Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 267 Dom, Alter Kapitelsaal 1644

Beschreibung

Grabplatte des Obristen Carol Weis; an der Südwand des Alten Kapitelsaals, ganz rechts aufgestellt, ehemals im Mittelschiff vor dem vierten südlichen Langhauspfeiler;1) heller Sandstein, unterer rechter Rand beigeputzt, Schriftverlust durch Beschädigung des Randes. Im Feld unter einem Kleeblattbogen ein Offizier mit langem Haar und spanischer Barttracht, in voller Rüstung mit Harnisch, Achselflügeln, Ellenbogenkacheln, Schößen und Beinzeug, ornamentierter Schärpe, einfachem Kragen, mit Degen und Kommandostab, links über seinem rechten Fuß ein Helm mit offenem Visier. In den beiden Bogenzwickeln der Platte links ein geflügelter Engelskopf, rechts ein Vollwappen. Auf dem breiten Rahmen umlaufend und im Feld entlang dem linken Rand fortgesetzt der eingehauene Sterbevermerk.2)

Maße: H. 203 cm, B. 107 cm, T. 14,5 cm, Bu. 4,1 cm (Rand), 3,2 cm (im Feld).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A(NN)O · 1644 · DEN 5 SEPT(EMBRIS)a)3) IST DER WOLEDLE / GESTRENGE VND MANHAFTEb) H(ERR)c) CAROL WEISd) DER KON(IGLICHEN)e) MAY(ES)t(e)tf) · VND DER H[...]4) / [– – –] WOLBESTALTERg) / OBRISTER VBER EIN TEUDTS REGEMENT ZV FVS VND COMMENDANTE DIESER STADT)h) // IN GOTT SELIG ENTSCHLAFFENi)

Wappen:
Weis5).

Kommentar

Die Hasten-, Balken- und Bogenenden durch exakte Serifen abgeschlossen. Der Mittelbalken des A ist tief angebracht. R kommt mit leicht nach links durchgebogener Stachelcauda, aber auch mit geschwungener Cauda vor. W wird aus zwei verschränkten V zusammengesetzt. Y wird spitz gebildet und mit zwei i-Punkten versehen. Als Minuskelbuchstaben kommen s und t vor. Der Balken des Z verläuft schief. Dreispitze benutzte man als i-Punkte, als Kürzungszeichen, hier vertikal übereinander angebracht, und als Worttrenner auf der Zeilenmitte. Werkstatt H3.

Carol Weis legte 1644 den Halberstädter Siechenhof und die Überreste des Johannisklosters nieder, dessen Steine man elf Jahre zuvor zur Verstärkung der Stadtmauer am Breiten Tor benutzt hatte.6) Dadurch war die Stadt im beständig wechselnden Kriegsglück ohne Schutz bei Überfällen. Die Anmerkung, daß er ein deutsches Infanterieregiment führte, weist auf die im Heer der Liga übliche Unterscheidung zwischen schwedischen, finnischen, englischen, schottischen und deutschen Regimentern hin.7)

Textkritischer Apparat

  1. SEPTEMBRIS] Kürzung durch Doppelpunkt.
  2. MANHAFTE] Außer dem A alle Buchstaben beschädigt.
  3. HERR] Kürzung mittels Doppelpunkt.
  4. CAROL WEIS] Jeweils der Anfangsbuchstabe überhöht.
  5. KONIGLICHEN] Kürzung mittels Doppelpunkt.
  6. MAY(ES)t(e)t] Kürzung durch Punkt auf Zeilenmitte, zwei Punkte über dem Ypsilon.
  7. WOLBESTALTER] Fast alle Buchstaben beschädigt.
  8. STADT] Die geschlossene Klammer deutet wohl auf das Textende auf dem Architekturrahmen hin.
  9. ENTSCHLAFFEN] Folgt als Schlußzeichen ein Zierschnörkel.

Anmerkungen

  1. Haber berichtet, die Schrift der Grabplatte sei so unleserlich, daß man nur den Namen lesen könne; vgl. Haber 1739, S. 20 f.; BKD, S. 300; ein Inventar aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gibt sie gegenüber der Platte der Anna Dorothe Spiegel wieder und vermerkt: „der Stein liegt verdeckt“; vgl. Halberstadt, Domarchiv, Loc III Nr. 1, Alte Inventarien-Verzeichnisse, Bl. 53 f. Die Beschädigungen waren schon vor der Mitte des 19. Jahrhundert in derselben Weise wie heute vorhanden; vgl. Halberstadt, Domarchiv, Zeichnung von Johann Schäfer von 1842, ohne Signatur.
  2. Die Hilfslinien des Steinmetzen auf dem Rand sind noch erkennbar.
  3. 15. September nach neuem Stil; in protestantischen Gebieten bzw. solchen unter schwedischer Herrschaft wurde bis 1700 nach altem Stil datiert; vgl. dazu Grotefend 1991, S. 24 ff.
  4. Folgend dürfte ein genauerer Hinweis auf die schwedische Staatsmacht gestanden haben, wie er etwa in Nr. 265 mit Hinweis auf Königliche Majestät und Krone formuliert war.
  5. Eine oberhalbe Lilie (?) begleitet von vier fünfstrahligen Sternen, HZ: zwischen offenem Flug ein wachsender Hirsch.
  6. Vgl. Lucanus 1791 b, S. 376, 378; Lucanus 1809, S. 364; Derling 1748, S. 66. Vgl. zu Kloster und Siechenhaus BKD, S. 368 ff., 441 f.
  7. Zum Regimentsbefehl bzw. Rang vgl. Droysen 1875, S. 65 f.

Nachweise

  1. Halberstadt, Domarchiv, Zeichnung von Johann Schäfer von 1842, ohne Signatur.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 267 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0026704.