Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 273 Dom, Kreuzgang 1647

Beschreibung

Epitaph für den Domvikar Johannes Schultze; an der Südwand des Kreuzgangs, im neunten Joch von Osten, seinem ursprünglichen Standort,1) in 202 cm Höhe; heller Sandstein, etliche Narben (Einschlüsse), sonst gut erhalten. Relief, dreigeschossig, von geschweiftem Umriß; im Giebel in ovaler Kartusche ein Vollwappen. Am Gesims darunter eingehauen das Bibelwort (A). Im von Hermenpilastern gerahmten Hauptfeld in einem Rundbogen zeilenweise die eingehauene Grabbezeugung (B), die sich in der eingetieften, nahezu querovalen Kartusche auf dem unterhalb eines Sockelgesimses befindlichen, mit Voluten und Beschlagwerk verzierten Unterhang fortsetzt; durch eine ornamentale Verzierung abgesetzt folgt zeilenweise eingehauen die Spruchinschrift (C). Das Epitaph wird von volutengeschmückten Wangen mit je einem geflügelten Cherubskopf an der Schauseite flankiert.

Maße: H. 150 cm, B. 98 cm, T. 18 cm, Bu. 2 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    NIL PRAETER CRVCIFIXUM 1 · COR · 2a)2)

  2. B

    HIC EST SEPULTUS / D(OMI)N(US) IOHANNES SCHULTZE / A(NN)O · 1570 · IN VIG(I)L(I)A MISERIC(ORDIAE)b) D(OMI)NI3) · / [BR]UNSUIGAE NAT(US) A(NN)O 1590 · / HALBERSTADII, A D(OMI)NOc) DECANO / A KANNENBERG · P(IAE) · M(EMORIAE)d) [·] IN OFFICIVM / [AMA]NVENSIS SVSCEPTVS · A(NN)O · / 1604 · AD VICAR(IUM)e) PROMOT(US) SER=/VITIO NIH[I]LOMIN(US) APUD EUNDE(M) / VSQ(UE) AD MORTEM,4) ET SIC, PER IN=/TEGROS · 15 · ANN(OS) CONTINVATO(S)f) / POSTEA A(NN)O · 1624 · R(EVEREN)D(ISSI)MIg) CAP(ITU)LI / SECRETARIVS CONSTITU[T]USh) · // TANDEM, VARIAS POST MUT[A]TI=/ONES, H(UIUS) ECCL(ESI)AE · PIE OBIIT ANNO / 1647 · AETAT(IS)i) SUAE · 77 ANN(OS)j) MIN(US)k) · III / 7 ME[...]Nl)5) ·

  3. C

    HUNC VITAE CVRSUM TANDEM MORS / EXCIPIT, ATQUEm) /VULNERA PER CHRISTI VITA / BEATA MEUM ·

Übersetzung:

A: Nichts außer dem Gekreuzigten. 1. Korinther 2. B: Hier ist begraben Herr Johannes Schultze, im Jahre 1570 am Tag vor dem Sonntag Misericordia Domini3) in Braunschweig geboren, im Jahr 1590 zu Halberstadt vom Herrn Dekan von Kannenberg frommen Angedenkens in das Amt eines Sekretärs aufgenommen, im Jahr 1604 zum Vicar befördert, nichtsdestoweniger im Dienst bei demselben bis zu (dessen) Tod4), und so ganze 15 ununterbrochene Jahre hindurch. Hernach, im Jahre 1624, als Sekretarius des hochwürdigen Kapitels eingesetzt, endlich, nach verschiedenen Veränderungen dieser Kirche, starb er gottesfürchtig im Jahre 1647, seines Alters 77 Jahre weniger 3 (Wochen?).5) C: Den Lauf dieses Lebens empfängt endlich der Tod und durch die Wunden Christi (empfängt) das selige (ewige) Leben meinen (Lebenslauf).

Versmaß: Elegisches Distichon (C).

Wappen:
Schultze6).

Kommentar

Die Schrift ist wohl auch angesichts der Raumverhältnisse schmal proportioniert. Die Schaftverbindungen, die spitz zusammenstoßen, z. B. A oder M, enden abgestumpft. Als Suspensionskürzung dienen zwei vertikal angeordnete Dreispitze. Der Kürzungsstrich ist im Verhältnis zu den Buchstaben überlang. Als Worttrenner und i-Punkte nutzte man Dreispitze und Dreiecke.

Über Johannes Schultze, der als Vikar die Commende der hl. Anna besorgte, weiß man außer aus seiner Grabschrift nur wenig. Zu seinen Aufgaben als Sekretär gehörte die Überprüfung von Überschüssen aus den einzelnen Ämtern, wie der Domdekan Matthias von Oppen im Dezember 1605 notierte, und er war einer der Testamentsvollstrecker des Kannenberg’schen Testaments.7)

Textkritischer Apparat

  1. 2] Ein Hervorhebungsstrich über der Ziffer.
  2. MISERICORDIAE] Mittels zweier vertikal übereinander angebrachter Dreispitze gekürzt.
  3. DOMINO] Die vorhandenen Buchstaben beschädigt.
  4. PIAE MEMORIAE] Kürzungszeichen fehlen.
  5. VICARIUM] Mittels zweier vertikal übereinander angebrachter Dreispitze gekürzt.
  6. ANNOS CONTINVATOS] Beide Wörter durch zwei vertikal übereinander angebrachte Dreispitze gekürzt.
  7. REVERENDISSIMI] Durch einen Kreis auf der Grundlinie gekürzt.
  8. CONSTITUTUS] Die letzten Buchstaben stark beschädigt.
  9. AETATIS] Mittels zweier vertikal übereinander angebrachter Dreispitze gekürzt.
  10. ANNOS] Die ligierten Buchstaben stark beschädigt, Kürzungszeichen fehlt.
  11. MINUS] Kürzungszeichen fehlt.
  12. 7 ME[…]N] Zwischen den Zeilen in verkleinerten Buchstaben.
  13. ATQUE] Der letzte Buchstabe stark beschädigt.

Anmerkungen

  1. Vgl. Halberstadt, Domarchiv, Grundriß des Kreuzgangs nach Haber von Carl Elis … 1836, ohne Signatur.
  2. I Cor 2,2; Paraphrase.
  3. 8. April 1570.
  4. Am 31. Januar 1605; vgl. Nr. 248, 249.
  5. Vielleicht für (Septi)manas? Der Todestag wäre dann der 18. März (A. S.) bzw. der 28. März (N. S.) gewesen.
  6. Ein Mannsrumpf, der Hals schräglinks durchbohrt von einem Pfeil, HZ: senkrecht gestellter Pfeil zwischen zwei Büffelhörnern.
  7. Mülverstedt 1894, S. 195 f., 225, 227 und passim; Opel 1869, S. 396.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 273 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0027302.