Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 146 Dom, Depot E. 15./A. 16. Jh.

Beschreibung

Pultdecke, Domschatz Inv. Nr. 316;1) längsrechteckig, Samt dunkelrot, Futter Baumwolle, rosafarben, angenäht ein dunkelrotes Baumwollband und ein (modernes) lachsfarbenes Kunstseidenband, Silberblechpailletten und -plaketten, applizierte Metall- und Seidenstickerei auf grobem Leinengrund, Flußperlen, Korallen. Zwei etwa gleich große Hälften, die obere ungemustert in dunklerem Rot aus sieben Stücken unterschiedlichen Zuschnitts zusammengesetzt, die untere mit Granatapfelmuster, der größte Teil des seitlichen und unteren Randes mit Blütenblättern aus Silberblech besetzt, jedes mit einer Öse in der Mitte, an die ein silbernes Eichenblättchen gehörte, heute zumeist fehlend. Über dem unteren Rand appliziert aus angelegter (?) Metallfaden- und Seidenstickerei mit Flußperlbesatz der hl. Stephan mit Palmzweig links und Steinen rechts, zu beiden Seiten und über der Figur je eine Silberblechplatte nielliert, links Anna Selbdritt, rechts Katharina, oben Stephan, rechts neben der Stickerei in Kopfhöhe ein Roßkamm aus vergoldetem Silber, darauf graviert der Buchstabe, darüber zwei angenähte Korallenperlen.

Maße: H. 96,3 cm, B. 47,8 cm, Bu. 0,8 cm.

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis oder Kapitalis?

  1. M

Kommentar

Der Buchstabe, ein kapitales M, weist Serifen an den unteren Enden der beiden schräggestellten Schäfte auf, der Mittelteil ist stark verkürzt.

Die Funktion des Buchstabens ist nicht bekannt. Den Roßkamm, auf dem sich der Buchstabe befindet, bezeichnete zuerst Lucanus als „Geschenk eines Grafen von Schwarzburg“ und als „Wappenzeichen des Fürstlich Schwarzburgischen Hauses“.2) Ihm folgten in dieser Interpretation Nebe, der darüber hinaus den Roßkamm als das „Wappen“ des Magdeburger Erzbischofs Günther II. von Schwarzburg angab,3) und weitere Autoren.1) Das ist jedoch eher unwahrscheinlich, da für Günther von Schwarzburg kein Kanonikat in Halberstadt sondern im Jahr 1397 lediglich eine Expektanz nachweisbar ist.4) Die chronologische Einordnung wurde nach dem stilistischen Eindruck bzw. nach der dargestellten liturgischen Gewandung vorgenommen.5)

Anmerkungen

  1. Erwähnt schon bei der „Inventur der Reliquien auf dem Cither 1717“. Dort liest man „1, roth Sammitten worauf St. Stephan gestickt / von Golde und Perlen an beyden Seiten mit St. Annen / und St. Catharinen und oben St. Stephan auf silbernen Platen und ein klein verguldt Kante der Seiten“; LHASA Magdeburg, Rep. A 14 Nr. 1852 unter Nro. 28. Vgl. weiter Lucanus 1837, S. 9; Lucanus 1866, S. 60 unter Nr. 52; Nebe 1889/1890, S. 87; Zschiesche 1895, S. 155; Hermes 1896, S. 104, 106; BKD, S. 288; Doering 1927, S. 74; dort jedoch immer als Kelchvelum bezeichnet.
  2. Lucanus 1837, S. 9; Lucanus 1866, S. 60 unter Nr. 52. Zum Schwarzburgischen Wappen und dem Turnierkragen (Rechen, Roßkamm) der Helmzier, der aber erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts in den Wappenschild übernommen wurde, siehe Siebmacher Souv4, S. 81–88 mit Taf. 72–79.
  3. Vgl. zu diesem RG Bd. 1, S. 41; RG Bd. 2, Sp. 382, 416, 435, 487, 607, 1016; GS Magdeburg Bd. 1, S. 521; Gatz 2001, S. 393 f. (Michael Scholz).
  4. Meier 1967, S. 208–359; RG Bd. 1, S. 41; RG Bd. 2, Sp. 382, 416, 435, 487, 607, 1016.
  5. Eine Dalmatik aus gemustertem Gewebe allerdings ohne Clavi nur von Säumen eingefaßt mit schon enger werdenden Ärmelöffnungen. Vgl. die Dalmatiken in Nr. 152, 153.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 146 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0014600.