Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 50† Dom, ehemals Vierung oder Mittelschiff 1390

Beschreibung

Sterbevermerk des Bischofs Albrecht von Rikmersdorf (1366–1390).

Text nach Oeynhausen, Sammlung.

  1. A(nno)a) D(omini) 1390 in die Kiliani1) obiit Reverendus in Christo pater et D(omi)n(u)s Albertus de [– – –]b) Episcopus Halberstadensis C(uius) A(nima) R(equiescat) I(n) P(ace) Amen

Übersetzung:

Im Jahre des Herrn 1390 am Tag des [heiligen] Kilian1) starb der ehrwürdige Vater in Christus, Herr Albrecht von (…), Bischof von Halberstadt. Seine Seele ruhe in Frieden. Amen.

Wappen:
Hochstift Halberstadt,2) Rikmersdorf3).

Kommentar

Albrecht von Rikmersdorf, wohl aus einem Rittergeschlecht stammend und vielleicht um 1316 geboren,4) hatte möglicherweise an der neugegründeten Prager Universität und in Erfurt, gewiß aber an der Pariser Universität studiert, wo er 1351 den Grad eines Magister artium erlangte und deren Rektor er zwei Jahre später wurde.5) Er gilt als einer der wichtigen Scholastiker des Spätmittelalters und verfaßte, beeinflußt durch William Ockham, Johannes Buridan und Nikolaus von Oresme Kommentare zu den physikalischen und logischen Schriften des Aristoteles und wirkte selbst auf Leonardo da Vinci, Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei. Vermutlich seit Ende 1362 stand er in Diensten Papst Urbans V., der ihm schon einen Tag nach seiner Inthronisation eine Pfründe in Mainz verschaffte.6) Als dessen Gesandter führte er Verhandlungen mit Herzog Rudolf IV. von Österreich und trat in dessen Dienst. Er bereitete die Einrichtung der Wiener Universität vor, deren Gründungskanzler er wurde. 1366 von Urban V. mit dem Halberstädter Bistum providiert, wurde er im folgenden Jahr dort eingeführt.7) Er zeichnete sich vor allem durch seine Bündnis- und Landfriedenspolitik, die Förderung des Dombaus und die Hebung der geistlichen Disziplin aus.8) Albrecht wurde, wie Nekrologtexte überliefern, unter dem von ihm 1387 gestifteten Altar der Heiligen Jakob d. Ä., Martin und Livinus in medio ecclesie, also in der Vierung oder im Mittelschiff des romanischen Domes begraben.9) Träger der Inschrift war, nach ihrem Formular und den wiedergegeben Wappen zu schließen, ein Grabmal, das aber in keiner anderen Quelle erwähnt wird. Den Aufzeichnungen von Graf Oeynhausen zufolge, deren Quelle nicht bekannt ist – er selbst kann das Grabmal zu seinen Lebzeiten nicht mehr gesehen haben10) –, war der Familienname des Bischofs „leer“. Daraus geht leider nicht hervor, ob er erloschen oder nie ausgeführt war. Jedoch sind es diese Bemerkung und die wiedergegebenen Wappen, die anders als überlieferte, im Textbestand ähnliche Nekrologtexte eine Ausführung der Inschrift erst wahrscheinlich machen.

Textkritischer Apparat

  1. Anno] Sämtliche Auflösungen geben jeweils Kürzungen durch einen Punkt wieder. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, daß nur diese Kürzungsformen auf dem Grabmal vorhanden waren.
  2. Die Aufzeichnung nennt diese Stelle leer. Eine Anmerkung gibt als Familiennamen „von Berge (de Monte)“ an. Vgl. dazu Anm. 4.

Anmerkungen

  1. 8. Juli 1390.
  2. Gespalten, Tinkturen fehlen; vgl. Siebmacher Bi, S. 144.
  3. In einem Ring eine Jakobsmuschel; vgl. die leicht abweichende Form bei Siebmacher Sa, S. 133 und Taf. 87; Kneschke Bd. 7, S. 494; Meding 1791, S. 677 Nr. 676; vgl. auch die Siegel Bischof Albrechts UBHH Bd. 4, Taf. XIX Nr. 153 und Nr. 155.
  4. So Sange 1932, S. 22 ff. gegen die auf Winnigstedts Chronik zurückgehenden Meinungen. Er wurde für seine Überzeugung, daß Albrecht von Rikmersdorf adligen Ursprungs war, in einer Rezension von Diestelkamp 1933, S. 326 mit Hinweis auf die Provisionspolitik der Päpste zu Unrecht kritisiert. Das von Albrecht geführte Wappenbild der Muschel stimmt mit demjenigen ritterlicher Siegler gleichen Namens überein; vgl. UBHH Bd. 4, Taf. XX Nr. 153 und 155; LHASA Magdeburg, Rep U 5 IX Nr. 151; ebd., XVII f Nr. 74; vgl. dazu und zum Namen de Monte auch Schmidt 1878 a, S. 417 f. Das Geburtsdatum ist unsicher; vgl. Sange 1932, S. 29. Ein gleichnamiger Verwandter, Domvikar und Stiftsherr zu Liebfrauen, wird 1404 als Zeuge erwähnt und siegelt 1410 mit seinem persönlichen Siegel; vgl. UBHH Bd. 4, Nr. 3274 S. 527, UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 710 S. 20–22. Über die Vikarie des Altars St. Jakob und Barbara in der Liebfrauenkirche lag er im Streit mit einem Hildesheimer Kleriker; außerdem verfügte er über die Nikolaikapelle auf der Burg Aschersleben; vgl. RG II, Sp. 60 und 1104.
  5. Vgl. zu seiner Biographie ADB Bd. 1, S. 182 f. (v[on] L[edebur]); Heidingsfelder 1927, S. 1–47; Sange 1932, S. 29 ff.; NDB Bd. 1, S. 135 (Martin Grabmann); LexMA Bd. I, Sp. 289 f. (E[rwin] Neuenschwander); zuletz Gatz 2001, S. 226 f. (Walter Zöllner).
  6. UBHH Bd. IV, S. 20 Nr. 2636.
  7. UBHH Bd. IV, S. 85 f. Nr. 2714.
  8. Vgl. Boettcher 1913, S. 198 ff.; Sange 1932, S. 38 ff.; Averkorn 1997, S. 30 ff., Gatz 2001, S. 227 (Walter Zöllner).
  9. UBHH Bd. 4, Nr. 3005 S. 300 ff.; zu den teils umfangreichen Nachrichten über seinen Tod in zwei Halberstädter Handschriften siehe ebd., Nr. 3039 S. 333; Heidingsfelder 1927, S. 46 f.; Sange 1932, S. 76 f. Zum Begriff „in medio ecclesie“ siehe Oswald 1969 und Neuheuser 1994, S. 146–152. Vgl. auch Leopold/Schubert 1984, S. 81 f. Nr. 183–185 und ebd., S. 94–96 (Friederike Happach) und 101 f. (Friedrich Bellmann). Eines der beiden dort genannten Gräber 183 und 184 im Mittelschiff kommt wegen ihrer Lage und Zeitstellung auch als Begräbnisplatz für Albrecht von Rikmersdorf in Frage.
  10. Vgl. DKK 1845, S. 9; ebd. 1846, S. 5.

Nachweise

  1. Oeynhausen, Sammlung, Hannover, Niedersächsische Landesbibliothek, Oy-H V, 42 Nr. 127 (Julius Karl Adolf Friedrich Graf von Oeynhausen (1843–1886), Sammlung von Grabschriften in deutschen Kirchen).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 50† (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0005009.