Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 75: Halberstadt Dom (2009)
Nr. 235 Dom, Alter Kapitelsaal 1600
Beschreibung
Grabplatte des Domherrn Johannes von Britzke; an der Nordwand des Alten Kapitelsaals als letzte Grabplatte von Westen aufgestellt.1) Heller Sandstein, Beschädigungen am unteren Rand, Schriftverlust. In mit Bandornamentik verzierter Rundbogennische ein bärtiger Kleriker stehend, gewandet in Birett, Halskrause, Chorrock und pelzverbrämte, von einer Agraffe gehaltene Almutie, in den Händen ein Buch. Zu Füßen ein Vollwappen. Die Nische ist durch Gesimse in Knie- und Schulterhöhe gegliedert, von Pilastern mit diamantquadergeschmückten Sockeln gerahmt, unter deren Kapitellen Puttenköpfe; der Architekturbogen ist mit Diamantquadern und Buckeln belegt und von einem geflügelten Cherubskopf bekrönt. Am Rand umlaufend auf eingetiefter Inschriftenleiste der erhaben ausgehauene Sterbevermerk (A), der sich auf den Pilastern in ebenfalls eingetiefter Inschriftenleiste fortsetzt, fast vollständig in Scriptura continua. In den Ecken in Rundmedaillons die Evangelistensymbole mit Spruchbändern, darauf die Tituli (B–E).
Maße: H. 209 cm, B. 135 cm, T. 13,4 cm, Bu. 6 cm (A auf Rand), 5 cm (A auf Pilaster), 2,5 cm (B–E).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
ANNO DOMINI // 1600 DIE 22 // MENSIS MARTII OBIIT REVERENDVS AC NOBILIS DOM//INVS IOHANNES A BRITZKEN CANO//NICVS SENIOR AC THESAVRARIVS CATHEDRALIS ECCLESIAE // HALBERSTADENSIS CVIVS // ANIMA REQVIESCAT IN PACE
- B
S(ANCTVS) · MATTHEVSa) ·
- C
S(ANCTVS) · MARCVS
- D
S(ANCTVS) · IOHANNES
- E
S(ANCTVS) // LVCAS
Übersetzung:
Im Jahre des Herrn 1600 am 22. Tag des Monats März starb der ehrwürdige und edle Herr Johannes von Britzke, Domherr, Senior und Thesaurar der Halberstädter Bischofskirche. Seine Seele ruhe in Frieden.
Britzke2). |
Textkritischer Apparat
- MATTHEVS] Gestürzt.
Anmerkungen
- Der ursprüngliche Standort der Platte ist nicht mehr zu ermitteln.
- Ein sechsstrahliger Stern, HZ: über Helmkrone drei Straußenfedern; vgl. Siebmacher Sa, S. 22 und Taf. 23; ebd. Pr, S. 99 und Taf. 129; abweichende Beschreibungen ebd. AnhA, S. 11 und Taf. 5; ebd. PrE, S. 30 und Taf. 24; Ledebur Bd. 1, S. 107; Kneschke Bd. 2, S. 77; Adelslexikon Bd. 2, S. 110.
- Vgl. Lentz 1749, S. 310; UB S. Bonifacii et S. Pauli, S. 240 Nr. 491, 493, S. 552 Nr. 486, Register S. 584 unkorrekt; UB St. Johann, Nr. 544 S. 469; Neumann 1900, S. 46, 50, 55; Diestelkamp 1929 a, S. 243. Zum Amt des Divisors vgl. Brackmann 1898, S. 61 f.
- Vgl. Langenbeck 1886, S. 78, 102.
- Vgl. Opel 1869, S. 389.
- Vgl. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 491 S. 240; Neumann 1900, Tab. II Nr. 6; 1594 heiratet ein gleichnamiger Stiftsherr an Liebfrauen, dessen Identität jedoch nicht zu klären ist. Der Domherr und Thesaurar ist nirgends als Kanoniker der Liebfrauenkirche genannt.
- Vgl. Opel 1869, S. 399.
- Vgl. dazu Einleitung S. XXIX und Nr. 246.
Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 235 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0023502.
Kommentar
Ligaturenreiche Schrift, die auch ungewöhnliche Buchstabenverbindungen aufweist, wie zum Beispiel VR. Fast vollständig in Scriptura continua ausgeführt. Die Bogenenden des D gehen links über den Schaft hinaus. M zeigt gerade Seitenhasten und verkürzten Mittelteil. O ist spitzoval, die Cauda des Q ist als Doppelschleife, die geschwungene Cauda des R ohne Serife ausgeführt. Besonders in der zweiten Hälfte der Inschrift wird S etwas nach rechts geneigt, ebenso das C. Der Schaft der arabischen 1 ist oben und unten gespalten. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf der Zeilenmitte.
Johannes von Britzke, aus Magdeburgischem Geschlecht, ist 1583 als Domherr, seit 1585 als Thesaurar, 1590 außerdem als Divisor, 1593 und noch im Jahr 1600 als Senior des Domstiftes sowie seit 1590 als Mitglied der Stephansbruderschaft nachzuweisen.3) Während der Reformation des Halberstädter Domkapitels gehörte er zu den bezüglich der Konfession unentschiedenen Domherren.4) Verwirrend ist die Angabe, daß Johannes von Britzke noch nach dem 11. September 1600, einem Zeitpunkt, an dem er nach dem Text seiner Sterbeinschrift nicht mehr lebte, die Belehnung des Bischofs mit der dem Stift heimgefallenen Grafschaft Reinstein verhindert habe.5) 1585 lebte er im Konkubinat mit Gertrud Schwechten, dem natürliche Erben entsprossen waren, die aber nicht lehnsfähig waren.6) Der Domprediger Saxo (Sachs, vgl. Nr. 251) schalt Johannes von Britzke in seiner Leichenrede dermaßen, daß er deshalb vor dem Kapitel erscheinen mußte.7) Die Grabplatte stammt aus derselben Werkstatt (H2) wie diejenige des 1601 verstorbenen Domherrn Joachim von Borch.8)