Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 75: Halberstadt Dom (2009)
Nr. 226 Dom, Alter Kapitelsaal 1588
Beschreibung
Grabplatte des Domherrn Heinrich Spiegel zum Desenberg; an der Nordwand des Alten Kapitelsaals als erste Grabplatte von Westen;1) heller Sandstein. Relief, in einer Rundbogennische, die ein von Puttenköpfen bekröntes Gesims aufweist, auf einer unten abgerundeten, ornamentierten Konsole stehend ein bärtiger Kleriker, gekleidet in Birett, Halskrause, