Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 16 Dom, Bischofskapelle, unterer Raum 3. D. 12. Jh.

Beschreibung

Leuchterpaar, Domschatz Inv. Nr. 41 (I) und 42 (II);1) Kupfer vergoldet und graviert, opaker Grubenschmelz, blau und grün, Bergkristall gemugelt, Kerzendorn Eisen, im Inneren der Bergkristalle mit Pergament umwickelt,2) ehemals auf Stützen.3) Jeweils über einem kreisrunden, nach oben halbrund gewölbten Fuß mit goldenem Sockelband, von dem grünen Grund durch goldene Rundbogenarkaden geschieden, je vier blaue, golden bestirnte Halbkreise, darin jeweils ein Engel mit inschriftenlosem Schriftband. Der zylindrische, von Efeuranken umgebene Schaft ist durch zwei in Kreuzschraffur gravierte Manschetten mit Fuß und Tropfschale verbunden, dazwischengeschoben zwei Nodi, der obere aus Bergkristall, der untere zeigt in grünem Email vier goldgerahmte blaue Kreise mit achtblättrigen goldenen Blüten und goldenen Dreiecken. Eine in drei bzw. heute nur noch zwei nach außen gebogenen, plastischen, ausgesägten und gravierten (?) Blättern endende Manschette verbindet den unteren Nodus mit dem Schaft. Die Kanneluren an ihrer Unterseite geben der Tropfschale Blütenform, an deren oberem Rand umlaufend graviert die Heiligennamen (A = I, B = II). Es gibt etliche kleine Fehlstellen im Email, die Blattendung einer Manschette von Nr. 41 fehlt, im Fuß je acht Bohrungen, die einzelnen Teile etwas instabil zueinander.

Maße: A. (Nr. 41): H. 15,6 cm (mit Dorn 20,4 cm), D. 9,1 cm, Bu. 0,6 cm, B. (Nr. 42): H. 15,4 cm (mit Dorn 20,2 cm), D. 8,9 cm, Bu. 0,6 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Karl Geipl) [1/2]

  1. I.

    PETRV · Sa) PAULVS · ANDRASb) · IOHANNES

  2. II.

    · PHILIPUS · BARTHOLOMEVS MATHE(VS)c) IACOB(VS) ·

Kommentar

Es handelt sich um eine romanische Majuskel größtenteils in Scriptura continua mit Nexus litterarum und ausgeprägt keilförmiger Sporenbildung. Die Schriftform läßt Elemente früher gotischer Buchstabenformen ahnen. Das A ist flachgedeckt. Der Schaft des B wird leicht nach rechts durchgebogen. Auch die Bögen sind leicht geschwungen. C zeigt eine tiefe Wölbung. Unziales E ist noch nicht abgeschlossen. Unziales H zeigt einen breiten Bogen, der rechts unten in einen kräftigen Sporn umgeknickt ist. Das kapitale M kommt nur mit verkürztem Mittelteil und etwas verstärktem rechten Schräg- und Seitenschaft vor. Das O ist leicht spitzoval geformt. Rundes T zeigt einen geschwungenen Deckbalken. In Ligatur kommt der rechte Schaft des V auch geschwungen vor. Unziales U besteht aus geschwungenem linkem und geradem rechten Schaft, im Nexus litterarum aber auch aus zwei gegenläufig geschwungenen Schäften. Als Nexus litterarum findet man US, VS, HE. Als Worttrenner benutzte man Punkte.

