Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 75: Halberstadt Dom (2009)
Nr. 236 Dom, Kreuzgang 1600
Beschreibung
Epitaph für Heinrich Julius und Anna von Götze, Kinder des Domherrn Peter von Götze (und vielleicht weitere zwei seiner Kinder); an der Ostwand des Kreuzgangs im zweiten Joch von Norden in ca. 150 cm Höhe mit eisernen Haken an der Wand befestigt, dem ursprünglichen Anbringungsort über der unbezeichneten Grabstelle.1) Heller Sandstein, verwittert und stellenweise beschädigt, Schriftverlust. Unter einem mit Voluten und Obelisken geschmückten Gesims in einem von Pilastern getragenen Rundbogen zu beiden Seiten eines Kruzifixes die verstorbenen Kinder, links das älter gewordene größer dargestellt, beide in Haube, Halskrause und Gewand mit durchgehender Knopfleiste, die Hände verschränkt. Über den Kapitellen bzw. an den Sockeln der Pilaster vier Vollwappen. Im Unterhang in einer querovalen Rollwerkkartusche zeilenweise der erhaben ausgehauene Sterbevermerk (A); eingehauen auf dem Architrav des Gesimses und in den Bogenzwickeln die Stifterinschrift (B), rechts neben dem Kruzifixus zeilenweise die Spruchinschrift (C); auf einem Spruchband am Kreuzhaupt der Kreuztitulus (D), auf den Kämpferplatten der Kapitelle und auf den Pilastern unter bzw. über den Wappen die Wappenbeischriften (E–H) sowie einige Rötelinschriften der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bzw. aus späterer Zeit (Peter Jo / GEH / zu / Meißen/ng. A(nn)o / 16/68). Die Buchstaben der Inschrift A sind stark beschädigt. Ein geflügelter Cherubskopf der Bekrönung ist ebenfalls beeinträchtigt, Kopf und Beine des Gekreuzigten fehlen.
Maße: H. 110 cm, B. 88 cm, T. 10 cm, Bu. 2 cm (A), 1,6–2 cm (B), 1 cm (E–H).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A1
HE[I]NRI[C]H [I]V[L]IVS GOTZE[N] [I]S[T] G[E]B[O]R[N]a) [– – –] / [– – –] / G[– – –] / [– – –]
- A2
ANNA GEBORNE [..] / G[E]BORNE [G]ÖTZIN IS[T] AN(N)Ob) [1]600 / DEN [..] [O]CTOBRIS STOR[BE]N / [– – –] VND HAT [– – –] / [– – –] [ST]VNDEN GE[LE]B[T]
- B
H(ERRN) / PETER / VON GOTZEN THVMHERN DISER ST[IFFTS]KIRCHEN / EHELICHEN // KINDER EPITHA=//PHIYM
- C
NON CRVCEM / SED QVEM / DESIGNAT / ADORA2)
- D
I(ESVS) · N(AZARENVS) · R(EX) · I(VDEORVM)3) ·
- E
[D]ER / VON GOTZEN
- F
[D]ER VON SAMPE/[LEV]EN
- G
[D]ER VON / F[...../.]ERG
- H
DER VON / LAVING
Übersetzung:
C: Nicht das Kreuz, sondern den es darstellt, bete an! D: Jesus aus Nazareth, der König der Juden.
Götze4) | Sampleven5) |
unbekannt6) | Lauing7). |
Textkritischer Apparat
- [IST GEBORN] Befund: .S.G.B.R.. Ergänzungen unsicher.
- ANNO] Kürzungszeichen fehlt.
Anmerkungen
- Vgl. Halberstadt, Domarchiv, Grundriß des Kreuzgangs nach Haber von Carl Elis … 1836, ohne Signatur.
- Ähnlich bei Guillelmus Duranti, Rationale divinorum officiorum, 1,3,1,14: „Non tamen effigiem sed quem designat adora“. Vgl. zu Guillelmus Duranti d. Ä., LexMA Bd. III, Sp. 1469 f. (G[eorg] Langgärtner).
- Io 19,19.
- Ein Pfahl, zu beiden Seiten begleitet von einem Lindenblatt mit gebogenem Stiel, HZ: über Helmwulst zwischen zwei Büffelhörnern eine Bärentatze mit einer Honigwabe in der Klaue; vgl. die abweichende Wappenfigur bei Siebmacher PrAE, S. 33 und Taf. 19; ebd. Sa, S. 29 und Taf. 31; ebd. Pr, S. 147 und Taf. 194.
