Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 248 Dom, Querhaus, Südempore 1605

Beschreibung

Metallteile der Grabplatte des Kaspar von Kannenberg (1588–1605), an der Westwand der Südempore aufgestellt,1) früher vor dem südöstlichen Vierungspfeiler in den Boden eingelassen;2) Relief; in einem mehrfach profilierten Rahmen – zwischen den beiden äußeren Stegen Flechtbandornament – im Innenfeld in einer Kleeblattbogennische mit verkröpftem Gesims, ein bärtiger Prälat in Birett, Halskrause und einer Pelzalmutie, die durch zwei mit Puttenköpfen verzierte, mittels Schnürbändern verbundene Agraffen geschmückt ist, darunter ein Rochett, in den Händen ein mit Schließen versehenes Buch, zu Füßen ein Vollwappen. Die Platte ist mit Beschlag- und Knorpelwerk sowie vegetabilischer und symbolischer Ornamentik reich verziert. Auf der inneren Rahmenleiste umlaufend der erhaben gegossene Sterbevermerk (A). Am unteren Rand des inneren Rahmens die eingravierte Künstlersignatur (B) des Georg Wolgast. In den beiden Bogenzwickeln Darstellungen von je zwei Evangelisten samt ihren Symbolen, die zugehörigen Tituli (C–F) in eine Schriftleiste unter dem Innenrand der oberen Schmalseite graviert. Auf dem aufgeschlagenen Evangelium des Matthäus die Beischrift (G).

Maße: H. 200 cm, B. 114,5 cm, T. 2,4 cm, Bu. 3,9 cm (A), 1 cm (B), 0,7 cm (C–F).

Schriftart(en): Kapitalis (A, B, G), Fraktur (C–F) mit Versal.

Bildarchiv Foto Marburg [1/1]

  1. A

    REVERENDVS3) · AC · NOBILIS / · VIR · D(OMINVS) · CASPAR · A · KANNENBERG · DECANVS · / HVIVS · ECCLESIAE · OBYT / · 31 · IANVARY · ANNO · 1605 · AETATIS · SVAE · 72 ·

  2. B

    GEORG · // WOLGAST // · ME · FECIT · // HALENSIS

  3. C

    S(anctus)a) Mattheus

  4. D

    S(anctus)a) Marcus / E(vangelista)b)

  5. E

    S(anctus)a) Lucas

  6. F

    S(anctus)a) Johannes

  7. G

    MATE:/·VSc)

Übersetzung:

A: Der ehrwürdige und edle Mann, Herr Caspar von Kannenberg, Dekan dieser Kirche, starb den 31. Januar im Jahr 1605 seines Alters 72 (Jahre). B: Georg Wolgast aus Halle stellte mich her.

Wappen:
Kannenberg4).

Kommentar

Die Schrift ist weitgehend an der klassischen Kapitalis orientiert. Sie zeigt durchgehend Linksschrägenverstärkung und deutliche Serifen. Als Worttrenner fungieren Quadrangel auf Zeilenmitte (A, B) oder als Trennzeichen auf der Grundlinie (G).

Georg Wolgast goß eine Glocke für die Ulrichskirche in Halle und das Epitaph des Wolfgang von Waldau in der Dessauer Marienkirche.5)