Die niedersächsische Arbeit aus der Zeit vor 1200 ist weiteren aus diesem geographischen Raum herrührenden Goldschmiedewerken hinsichtlich ihrer Machart sowohl durch die Schmelzarbeiten als auch durch die verbundene Schrift verwandt. Der Goldschmied wollte offensichtlich möglichst wenige Kürzungen anbringen, vielmehr die Buchstaben miteinander verbinden. Vergleichbar sind einige Werke aus Hildesheim und Braunschweig. Dazu gehören zwei Reliquiare mit Bergkristallen aus Hildesheim,4) die ebenfalls Apostelnamen tragen, das Reliquiar für den heiligen Kaiser Heinrich II.5) und auch der Tragaltar des Abtes Thidericus aus St. Godehard6). Bezüglich der Schrift lassen sich auch Beispiele aus Fritzlar und Braunschweig anführen.7) Die leicht abweichende Schrift des romanischen Leuchterpaares im Trierer Domschatz weist keine Buchstabenverbindungen oder -verschränkungen auf.8) Unbeantwortet bleiben muß die Frage nach der Anzahl der ehemals vorhandenen Leuchter, die Johanna Flemming angesichts der beiden erhaltenen Leuchter mit insgesamt acht Apostelnamen stellte.9)

Textkritischer Apparat

  1. PETRVS] Unkorrekte Worttrennung.
  2. ANDRAS] Sic! Für Andreas, so Hermes.
  3. MATHEVS] Nexus litterarum von H und E, Kürzungszeichen fehlt; Matthaeus Hermes.

Anmerkungen

  1. Siehe dazu: LHASA Magdeburg, Rep. A 14 Domkapitel zu Halberstadt Älteres Archiv Nr. 1852 Bd. 1, Nro. 28: „2, Leuchter vorgüldt und amellirt“; Haber 1739, S. 47: „(11.) Zweene vergüldete und geätzte Leuchter.“; Elis 1857, S. 74; Lucanus 1866, S. 46 (unter den alten Inv. Nr. 49, 50); Nebe 1889/1890, S. 88; Hermes 1896, S. 95 mit Abb. S. 90; BKD, S. 274; Doering 1927, S. 67 mit Abb. 63; Braun 1932, S. 509, 512, 522 f., 525 mit Taf. 102 Abb. 388; Meyer 1936, S. 25; Hinz 1964, S. 209; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 243 mit Abb. 150; Der heilige Schatz 2008, Nr. 34 S. 130 f. mit Abb. (Michael Brandt).
  2. Siehe dazu auch Nr. 34, 35.
  3. Das zeigen jeweils die Bohrungen am Fuß, mittels derer die Stützen befestigt waren; vgl. Flemming/Lehmann/ Schubert 1990, S. 243.
  4. Katalog Hildesheim 2001, Nr. 4. 19 und 4. 20 S. 188 f. mit Abb. S. 164; Katalog Hildesheim 1993, Nr. 37 S. 134–136 mit Abb. S. 135 (M[ichael] B[randt]); Brandt 1987, S. 89 mit Abb. 123, 124; Hahnloser/Brugger-Koch 1985, Nr. 184 und 185 S. 139 mit Taf. 162 f. Abb. 185 und 184; Elbern/Reuther 1969, Nr. 20 S. 32; Braun 1940, S. 187 mit Taf. 40 Bild 121. Vgl. auch DI 58 (Stadt Hildesheim) Teil 1, Nr. 8. 3 S. 70.
  5. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 53 mit Abb. 34; Katalog Hildesheim 2001, Nr. 4. 21 S. 189 mit Abb. S. 165; Brandt 1988, S. 21–23; Brandt 1987, S. 57–64, 85 f. mit Abb. 68, 70; RDK Bd. V, Sp. 34 f.; Braun 1940, S. 295 f. mit Taf. 86 Abb. 284.
  6. DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 59 mit Abb. 42; Katalog Hildesheim 2001, S. 145 mit Abb. 57 (nur Schauseite).
  7. DI 14 (Stadt Fritzlar), Nr. 5; DI 35 (Stadt Braunschweig), Nr. 13 mit Abb. 12; Brandt 1987, S. 88 f. mit Abb. 119.
  8. Bayer 1991, S. 131.
  9. Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 243.

Nachweise

  1. Hermes 1896, S. 95 mit Abb. S. 90.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 16 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0001607.