- Ein senkrechter, mit den Wurzeln ausgerissener, gestümmelter Baumstamm, an jeder Seite ein abhängendes Lindenblatt, HZ: gestulpte und bequastete Zipfelmütze (Turnierhut), besetzt mit einem auf die Spitze gestellten bequasteten Kissen; vgl. Siebmacher SaA, S. 142 und Taf. 93. Vgl. Nr. 203 Anm. 3.
- Ein springendes Einhorn, HZ: über Helmwulst die Schildfigur, Falkenberg (?); vgl. Anm. 8.
- Ein Halbflug, HZ: über Helmwulst die Schildfigur; vgl. Siebmacher SaA, S. 96, Tafel fehlt.
- Vgl. Nr. 231. Zur heraldischen Ahnenprobe paßt, daß nach Krohne 1774, Sp. 16 ein Peter von Götze († 1605), Erbsass auf Zehlen- und Zühlendorf, mit einer Eva von Sampleven verheiratet war. Sein Vater, ein Hans von Götze, hatte eine Margaretha von Falittenberg als Gemahlin. Zedler Bd. XI, Sp. 90 f. nennt die Frau des Hanns von Götze auf Zehlendorf und Züllsdorf Margaretha von Falckenberg. Sie sei Mutter eines Peter von Götzen geworden. Dessen Frau sei eine Eva von Sampleven gewesen. Deren Sohn wiederum war Johann von Götz(en), bayerischer und kaiserlicher General im Dreißigjährigen Krieg; vgl. ADB Bd. 9, S. 510 f. (Karl Johann Casimir von Landmann), zum Stammsitz auch Ledebur Bd. 1, S. 276.
- Wie Anm. 1.
- Vgl. Abel 1754, S. 510 f.
- Pelka 1925, S. 36. Zu Butzbach siehe LexMA Bd. II, Sp. 1163 (K[laus] Arnold).
- Apc 22,9; Luther WA Bd. 15, S. 474, Z. 10 f.
Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 236 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0023609.
Kommentar
Die Schrift weist etliche, auch ungewöhnliche Ligaturen auf. Schäfte, Balken und Bögen sind breit proportioniert und mit Serifen abgeschlossen. A ist spitz und mit einem winzigen Balken versehen. Die seitlichen Hasten des M sind gerade, der Mittelteil wird verkürzt. Die Schräghaste des N ist leicht geschwungen. Das R mit geschwungener Cauda hat nur einen kleinen Bogen wie auch das P. Z wird entweder ohne oder mit leicht schräggestelltem Balken ausgeführt. Als Worttrenner dienen Dreispitze auf Zeilenmitte (D).
Nach Lentz ist Peter Götze, der Vater der verstorbenen Kinder, als Halberstädter Domherr 1593 (Petrus Goltze) und im Jahr 1600 nachweisbar. Er ist jedoch auch schon 1592 durch Namen und Wappen am Kanzeldeckel belegt.8) Er gehörte, wie auch seine Ehe und Kinder zeigen, zu den evangelischen Domherren. Der von dem Domküster Haber in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gezeichnete Plan des Kreuzganges weist vor dem Epitaph Gräber für „Hr. von Götzen 4 Kinder“ aus.9) Der Name eines der verstorbenen Kinder, Heinrich Julius, könnte auf den gleichnamigen postulierten Bischof und Administrator von Halberstadt sowie Herzog von Braunschweig, der 1591 den Dom reformierte, als Paten hinweisen. Die Kinder des Peter von Götze könnten an einer der Seuchen gestorben sein, die seit 1596 und besonders auch 1600 Halberstadt heimsuchten.10) Die Spruchinschrift, die im Rationale Divinorum Officiorum des Wilhelm Duranti schon im 13. Jahrhundert überliefert ist, wurde auch später wieder aufgenommen und verbreitet. So weist auch der Maria Laacher Benediktinerprior Johannes Butzbach gen. Piemontanus den Text als zweiten Vers eines Sprüchleins in seinem Libellus de praeclaris picturae professoribus im Jahre 1505 auf.11) Der Gedanke stammt aus dem letzten Kapitel der Apokalypse und wurde von Luther wieder aufgenommen.12)