Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 160 Dom, Querhaus, Südempore 1506

Beschreibung

Metallteile der Grabplatte des Domdekans Johann von Querfurt (1465–1506), ursprünglich vor dem nördlichen Querhausarm in den Boden eingelassen,1) 1846 auf die Südempore verbracht,2) später an der Südwand des Kreuzganges im sechsten Joch von Osten angebracht; schlecht erhalten, verwittert und abgeblättert. Bestehend aus acht Teilen: sechs Rahmenteile samt je einem Medaillon, ein Teil einer Bogenarchitektur sowie eine vielleicht ursprünglich nicht zugehörige Umrißfigur, auf einer Holzplatte mittels moderner Schrauben befestigt. Im Inneren unter einer gravierten Kielbogenarchitektur eine Prälatengestalt im Umriß, die Innenzeichnungen graviert. In den Ecken gravierte Rundmedaillons, auf denen ehemals die vier Evangelistensymbole zu sehen waren, diejenigen in der Mitte der Längsseiten zeigen zwei Kirchenpatrone, links Stephan mit Steinen im Schoß, rechts Sixtus mit Nimbus, in Bischofstracht, Krummstab und Beutelbuch oder Geldbeutel,3) flankiert von zwei Bäumchen. An der rechten unteren Seite der Umrißfigur war nach den Zeichnungen von Schäfer und Teitge noch Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts das Vollwappen des Verstorbenen zu sehen. Auf dem Rahmen, von den Medaillons unterbrochen, umlaufend in den rautierten Untergrund graviert die Grabbezeugung (A). In einem Spruchband zu beiden Seiten des Kielbogenscheitelpunkts die Jahreszahl (B), graviert. 1967 war auf den Spruchbändern der Medaillons mit den Evangelistensymbolen der Titulus (C), der in die Zeichnungen keine Aufnahme fand, noch vorhanden.4)

Ergänzungen nach den Zeichnungen von Johann Schäfer und des Domküsters Teitge sowie nach einem Aufnahmebogen von Karin Iffert, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission Halle, Archiv.

Maße: H. 210 cm, B. 119 cm, T. 0,8 cm, Bu. 9,5 cm (A), 1 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    [Monume(n)taa) ·] quo(n)da(m) // ioh(ann)isb) · ex · nobilib(us) · de // quernfurd · nouissimi // huius [cathedraec) dum ·] // vixit · decani · memo//ratu · dignissimid) //

  2. B

    [A // 150]6e)

  3. C †

    S(an)c(tu)s Jof)

Übersetzung:

A: Grabdenkmal des verstorbenen Johannes, des Letzten der Edlen von Querfurt, Dekans dieses Bischofssitzes, als er noch lebte, des Angedenkens hochwürdig. B: Im Jahre 1506. C: Der heilige Jo …

Wappen:
[Querfurt]5).

Kommentar

Sehr qualitätvolle, regelmäßig gestaltete Bandminuskel. Der nach links gewölbte querovale Zierstrich des Minuskel-a verläuft zum Schaftansatz des rechten Schafts, der linke Schaft ist wesentlich kürzer. Die gespaltenen Schaftspitzen von b, l und h – nach rechts eingerollt – ragen in den Rand hinein. Ebenso endet die Unterlänge des q im Randbereich. Das x ist mit einem Balken und einer diagonal zum Schaft hin ausgezogenen Fahne des zweiten Schafts versehen. Am f findet sich neben einem Balken ein von der Schaftspitze aus nach unten gezogener Zierstrich. Die Fahne des r hat keine Verbindung zur Schaftspitze, in memoratu wird der Zierstrich zum Schaft hin diagonal ausgezogen. Es fehlen Abschlußstriche des runden s. Die Schaftspitze des Schaft-s ragt gebrochen bzw. die des t gespalten in den Rand hinein. Die Quadrangel als Worttrenner sind weich geschwungen paragraphenzeichenförmig ausgezogen. Die Kürzungsstriche z. B. über quondam sind nicht mehr sichtbar, müssen aber wohl vorhanden gewesen sein. Diakritische Zeichen über u und v in Form eines spitzen Hakens wurden zur Unterscheidung von n angebracht. Als Trennzeichen wurden Quadrangel und ausgezogene Quadrangel eingeritzt.

