Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 245 Dom, Remtergang 16./A. 17. Jh.

Beschreibung

Standkreuz, Domschatz Inv. Nr. 421; Holz, Zinn, farbig gefaßt bzw. vergoldet, Eisennägel, mit rotem Farbauftrag; die Farbfassung z. T. abgeplatzt, Metallteile teils verbogen, teils verloren; auf einem an der Rückseite abgeflachten, nach vorne sich verjüngenden, viereckigen, grün und gold gefaßten Standfuß, der durch zwei Hohlkehlen profiliert ist, die Schädelstätte, über der sich das ebenfalls auf der Rückseite flache, an der Vorderseite sich verjüngende sechseckige vergoldete Kreuz mit zartem, farbig gefaßten Corpus erhebt; das Kreuz in der Mitte und an den Enden mit vergoldeten Blattornamenten beschlagen, in die Nute an den Seiten von Kreuzesstamm und -balken sind vergoldete Kreuzblumen eingefügt, die das Kreuz als Lebensbaum kennzeichnen. Drei Nagellöcher im Holz weisen auf ehemals angebrachte Zierbeschläge hin. Auf dem hölzernen Schriftband am oberen Kreuzesstamm der Kreuztitulus (A), an der oberen Hohlkehle des Kreuzfußes die Stifterinschrift oder der Besitzvermerk (B) des Johann Georg von Holtemme rot auf Gold, dabei wurden einige vielleicht schon vorher vorhandene, erhaben gearbeitete Buchstaben nachgezogen und übermalt.

Maße: H. 45,4 cm, B. 21,6 cm, T. 5,3 cm, Bu. 1,2 cm (A), 0,6 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis (urspr. gotische Majuskel?).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/3]

  1. A

    I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)1) ·

  2. B

    IOANa) G/[..]RGb) VON HO/LTEMIE / RR

Übersetzung:

A: Jesus aus Nazareth, der König der Juden.

Kommentar

Die Schaft- und Balkenenden sind verbreitert, die Schäfte und Balken eingeschnürt. Das A ist spitz mit kaum überstehendem Deckbalken, der dünner ausgeführte Mittelbalken wird spitz nach unten gebrochen. G besteht aus einem kleineren oberen Bogen, der auf einen länglichen nur wenig gebogenen aufgesetzt ist. Der Mittelteil des M ist verkürzt, die seitlichen Hasten werden schräggestellt. Die Schräghaste des N ist stärker ausgeführt und leicht geschwungen. Das T zeigt sehr stark verbreiterte Schaft- und Balkenenden, die jedoch erst kurz vor den Buchstabenenden ausgezogen werden. In der Mitte des Balkens ragt eine Spitze nach oben.

Das Standkreuz ist als blühendes Kreuz (crux florida) ausgeführt.2) Vermutlich fallen seine Entstehung und die Anbringung der Inschrift nicht zusammen. So paßt das Standkreuz besser an den Anfang des 16. Jahrhunderts, wie aus einem Parallelbeispiel aus der Danziger Marienkirche zu ersehen ist.3) Die Inschriften gehören nach der Art ihrer Anfertigung und ihrer Buchstabenformen an dessen Ende oder gar an den Anfang des folgenden Jahrhunderts. Auch die Form des zusammengesetzten Vornamens weist eher in diese Zeit. Ein Geschlecht Holtem(p)ne war seit dem 13. Jahrhundert in Halberstadt ansässig.4) Da aber am Standkreuz heute ein Wappen fehlt, ist eher davon auszugehen, daß Johann Georg von Holtemme vielleicht ein Vikar war, der etwa aus Holtemme-Ditfurt stammte.5)

Textkritischer Apparat

  1. IOAN] Zu ergänzen wohl zu IOANNES.
  2. G[..]RG] Zu ergänzen wohl zu GEORG.

Anmerkungen

  1. Io 19,19.
  2. Vgl. Schiller Bd. 2, S. 147.
  3. Standkruzifix aus der Barbarakapelle der Danziger Marienkirche vom Anfang des 16. Jahrhunderts; vgl. Drost 1963, S. 113 Nr. 7 mit Taf. 86 a.
  4. UBHH Bd. 1, Register S. 613; ebd., Bd. 2, Register S. 648; ebd., Bd. 3, Register S. 688; UB Stadt Halberstadt, Bd. 2, Register S. 482, 520; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register S. 604; UB St. Johann, Register S. 630.
  5. Siehe zur heutigen Wüstung Holtemme-Ditfurt BKD, S. 10 f.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 245 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0024508.