Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 142 Dom, Depot E. 15./A. 16. Jh.

Beschreibung

Altarflügel, Domschatz Inv. Nr. 459; die zugehörige Predella, Inv. Nr. 433 i. Holz, der Flügel in einem einfachen, innen abgefasten Rahmen, zahlreiche Fehlstellen eingetönt, Schriftverlust. In der Mitte durch eine aufgemalte Leiste geteilt, im oberen Bildfeld Papst Gregor d. Gr. in päpstlichem Ornat mit Tiara auf einer Bank, deren Lehnen von goldenen Früchten bekrönt sind, vor einem mit einer Decke belegten Pult sitzend, auf der Wand über seinem Kopf aufgemalt der Titulus (A), gelb auf Dunkelrot. Im unteren Bildfeld vor einem Pult mit aufgeschlagenen Büchern der hl. Ambrosius in einem Sessel schreibend, vor sich einen Bienenkorb, auf die Wand über seinem Kopf aufgemalt der Titulus (B); in den Initialrubriken der aufgeschlagenen Bücher auf dem Pult die Buchstaben (C), als Initiale auf der linken Seite einer an der Wand über dem Pult befestigten Urkunde der Buchstabe (D), rot auf Weiß. Auf der Rück- (bzw. Vorder?) seite die zwölf Apostel in zwei Abteilungen übereinander angebracht. Die Predella, stark beschädigt, querrechteckig mit ausladenden Seitenteilen, die seitlichen Ränder rot und gelb gerahmt. In der Mitte Anna Selbdritt, ihr zu Seiten sechs Heilige, von links Laurentius in Diakontracht, den Rost mit der Rechten, in der Linken eine Schriftrolle haltend, Sixtus in päpstlichem Ornat und Tiara, mit dreifachem Kreuzstab und Buch, Stephanus in Diakontracht mit Buch und Steinen; rechts von der Zentralfigur Johannes der Täufer im Fellgewand, der im Zeigegestus mit beiden Händen auf das Jesuskind im Arm der Anna deutet, zu seinen Füßen ein Lamm, Nikolaus von Myra (Bari) im Bischofsornat mit Pedum, ebenfalls auf das Christuskind weisend, Bernward in Bischofsornat mit Pedum, in der Rechten das Bernwardkreuz. Jeweils links oder zu beiden Seiten des Nimbus aufgemalt die Tituli (E).

Maße: H. 151,2 cm, B. 63,3 cm, T. 3,3 cm, Bu. 3,9 cm (A, B), 0,7–1 cm (C), 0,6 cm (D); Predella: H. 44,1 cm, B. 184,9 cm, T. 24 cm, Bu. 2,2–2,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der frühhumanistischen Kapitalis (A, B, E), gotische Majuskel (C, D).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/6]

  1. A

    · S(anctvs) [Gr]eg[oriv]sa) ···

  2. B

    · S(anctvs) · am[brosi]vsb) ·

  3. C

    L / D // C // Ec)

  4. D

    A

  5. E

    S(anctvs) · lavre(n)ci(v)s // S(anctvs) sixtvs // S(anctvs) step//han(vs) · S(anct)ad) · // Anna · s(anctvs) io(hanne)s // baptista · S(anctvs) // nycolavs S(anctvs) // · b[– – –]e)

Übersetzung:

A: Der heilige Gregor. B: Der heilige Ambrosius. E: Der heilige Laurentius. Der heilige Sixtus. Der heilige Stephan. Die heilige Anna. Der heilige Johannes der Täufer. Der heilige Nicolaus. Der heilige B[– – –]e)

Kommentar

Die Versalien, besonders das S zeigen Bogenverdoppelungen sowie als Abschlußstriche fungierende Zierstriche, deren Enden z. T. vielfach verschlungen sind. Die Schaftenden sind zu Quadrangeln reduziert. Der linke Teil des oberen gebrochenen Bogens des a beginnt mit einem geschwungenen Haarstrich. Der dünne zum Schaft zurückgeführte Balken des e wird noch ein wenig nach unten gezogen und nach rechts umgebogen. Das obere Schaftende des h ist gespalten. Die Cauda des r ist leicht geschwungen. Die us-Kürzungszeichen sind stark gebrochen. Als Worttrenner dienen gegenläufig ausgezogene und verschlungene Zierstriche.

Schon aus den übereinstimmenden Buchstaben und besonders den Schmuckformen läßt sich die Zusammengehörigkeit von Flügel und Predella erweisen. Gestützt wird dieser Befund durch übereinstimmende Darstellung etwa des Fußbodens, der Zierbesätze und Muster der Ornate. Die Darstellung der beiden Kirchenväter könnte die Außenseite des linken oder die innere Seite des rechten Flügels geschmückt haben. Wenn es sich bei der Darstellung um diejenige des linken Flügels gehandelt haben sollte, könnten auf dem gegenüberliegenden Flügel die beiden fehlenden Kirchenväter zu sehen gewesen sein. 1461 wurde von dem Halberstädter Bürger Dietrich Güntersberg eine Vikarie zu Ehren der 10000 Ritter und der vier großen Kirchenlehrer gestiftet.1) Dieser Altar befand sich 1505 am Pfeiler zwischen den Altären St. Laurentius und St. Godehard.2) Der genaue Standort ist nicht mehr zu ermitteln. 1510 wird ein Vikar St. Laurentii „vp der Capellen boven deme chore“ erwähnt.3) Die Rückseite des verlorenen Flügels könnte dann auf die 10000 Ritter oder auf das 1505 gestiftete Compatronat des heiligen Andreas Bezug genommen haben, das mit Kelch, Pacificale, Kaseln, Alben und Missale zusätzlich an diesen Altar gestiftet worden war.4)

Textkritischer Apparat

  1. Gregorivs] Die Buchstaben – sofern vorhanden – beschädigt.
  2. ambrosivs] Die Buchstaben bis auf den ersten – sofern vorhanden – beschädigt.
  3. LDCE] Der Schaft des kapitalen D fehlt. Kapitales E seitenverkehrt.
  4. Sancta] Das a in verkleinertem Schriftgrad hochgestellt.
  5. b] Zu ergänzen wohl zu bernwardvs.

Anmerkungen

  1. LHASA Magdeburg, Rep. U 5, XVIIe, Nr. 27 von 1461 XII 21; ebd., XVIIb, Nr. 28 von 1461 XII; ebd., IX, Nr. 190 von 1462 IV 30.
  2. Ebd., XVII 4, Nr. 85 a von 1505 IV 25.
  3. Ebd., XIII Nr. 259 von 1510 IV 8.
  4. Derselbe von Doering BKD, S. 271 Nr. 38 angegebene Standort für den Altar St. Nikolai beruht wohl auf einem Versehen seinerseits und muß wohl ebd. zur folgenden Nr. 39, also zum Altar der 10000 Ritter und vier großen Kirchenlehrer gehören.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 142 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0014202.