Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 252 Dom, Neuenstädter Kapelle 1613

Beschreibung

Wappenfries mit den Wappen und Namen von Domherren; an der Südwand der Neuenstädter Kapelle, vielleicht ehemals am Rentamt angebracht; heller Sandstein, beschädigt, teilweise abgesplittert (Schriftverlust), Reste einer farbigen Fassung erhalten. Unter einem mehrfach profilierten Gesims durch Baluster getrennt die Vollwappen von 14 Domherren, die Helmzier fehlt teilweise. Unterhalb eines schmalen Sockelbandes – jeweils unter dem zugehörigen Wappen plaziert – die Wappenbeischriften (A), in zeilenhoch eingetiefter Schriftleiste erhaben ausgeführt. Auf dem letzten Baluster zeilenweise die eingehauene Signatur mit Jahreszahl (B) und Meisterzeichen1) des Dombaumeisters Christoph Straube. Die eingehauenen Linien waren mit bräunlicher Paste ausgefüllt (Reste). Die Wappen ehemals tingiert.

Maße: H. 64 cm, B. 545 cm, Bu. 2,5 cm, Versalien 3,5 cm (A), 3,5 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

  1. A

    MATTHIAS AB OPPENa) DECAN(VS)b) / ET [PORT]ANARI(VS)c) IOACHIM IOANES GEORGI(VS)d) A SHVLE(N)BV[R]CHe) / [SENI]ORf) ERNESTVSg) [AB] ARNSTEDT . IOACHIM(VS) . ERNEST(VS) A . BIEREN CASPARVS . WRAMPE . LVDOVICVS . A . LOCHAW . ABRAHAMVS . A . RINTORFF . IOACHIMVS . A . TRESKAW . IDEL IOHANNES AB . HOLLE . ERNEST(VS) A . HOPPENKORB . ARNOLD(VS) SPIEGEL . A . PICKELSH(EIM)h) IOAN(NES)i) . LEVIN(VS) BENNIGSEM , HENRIC(VS) A LOCHOW . LEOPOLD(VS) . A . ROSSING

  2. B

    CHRI/STO=/HOR(VS)j) / STRA=/VBE · / BAWM(EISTER)k) // 1613

Wappen:
Oppen,2) Schulenburg,3) Arnstedt,4) Byern,5) Wrampe,6) Lochow,7) Rintorf,8) Treskow,9) Holle,10) Hoppenkorf,11) Spiegel zu Pickelsheim,12) Bennigsen,13) Lochow,14) Rössing15).

Kommentar

Auffälligster Buchstabe der Inschrift A ist das G. Der Bogen des G wird am oberen Ende weit nach rechts unten bis fast zur Mitte verlängert und läuft spitz aus. Die Cauda mit Verbreiterung und sporenartigen Ansätzen am Ende verläuft lotrecht. Die Worttrenner in Form von Quadrangel sind auf die Grundlinie einmal auf die Zeilenmitte gesetzt. Als i-Punkt werden Quadrangel benutzt. Die Schrift der Inschrift B ist teilweise etwas rechtsgeneigt. Die geschwungene Cauda des R läuft spitz aus. Das A ist aus Platzgründen sehr schmal.

Der Wappenfries könnte derjenige sein, der noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Vorsaal der Dombibliothek im ersten Stock des ehemaligen, heute abgerissenen Domrentamtes an der Südostseite des Domes vorhanden war.16) Er stimmt, wenn auch nicht in dem das Amt des Thesaurars betreffenden Zusatz, in der Reihenfolge der Wappen und Schreibweise der Namen der Domherren mit dem für die Dombibliothek überlieferten überein.17) Wappenbeischriften, Signatur und Meisterzeichen könnten somit auf die Errichtung dieses Gebäudes hinweisen. Die öffentliche Darstellung des Domkapitels im Jahr 1613 liegt gewiß im Tode des Halberstädter Bischofs und Herzogs von Braunschweig Heinrich Julius im selben Jahr begründet.18) Das Domkapitel erlangte durch die Wahl von dessen erst fünfjährigem jüngsten Sohn zum postulierten Bischof neben Besitzrechten und Einkünften für eine Reihe von Jahren die Verfügungsgewalt über das Hochstift. Matthias von Oppen war seit 1605 Dekan des Domstiftes.19) Wie er waren auch Ernst von Byern (Bieren), Kaspar Wrampe und Ludwig von Lochow katholisch, die übrigen Domherren hingen der evangelischen Konfession an.20) Trotzdem präsentiert sich das Domkapitel auf der Wappentafel, die sicher an herausgehobenem Orte – vermutlich tatsächlich am Rentamt – angebracht war, als Einheit, deren Rechte es zu wahren galt.21) Christoph Straube war seit 1600 Baumeister des Domes.22)