Uffenbach glaubt irrtümlich am ursprünglichen Standort der Grabplatte zwei Mitglieder des Geschlechts Sampleven begraben, welchem er auch das Wappen von Querfurt zuordnet, das sowohl auf der Grabplatte des Johann von Querfurt angebracht ist als auch an dem sich noch heute über dieser Stelle erhebenden Baum der Erkenntnis, der zur Darstellung des Sündenfalles an der Front der Nordempore gehört.6) Aus der Anbringung und Übereinstimmung der Wappen und der räumlichen Nähe beider Denkmale ergibt sich auch, daß diese Bildwerke von Johann von Querfurt gestiftet wurden und nicht von dem etwa zeitgleich amtierenden Dompropst Heinrich Gherwen († 1474).7) Auch auf dem Schlußstein des östlichen Jochs der Empore des nördlichen Querhauses ist das Querfurtsche Wappen zu sehen.8) Ehemals soll es sich auch in der unteren linken Ecke des dritten Gewölbes von Norden an der Ostwand des Kreuzganges befunden haben und auf die Stiftung von Holztafeln mit biblischen Szenen hingewiesen haben.9) Ein an dieser Stelle in einem Plan des Kreuzganges aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts abgebildetes Wappen stimmt jedoch nicht mit dem Querfurtschen überein, denn es zeigt im Schild bordweise fünf Sterne.10) Zwischen 1465 und 1506 erscheint Johannes von Querfurt als Domdekan von Halberstadt, in Merseburg ist er seit 1474 bis zu seinem Tode als Domherr und als Scholaster belegt.11) Um ihn rankt sich eine Anekdote, die sich während der Belagerung der Stadt 1486 durch den Halberstädter Administrator Ernst II. von Sachsen im Streit um die städtische Gerichtsbarkeit zugetragen haben soll: Der schon sehr alte Domdekan, als einziger der hohen Stiftsgeistlichkeit in der Stadt geblieben, führte nicht nur trotz Interdikts den Gottesdienst weiter, er organisierte auch den Widerstand gegen den Stadtherrn. Als er nach der Übergabe der Stadt verhaftet werden sollte, hätten ihn die Domschüler und Domherren so unerschrocken verteidigt, daß der Bischof von seinem Vorhaben abgelassen habe.12) Johann von Querfurt starb zwischen dem 26. Mai und dem 4. Oktober 1506, wahrscheinlich am 11. September, zu dem man in Merseburg seine Memorie hielt.13) Am 5. Oktober 1506 fertigten seine Testamentsvollstrecker ein Inventar seines Nachlasses an.14)

Textkritischer Apparat

  1. Monumenta] Monumentum Oeynhausen, Sammlung.
  2. iohannis] Nobilis fügen hinzu Haber, Lentz.
  3. cathedrae] Ecclesiae Oeynhausen, Sammlung.
  4. dignissimi] obiit 1506 fügt hinzu Oeynhausen, Sammlung.
  5. A 1506] Wohl aufzulösen zu A(nno) 1506; A fehlt Halberstadt, Domarchiv, Zeichnung Schäfer 1842, ohne Signatur.
  6. Jo] Wohl aufzulösen zu Johannes.

