 am fünften Tag des Monats November1) starb der ehrwürdige Herr Heinrich von Bardorp, Dekan dieser Kirche. Seine Seele ruhe in Frieden, amen.

Kommentar

Die Schrift ist sehr tief eingehauen und wirkt etwas unsicher und wacklig. Die oberen Schaftenden wurden oft zu Quadrangeln reduziert. Die Unterlängen reichen nur sehr knapp unter die Grundlinie. Die Brechung ist manchmal nur unvollständig durchgeführt z. B. am oberen rechten Bogen des a oder beim c. Sehr einfach ist das a gebrochen, meist ohne den dünnen geschwungenen Anstrich des linken Teils des rechten oberen Bogens. Das obere Ende des aufgelösten Bogens des b ist zum Quadrangel reduziert. Die Bögen an den Hunderterzeichen der Jahreszahl, also des c, sind statt nach unten zunächst einmal nach oben gebrochen. Zum Quadrangel reduziert sind auch der obere Bogen bzw. das Bogenende des e, dessen Balken zum Schaft gerade zurückgeführt wird, und des p, dessen Bogen den Schaft nicht kreuzt. Das obere Schaftende des h endet stumpf, der Bogen endet leicht auslaufend knapp unter der Grundlinie. Eine Verbindung zur Schaftspitze zeigt der aufgelöste Bogen des q. Die zum Quadrangel reduzierte Fahne des r endet in einem gerade und lang, lotrecht ausgezogenen, am Ende nach rechts umgebogenen Zierstrich. Der auffälligste Buchstabe, das s, ist meistens mißlungen. Es besteht aus zwei gegenständig sich überlappenden Bögen, an deren Enden jeweils ein Zierstrich sitzt. Beide Bögen sind fast geschlossen. Ein Zierstrich am Balkenende des t wird nach oben und unten ausgezogen und am Ende jeweils nach rechts umgebogen. Als Worttrenner verwendete man Dreiecke. Die Kürzungsstriche wurden über dem Rand angebracht. Die Grabplatte gehört in einen Werkstattzusammenhang mit Nr. 29 und mit Einschränkungen auch Nr. 30 und 37, der hier Werkstatt H 4 der Halberstädter Grabplatten genannt werden soll.

Ob die Grabplatte sich immer im Kirchenraum befunden hat, ist ungewiß. Haber teilt sie 1737 in seiner Beschreibung der Kirche nicht mit, erwähnt aber, daß „in den Creutz=Gängen ... viler vornehmen Familien=Begräbnisse / und Todten=Gewölber / ... Es sind auch in den Creutz=Gängen viel alte und neue Epitaphia, so lesens=würdig zu sehen / die man aber wegen Kürtze der Zeit / ... hier nicht anführen wollen. Wer aber davon nachricht zu haben verlanget / der kann sie bey mir / dem Dom=Küster / abgeschrieben communizirt bekommen.“2) Auch andere Reisende oder Halberstädter erwähnen im 18. und 19. Jahrhundert zwar Grabdenkmäler und Epitaphien in der Liebfrauenkirche bzw. ihrem Kreuzgang, geben jedoch weder Namen noch Texte wieder oder erwähnen nur die jüngeren.3) Lucanus erwähnt die Platte im Kirchenraum nicht.4) Heinrich von Bardorp war Kanoniker des Liebfrauenstiftes und ist 1376 bis 1387 belegt, darunter auch in der Funktion als bischöflicher Notar und Protonotar.5) Seit 1392 bis 1402 ist er als Dekan des Stiftes nachzuweisen. In der Urkunde von 1383 XI. 19 heißt es, daß Heinrich von Bardorp leihweise das kleinste Sekretsiegel des Bischofs Albrecht von Rikmersdorf (1366–1390) führte und damit siegelte.6) Im Nekrolog des Halberstädter Stiftes St. Bonifacii wird nach einem Eintrag, der erst im 15. Jahrhundert hinzugefügt wurde, die Memoria des Heinrich von Bardorp zum 28. Oktober geführt, als Todesdatum ist der 3. November angegeben.7) Der genaue Todestag bleibt also ungewiß, obwohl dem Stein im Liebfrauenstift als seiner Wirkungsstätte und damit dem 5. November die größte Wahrscheinlichkeit zukommt.

Textkritischer Apparat

  1. nouembris] nonembris Wäß.
  2. honorabilis] honor.ibilis Wäß.
  3. hinricus] henricus Wäß.
  4. bardorp] Der erste Buchstabe beschädigt; barum Wäß.
  5. decanus] Die us-Kürzung heute nicht eingeschwärzt.
  6. huius] Die us-Kürzung heute nicht eingeschwärzt.
  7. cuius] Ungewöhnliches Kürzungszeichen in Form einer retrograden 3; das Zeichen heute nicht eingeschwärzt.

Anmerkungen

  1. 5. November 1402.
  2. Haber 1737, S. 23.
  3. Müller 1795, S. 339 f.; Niemann 1824, S. 52.
  4. Lucanus 1848, S. 21.
  5. UBHH Bd. 4, Nr. 2870 S. 188 f., Nr. 2875 S. 191 f., Nr. 2911 S. 219 f., Nr. 2913 S. 220, Nr. 2972 S. 267 f., Nr. 3006 S. 303, Nr. 3074 S. 364 f., Nr. 3083 A S. 376, Nr. 3084 S. 376, Nr. 3123 S. 401, Nr. 3156 S. 438, Nr. 3186 S. 470 f., Nr. 3192 S. 472 f.; UB Stadt halberstadt Bd. 1, Nr. 670 S. 555 f., Nr. 699 S. 14 f. Vgl. auch den Eintrag in den BKD, S. 351 als Dekan Heinrich von Barum (?).
  6. UBHH Bd. 4, Nr. 2972 S. 268: „hern Hinrike van Bardorpe unse cleneste secretum hirtho gheleghen hebben, unse inghezegehle ghehenghet haben an dessen bref“.
  7. Schmidt 1873, S. 415 f., 436.

Nachweise

  1. Wäß 2006, S. 263.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 26 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0002602.