Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 124 Dom, Depot 2. H. 15. Jh.

Beschreibung

Altardecke, Domschatz Inv. Nr. 95 und 277;1) fragmentarisch, Seidenstickerei auf Leinengrund und angelegte Seiden- und Metallfadenstickerei auf Seidentaft, die oberen Bildfelder beschnitten bzw. auseinandergeschnitten, Seide abgerieben, Seidenfäden fehlen, Fransenkante des Fürlegers aus Seiden- und Leinenfäden ausgedünnt, Löcher, Wachsflecken.2) Aus verschiedenen Stücken unterschiedlicher Herkunft zusammengesetzt, die einzelnen Teile an Verbindungsstücke aus ehemals rotem, heute gelbem Seidentaft angenäht, zu unterscheiden sind fünf nach Bildmotiven und bzw. oder Ausführung jeweils zusammengehörende Stücke: I (Inv. Nr. 277) der links angenähte seitliche Überhang, Seidenstickerei auf grobem Leinen – die Vorzeichnungen z. T. sichtbar – mit heraldisch-ornamentalen Motiven (Hirsch, Adler, Löwe),3) ein oben anschließendes, einzelnes Fragment; II (Inv. Nr. 95) zehn Bildfelder mit Szenen der Katharinenlegende, die den auf der Mensa liegenden Teil der Decke und den rechten seitlichen Überhang ausmachen, sowie zwei auseinandergeschnittene am oberen Rand des Textils;4) III–IV die am oberen Rand – einschließlich des Überhangs – in Bruchstücken erhaltenen von oben nach unten zu lesenden Bildfelder, die zur Katharinenlegende gehören;5) V der Fürleger, eine aus zwei Stücken unterschiedlicher Breite bestehende Randborte (Va und b),6) die in ihrer Breite der Altarbreite entsprochen haben muß, ein aus Seidentaft auf Leinengrund bestehendes kürzeres (Va) und ein mit Rankenmotiven verziertes längeres Stück in angelegter Metallfadenstickerei (Vb), darauf sich zehnmal wiederholend – innerhalb eines verschlungenen Drachenmotivs und jeweils zwischen einem dieser Drachenpaare unter einer Lilienblüte gekrönte Buchstaben gestickt – teils nur noch in Umrißstickerei.

Maße: H. 98 cm (mit Fransenkante 103 cm), B. 244 cm, Bu. 3,1–4,3 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. na) // a

Kommentar

Die beiden Buchstaben der gotischen Minuskel sind sehr einfach gestaltet. Der gebrochene untere Bogen des doppelstöckigen a ist zu einem Schaft verkümmert, dessen untere Brechung kaum noch wahrnehmbar ist. Der linke Teil des oberen Bogens ist nicht gebrochen, sondern nach rechts eingerollt. Die beiden Schäfte des n (oder u) wurden an den Schaftenden gegenläufig umgebrochen.

Nach Schuette stehen die Stickereien der Altardecke in „Komposition und Zeichnung … [im] … Zusammenhang mit den volkstümlichen Lüner Stickereien, im Besonderen mit den Katharinen-Bankdecken von 1500“.7) Die nicht in der Legenda aurea vorkommenden Szenen schildern die sogenannte conversio Katharinas.8) Die Bedeutung der beiden Buchstaben, vielleicht handelt es sich um Initialen, erschließt sich nicht. Da die beiden Buchstaben eine zu geringe Basis für eine Datierung bilden, folgt diese hier der stilistischen Einschätzung bei Schütte.9) Die nicht zugehörigen Fragmente des linken Seitenbehangs, die etwas älter sein sollen, wurden von Kroos um die Mitte des 15. Jahrhunderts eingeordnet.10)

Textkritischer Apparat

  1. n] Der Variante n wurde wegen der Formung des Buchstabens Vorzug vor dem theoretisch auch möglichen u gegeben; u Schuette 1930.

Anmerkungen

  1. Schuette 1927, S. 36 und Kroos 1970, S. 125 f. Nr. 37 verwechseln die Inventarnummern der beiden Stücke. Die Inv. Nr. 95 bezeichnet die Katharinendecke, Inv. Nr. 277 gehört zu den Fragmenten des linken Seitenbehangs, wie aus den Nennungen bei Hermes 1896, S. 104 und 106, BKD, S. 287 f. Nr. 95 und 277, Doering 1927, S. 73 f. Nr. 95 und 277, Happach 1983, S. 385 hervorgeht.
  2. Vgl. zum Erhaltungszustand und zur Technik Schuette 1930, S. 83 (Inv. Nr. 95) und Kroos 1970, S. 125 f. Nr. 37 (Inv. Nr. 277) sowie Happach 1983, S. 385.
  3. Eine Durchsicht der Wappen des Halberstädter Adels brachte kein Ergebnis, lediglich das Geschlecht von Hadmersleben führt unabhängig voneinander einen Hirsch und auch einen Löwen im Wappen.
  4. Dem Gang der Erzählung (1–12) folgend auf der unteren Reihe von links nach rechts: 2) Katharina vor der Kirche des Einsiedlers betend, 3) Erscheinung Mariens mit dem Christuskind, 4) Bekehrung Katharinas im Gebet, 5) Taufe durch den Eremiten, obere Reihe von links nach rechts: 7) wird vor Kaiser Maxentius gebracht, 8) wird ins Gefängnis geführt und eingekerkert, 9) im Gespräch mit Kaiser Maxentius, 10) Disputation mit den Philosophen, Überhang rechts, gestürzt von links nach rechts: 11) Geißelung Katharinas, 6) Verlöbnis mit dem Jesuskind.
  5. Feld 12 b) vermutlich Bruchstück der Tötung der Umstehenden durch das als Marterwerkzeug aufgestellte gezackte Rad (oder Verbrennung der Philosophen?), 12 a) wohl der ursprünglich linke Teil dieser Szene, IV 1 b) der Mönch vor einer Kirche an einem Fluß, 1 a) die Jagd Katharinas als linker Teil dieser Szene.
  6. Nach Schuette 1930, S. 83 nicht zugehörig.
  7. Schuette 1930 S. 83; zu dem Lüner Banklaken vgl. auch Schuette 1927, S. 36–40; DI 24 (Stadt Lüneburg), Nr. 55.
  8. Vgl. Nr. 73 mit Anm. 4 sowie Verfasserlexikon Bd. 4, Sp. 1055–1073; Borchling 1902, S. 24; Collinson 1915, S. 72–80 und 81 ff.; Hilka 1920; Bobbe 1922, S. 1 f.
  9. Schuette 1930, S. 83.
  10. Kroos 1970, S. 125 f. Nr. 37.

Nachweise

  1. Schuette 1930, S. 83.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 124 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0012404.