Anmerkungen

  1. Vgl. Haber 1739, S. 36; Büsching 1819, S. 254; Niemann 1824, S. 28.
  2. DKK 1846, S. 5. Vgl. auch Nr. 107 Anm. 1 und BKD, S. 302, die unter 4. genannte und fälschlich einem Johann von Himis (= Hoym) zugeschriebene Platte.
  3. Vgl. Braun 1943, S. 670; LCI Bd. 8, Sp. 378 f.
  4. Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission Halle, Archiv, Aufnahmeunterlagen Halberstadt 1506 b, Aufnahmebogen Karin Iffert.
  5. Siebenmal (von Silber und Rot) geteilt, HZ: ein Fächerkleinod; vgl. Siebmacher SaAE, S. 126 und Taf. 83.
  6. Uffenbach 1753, S. 146.
  7. Vgl. dazu Nr. 107; dagegen Findeisen 1996, S. 56 wohl nach Elis 1857, S. 58. Eine Aufstellung der Skulpturen um 1480, wie Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 50 annehmen, oder eher noch etwas später, ist deshalb wahrscheinlich. Siehe zu diesen Figuren BKD, S. 292; Doering 1927, S. 52 und Abb. 43. Zu ihrer Entfernung und Wiederaufstellung Hinz 1964, S. 77 Anm. 22 und Abb.
  8. Vgl. auch Elis 1883, S. 46.
  9. Elis 1857, S. 103 f.
  10. Halberstadt, Domarchiv, Handzeichnung des Domküsters Haber aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts veröffentlicht von Elis 1836, ohne Signatur.
  11. Er hatte dieses Amt inne, nachdem der Dekan mit gleichem Vornamen Johann Quirre 1465 resignierte hatte; vgl. Schwarz 1994, S. 70 f., Schwarz 2002, S. 198; RG IX, Nr. 3616. Ein Johannes von Querfurt ist 1415 als „domicellus Halberstadensis diocesis“ belegt; vgl. RG III, Sp. 235; 1413 ist ein „nobilis de Querfurt“ in Merseburg nachweisbar; vgl. Rademacher 1912, S. 200. Es fragt sich, ob der von Holstein 1872, S. 176 für 1426 angeführte Johann IV. mit dem ebd. mit Fragezeichen versehenen Johann V., dem Halberstädter Dekan, nicht doch identisch ist. Vgl. auch Lentz 1749, S. 303, der angibt, daß dieser in alten Stammbäumen als Johannes IV. bezeichnet werde. Lucanus 1786, S. 116 nennt ihn, ohne Beleg, für 1471. Vgl. auch Holstein 1872, S. 164. Siehe UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Register S. 523; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register S. 583; UB St. Johann, Register S. 599; Nebe 1880, S. 229. Europäische Stammtafeln Bd. XIX, Taf. 92 führen ihn mit Unsicherheit als Nachkomme Brunos VII. von Querfurt. Er scheint jedoch eher ein Bruder oder Halbbruder desselben gewesen zu sein.
  12. Vgl. dazu Winnigstedt in Abel 1732, S. 364 f.; Lentz 1749, S. 293 und 303 f.; Abel 1754, S. 440 ff.; Lucanus 1799, S. 103; Elis 1859, S. 28; Boettcher 1913, S. 322 ff. bes. S. 328 f.; siehe dazu auch Averkorn 1997, S. 46 f.
  13. Vgl. Holstein 1872, S. 164. Bei Domdekan Johannes handelt es sich tatsächlich um das letzte männliche Mitglied der Querfurter; vgl. ebd., S. 175 ff.; Rademacher 1912, S. 200.
  14. LHASA Magdeburg, Rep. U 5, XVII f, Nr. 45. Gedruckt: Schmidt 1891 b, S. 538–543.

Nachweise

  1. Haber 1739, S. 36 (A).
  2. Lentz 1749, S. 304 (A).
  3. Oeynhausen, Sammlung, Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Oy-H V, 42 Nr. 243 (Julius Karl Adolf Friedrich Graf von Oeynhausen (1843–1886), Sammlung von Grabinschriften in deutschen Kirchen).
  4. Halberstadt, Domarchiv, Zeichnungen von Johann Schäfer v. 1842, ohne Signatur (A, B).
  5. SAW Inschriftenkommission, Archiv, Reproduktion der Zeichnung von Teitge (1. V. 20. Jh.), Aufnahmeunterlagen 1506b (A, B).
  6. Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission Halle, Archiv, Aufnahmeunterlagen Halberstadt 1506b, Aufnahmebogen Karin Iffert.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 160 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0016000.