Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 257 Dom, Depot 1620

Beschreibung

Altarpredella, Domschatz Inv. Nr. 433 d; Holz, stark abgeblättert; an der Vorderseite, jeweils vor einer Fensterarchitektur, drei weibliche Heilige, alle mit der Märtyrerkrone auf dem Haupt, links die hl. Agnes ein aufgeschlagenes Buch in Händen, aus dem ein Lämmchen sie anschaut, in der Mitte die hl. Katharina, der ein Engel über die Märtyrerkrone einen Rosenkranz legt, im Arm ein Schwert, rechts wohl die hl. Agathe, mit Zange und einer abgerissenen Brust sowie einem Buch.1) Auf den Fenstergewänden unten aufgemalt die Tituli (A–C), die nach der Entstehungszeit der Predella angebracht wurden. Über der Jahreszahl (D) im Fenster hinter der hl. Katharina Meistermonogramm und Gildezeichen2) eines Bildhauers. An der links noch vorhandenen Zarge ein Wappen.

Maße: H. 39,5 cm, B. 152 cm, T. 19 cm, Bu. 0,5–1 cm.

Schriftart(en): Minuskelschreibschrift.

  1. A

    [S(ancta)] Agnes

  2. B

    S(ancta)a) Catarina

  3. C

    S(ancta)a) Apolonia

  4. D

    1620

Übersetzung:

A–C: Die heilige Agnes. Die heilige Katharina. Die heilige Apollonia.

Wappen:
Heilingen?3).

Kommentar

Die Buchstaben wurden mit linearem Strich ausgeführt. S zeigt lange Sporen. Die Unterlängen werden nach links umgebogen.

Die Inschriften wurden nachträglich angebracht, die Predella selbst ist älter und wird von Gmelin um 1520 datiert. Schon Büsching nahm 1817 an, daß es sich bei der Jahreszahl um das Datum einer Auffrischung des Gemäldes gehandelt habe.4) Nicht nur das Datum sondern auch die Fehlbeschriftung unter der Figur der hl. Agathe weist auf die nachträgliche Beschriftung hin. Vermutlich nahm der Schreiber an, es habe sich bei dem Gegenstand in der Zange um einen Zahn der hl. Apollonia gehandelt und nicht, wie dargestellt, um eine Brust der hl. Agathe. Das Fest der hl. Apollonia wurde in Halberstadt nur mit drei Lektionen als einfaches Fest gefeiert, dasjenige der anderen Jungfrauenheiligen jeweils mit neun Lektionen.5) Schon 974 wurde allen hl. Jungfrauen, zu denen auch die Märtyrerinnen Agathe und Agnes zählen, ein Altar in der Nordapsis der Krypta des ottonischen bzw. romanischen Doms geweiht, wo er sich 1325 noch befand.6) Er ist nach der Fertigstellung des Chors im Jahre 1400 vermutlich in den Chorumgang verlegt worden. Um 1420 entstand in der östlichsten Altarnische des südlichen Chorumgangs ein Wandgemälde, das neben zwei weiteren Jungfrauen die hl. Agathe inschriftlich bezeichnet wiedergibt (vgl. Nr. 74).7) An dieser Stelle ist für das Jahr 1817 auch die Jungfrauenpredella belegt.8) Der Altar war nachweislich noch 1795 – vermutlich dann auch bis zur Auflösung des Domstifts 1810 – in liturgischem Gebrauch,9) so daß die Anordnung von 1817 wohl der spät- und nachmittelalterlichen entsprach. Als Stifter der Predella käme nach dem Wappen an der Zarge Johannes von Heilingen in Frage, der seit 1518 als Halberstädter Domherr belegt ist und 1565 starb (vgl. Nr. 209).10)

Textkritischer Apparat

  1. Sancta] Durch einen nachgestellten Punkt auf der Grundlinie abgekürzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Gmelin 1974, Kat. Nr. 162, S. 481 f.
  2. Vgl. Taf. LXXXII, Nr. 14.
  3. In Silber ein schwarzer Balken; vgl. Siebmacher Si 1, S. 145; ebd. ThüA, S. 9 mit Taf. 7; ebd. SchwA, S. 13 mit Taf. 8.
  4. Büsching 1819, S. 243.
  5. Grotefend 1892, S. 59.
  6. GEH, S. 86; UBHH Bd. 3, Nr. 2141 S. 257 f.
  7. Die Hl. Agathe erkennt auch schon Doering als Teil dieses Wandgemäldes; BKD, S. 265, vgl. auch Elis 1857, S. 66.
  8. Büsching 1819, S. 243 f.
  9. LHASA Magdeburg, Rep. A 15, G Vicarien zu Halberstadt.
  10. Lentz 1749, S. 309.

Nachweise

  1. Büsching 1819, S. 243 mit Abzeichnung des Meister- und Gildezeichens.
  2. Gmelin 1974, Abb. 161/162.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 257 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0025708.