Inschriftenkatalog: Stadt Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 86: Halberstadt (Stadt) (2014)

Nr. 19 St. Moritz n. 1363 – v. 1388

Beschreibung

Zwei Fragmente einer Grabplatte; an der Westwand des nördl. Querhausarmes in ca. 50 cm bzw. 120 cm Höhe angebracht; Schiefer; zerbrochen, die unteren Teile der rechten Seite fehlen, die Schriftleiste links und oben beschädigt, Abplatzungen; unter einem eingehauenen Dreipaßbogen sind Reste der Umrisse eines Klerikers sichtbar, der in seiner Linken einen Kelch hält, den er mit der Rechten segnet, vermutlich ist er in eine Kasel gekleidet; am rechten Rand, durch eingehauene Linien begrenzt der Sterbevermerk einzeilig eingehauen.

Maße: H. li: 218,3 cm, re: 150 cm, B. li: 60 cm, re: 88 cm, T. li: ca. 8,5 cm, re: ca. 6 cm, Bu. 5,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Markus Scholz) [1/3]

  1. [- - -] / [- - -] GILIAa) S(AN)C(T)I SEBASTIANI MARTIRIS1) O(BIIT) L[- - -]

Übersetzung:

[- - -] am Vorabend des [Festes] des heiligen Märtyrers Sebastian1) starb L[- - -].

Kommentar

Die Buchstabenenden sind verbreitert und mit stark ausgeprägten Sporen versehen, die Schäfte so stark eingeschnürt, daß manche Buchstabenteile nicht miteinander verbunden zu sein scheinen. Die Bögen weisen Bogenschwellungen auf. A kommt in der pseudounzialen Form mit einer Bogenschwellung am linken Schaft vor, der am unteren Ende flach nach links umgebogen wird. Das flachgedeckte einfache A zeigt keilförmige Verbreiterungen der unteren Schaftenden. Der Mittelbalken verläuft linksschräg und ist dünn ausgeführt. B hatte vielleicht keine Verbindung zwischen Schaft und Bögen. Der Schaft ist eingeschnürt, beide Bögen halb- bis sichelmondförmig. C hat einen gerade verlaufenden Innenkontur. E gleicht dem C; der Mittelbalken ist dünn und gerade ausgeführt. Das obere Bogenende des G ragt rechts über das untere hinaus und ist keilförmig verbreitert. I weist einen eingeschnürten Schaft auf. Ebenso ist derjenige des L geformt, das Balkenende ist keilförmig verbreitert. Das symmetrische M besteht aus drei einander kaum berührenden Teilen. Der Schaft ist eingeschnürt, die Bögen zeigen gerade Innenkonture und sind an ihrem Ende nach außen und oben umgebogen. N kommt nur unzial vor. Es besteht keine Verbindung zwischen Schaft und Bogen wie am M. Die Innenkonture der seitlichen Bogenabschnitte des ovalen O verlaufen gerade. Keine Verbindung zwischen Schaft und Bogen ist am R festzustellen. Seine Cauda ist geschwungen, zeigt an der rechten Seite eine Bogenschwellung und endet verbreitert. S ist steil angelegt. Der mittlere Bogenverlauf weist eine Bogenschwellung auf. Die Sporen an den Bogenenden sind ausgezogen. Der Schaft des T ist eingeschnürt, die Balken an den Seiten keilförmig verbreitert.

Vermutlich handelt es sich um die Grabplatte des Ludolph von Kissenbrugge, der im Nekrolog von St. Moritz als einziger zum Datum des 19. Januar eingetragen ist.2) Durch die Übereinstimmung des Anfangsbuchstabens des mutmaßlichen Vornamens auf der Grabplatte mit dem Vornamen des zum 19. Januar eingetragenen Klerikers ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Identität mit dem Verstorbenen gegeben. Ludolph ist seit 1336 als Kanoniker von St. Bonifatius belegt und ist an einem 19. Januar nach 1363 und vor 1388 verstorben.3) Er stiftete dem Bonifatiusstift testamentarisch ein Ewiges Licht in das Sanctuarium, die Feier der Feste zu Dreifaltigkeit und Cosmas und Damian, den Allerheiligenaltar, an dem zwei Vikare zelebrierten, und richtete seine eigene Memorie zum 19. Januar und die seiner Familienmitglieder ein.4) Einer der beiden Vikare des Allerheiligenaltars, Johann von Ströbeck, stiftete 1388 zum 19. Januar eine Memorie für Ludolph von Kissenbrugge im Jacobuskloster (St. Burchard).5)

Textkritischer Apparat

  1. GILIA] Zu ergänzen zu VIGILIA. Etliche Buchstaben des folgenden Textes beschädigt.

Anmerkungen

  1. 19. Januar.
  2. Schmidt 1873, S. 398.
  3. UBHH Bd. 3, Nr. 2287 S. 390–392, Nr. 2320 S. 414 f., Nr. 2347 S. 446 f., Nr. 2348 S. 447 f., Nr. 2425 S. 525, Nr. 2444 S. 543–545; ebd., Bd. 4, Nr. 2655 S. 34–36; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 159 f. S. 123–125; UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 494 S. 391 f., Nr. 636 S. 521 f.
  4. Schmidt 1873, S. 449 f.; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. XXI S. 257–259; Elis 1886, S. 20.
  5. UB Stadt Halberstadt Bd. 1, Nr. 636 S. 521 f.

Zitierhinweis:
DI 86, Halberstadt (Stadt), Nr. 19 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di086l005k0001904.