Textkritischer Apparat

  1. OPPEN] Der letzte Buchstabe beschädigt.
  2. DECANVS] Der erste Buchstabe beschädigt.
  3. ET PORTANARIVS] In zweiter Zeile in verkleinertem Schriftgrad unterhalb des Familiennamens. So auch Scheffer.
  4. IOACHIM IOANES GEORGIVS] Sämtliche Buchstaben des Namens – auch die der folgenden Worte – stark beschädigt.
  5. SHVLENBVRCH] Sic! Für SCHVLENBVRCH. Alle noch lesbaren Buchstaben beschädigt. Schulenburg senior auch Scheffer.
  6. SENIOR] In zweiter Zeile in verkleinertem Schriftgrad unterhalb der Zeile.
  7. ERNESTVS] Die beiden letzten noch lesbaren Buchstaben beschädigt; Joachimus Ernestus Scheffer.
  8. SPIEGEL A PICKELSHEIM] Kürzungszeichen fehlt. Der letzte Buchstabe verkleinert. Spiegels a Pickelsheim Scheffer, der außerdem Thesaurarius hinzufügt. Am Schluß des Namens, der mit einem verkleinerten H endet, verläuft eine Fuge, so daß hier ein Stück des Frieses fehlen kann und damit der, wie die beiden übrigen Zusätze gestaltete Zusatz auf der daruntergesetzten Zeile verlorenging. Der Zusatz fehlt auch in der von der Komisse stammenden Inschrift; vgl. unten Anm. 17.
  9. IOANNES] Durch nachfolgenden Punkt auf der Grundlinie gekürzt.
  10. CHRISTOHORVS] Sic! Für CHRISTOPHORVS.
  11. BAWMEISTER] Durch nachfolgenden Punkt auf der Grundlinie gekürzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Taf. LXXXII, Nr. 13. Möglicherweise handelt es sich bei den beiden über und unter den Winkelmaßen dargestellten Symbolen Stern und Traube um redende Symbole, die den Namen Straube im Bild wiedergeben. Vorschlag von Dr. Harald Drös, Heidelberg.
  2. Andreaskreuz, in der Mitte mit einer Rose belegt; vgl. Siebmacher Sa, S. 40 f. mit Taf. 46.; ebd. Anh, S. 5 mit Taf. 5; ebd. PrA, S. 55 mit Taf. 41; Helmzier fehlt.
  3. Quadriert, 1./4. schreitender gekrönter Ochse, Leib und Kopf geviert, die Krone mit drei Fähnchen besteckt, 2./3. drei Greifenklauen; vgl. Siebmacher Han, S. 16 mit Taf. 17; ebd. Pr, S. 368 mit Taf. 417; ebd. ThüA, S. 83 mit Taf. 65, die Helmzier teilweise abgeschlagen.
  4. Schräglinksgeteilt, darüber schrägbalkenweise gelegt drei Rosen; vgl. Siebmacher PrE, S. 6 f. mit Taf. 4; ebd. BraA, S. 3 mit Taf. 1; ebd. AnhA, S. 4 mit Taf. 1.
  5. Linksgewendet, geviert, 1./4. ein sitzender Hund, HZ: beschädigt, 2./3. ein Blätterkranz, HZ: beschädigt; vgl. Siebmacher PrE, S. 35 mit Taf. 29.
  6. Drei doppelzinkige Gabeln 2:1; vgl. Siebmacher SaA, S. 191 mit Taf. 24; vgl. auch das abweichende Wappen des Caspar von Wrampe, ebd. SaAE, S. 33 mit Taf. 26.
  7. Drei bärtige behelmte Männerköpfe 2:1; vgl. Siebmacher Pr, S. 243 mit Taf. 293.
  8. Schreitender Stier, um den Hals ein Band mit abflatternden Enden; vgl. Siebmacher BraA, S. 75 mit Taf. 44; ebd., AnhA, S. 49 mit Taf. 28.
  9. Drei Entenköpfe mit beringten Halsbändern 2:1; vgl. Siebmacher Pr, S. 416 mit Taf. 461.
  10. Drei gestulpte und bequastete Zipfelmützen; vgl. die abweichende Wappenfigur bei Siebmacher Pr, S. 175 mit Taf. 223.
  11. Ein silberner Balken, begleitet von drei Sternen 2:1, Helmzier fehlt teilweise; vgl. Siebmacher SaA, S. 77 mit Taf. 48.
  12. Drei runde Spiegel mit Einfassung; vgl. Siebmacher PrGfN, S. 22 mit Taf. 17.
  13. Schrägrechtsgelegter Armbrustschaft, Helmzier fehlt; vgl. Siebmacher AnhA, S. 73 mit Taf. 42.
  14. Wie Anm. 7.
  15. Schräglinksgeteilt, darin ein gekrönter Löwe; vgl. Siebmacher Han, S. 15 mit Taf. 16.
  16. Scheffer 1864, S. 22.
  17. Möglicherweise ist die Inschrift, die das Thesaurarsamt des Arnold Spiegel von Pickelsheim benennt, bei der Übertragung in die Neuenstädter Kapelle verlorengegangen. Vgl. auch Anm. h. Der Text der an der Komisse überlieferten Inschrift weicht ab. Wappen ohne Wappenbeischriften befanden sich in Holz geschnitzt am Domkeller an der Südwestseite des Domes und sind heute an der Dompropstei als Brüstungsbretter verwendet. Vgl. auch Arndt 1910, S. 101–103. Siehe dazu DI 86 (Stadt Halberstadt), Nr. 192 (†).
  18. Vgl. Opel 1869, S. 388; Mülverstedt 1894, S. 27.
  19. Vgl. zu diesem Nr. 255.
  20. Vgl. Opel 1870, S. 63 f., 74.
  21. Mülverstedt 1894, S. 26 zu den in diesem Jahr vollendeten Nebengebäuden des Doms; vgl. zur überkonfessionellen „Zusammenarbeit“ auch Fuhrmann 2006b, S. 268–272.
  22. Vgl. zu diesem Nr. 260 †, 261.

Nachweise

  1. Scheffer 1864, S. 22 f. (A).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 252 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0025203.