Kaspar von Kannenberg, aus einem altmärkischen Geschlecht mit gleichnamigem Stammsitz im Kreis Stendal,6) wird nach Lentz im Jahr 1583 als Halberstädter Domherr, 1588 als Senior, seit 1589 als Domdekan genannt.7) Vermutlich folgte er schon 1588 Ludwig von Britzke ebenso in diesem Amt wie auch als Dekan der Kalandsbruderschaft in Oschersleben.8) Schon 1559 soll er Propst in Walbeck gewesen sein.9) Während der Reformation des Domkapitels im Jahr 1591 soll er, obwohl Dekan, noch zu den in der Konfessionsfrage schwankenden Kapitelmitgliedern gehört haben.10) Daß Kannenberg zu den Gegnern der Reformation gezählt habe und beim katholischen Glauben geblieben sei, wie Ratzka unter Berufung auf zwei unveröffentlichte Arbeiten aus der Familie Kannenberg annimmt, ist nicht richtig.11) Aus der Verfügung in seinem Testament geht hervor, daß nach evangelischem Glauben nur eine Leichenpredigt gehalten und eine Lesung aus dem Evangelium gelesen werden sollte.12) Das entspricht reformatorischem Brauch. Auch eine Revokationsklausel, wie sie in Testamenten katholischer Domherren in Halberstadt vorkommt, findet sich in Kannenbergs Testament nicht.13) Sein Tod könnte durch eine Verletzung befördert worden sein, die beim vergeblichen Versuch, einen Streit zwischen zweien seiner unehelichen Söhne nach einem Festmahl im Dezember 1604 auf dem Dekanatshof zu schlichten, durch einen Sturz verursacht wurde.14) Seinen natürlichen Sohn Balzer (Balthasar) enterbte er wegen dieser Tat.15) Kannenberg bewohnte eine Kurie hinter der Schule nach Norden hin.16) Sein Epitaph ist am südöstlichen Vierungspfeiler angebracht.17) Der Dekan ist nicht, wie Doering und ihm folgend Ratzka nach einer Bemerkung des Nachfolgers von Kannenberg, Matthias von Oppen, annehmen, „in Roclum“ ehemals Rocheln begraben worden, sondern im Dom, wie aus Kannenbergs Testament und dieser Grabplatte eindeutig hervorgeht.18) Dekan von Oppen bemerkt in seinem Tagebuch als Katholischer zufrieden, daß man zum Begräbnis seines Vorgängers „in Rocheln gegangen“ sei, und meint damit, daß man der Feierlichkeit in den traditionellen Rochetten der Domherren beigewohnt habe.19) Die sog. Kannenbergsche Stiftung aus dem Testament des Domdekans hatte im Jahr 1833, als sie vom preußischen König auf dem Gnadenwege der Domkirche überlassen wurde, noch einen Kapitalwert von 21 810 Reichstalern.20)

Textkritischer Apparat

  1. Sanctus] Durch nachfolgende Raute gekürzt.
  2. Evangelista] Kürzung mittels zweier nachfolgender vertikal übereinandergestellter Quadrangel.
  3. MATEVS] Trennung durch zwei vertikal übereinandergestellte bzw. ein Quadrangel auf der Zeilenmitte.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 107 Anm. 1.
  2. Haber 1739, S. 30. Noch 1817; vgl. Büsching 1819, S. 246.
  3. Haber 1739, S. 30 zitiert hier irrtümlich den Textbeginn des Epitaphs; vgl. Nr. 249.
  4. Drei Kannen 2:1, HZ: über Helmwulst eine Kanne zwischen zwei mit Bändern umwundenen Büffelhörnern; vgl. Siebmacher BraA, S. 44 und Taf. 25.
  5. Vgl. Thieme/Becker Bd. 36, S. 226; erwähnt bei Lüer 1904/1909, S. 445.
  6. Vgl. Adelslexikon Bd. 6, S. 116; Kneschke Bd. 5, S. 20 f.; Ledebur Bd. 1, S. 414 f.
  7. Lentz 1749, S. 309 f.; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 486 S. 238; UB St. Johann, Nr. 543 f. S. 468 f.
  8. Nebe 1880, S. 136; vgl. auch ebd., S. 246. Siehe zu Ludwig von Britzke Nr. 225.
  9. Meibom 1749, S. 150 f.
  10. Vgl. Langenbeck 1886, S. 77 f.
  11. Ratzka 1998, Anhang S. 21 f. mit Anm. 28.
  12. Magdeburg LHASA, Rep. Cop. 498, fol. 98v.
  13. Vgl. Fuhrmann 2006 b, S. 267 f. mit Anm. 66.
  14. Vgl. Opel 1869, S. 398.
  15. LHASA Magdeburg, Rep. Cop. 498, fol. 105r–107r.
  16. Vgl. BKD, S. 224.
  17. Vgl. Nr. 249.
  18. BKD, S. 125; Ratzka 1998, Anhang 21 mit Anm. 28; LHASA Magdeburg, Rep. Cop. 498, fol. 98v.
  19. Vgl. Mülverstedt 1894, S. 196; Fuhrmann 2006b, S. 267 f. mit Anm. 66.
  20. DKK 1837, S. 3–5; ebd. 1838, S. 3–5.

Nachweise

  1. Halberstadt, Domarchiv, Zeichnung von Johann Schäfer von 1842, ohne Signatur.
  2. BKD, S. 303 (B).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 248 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0024809.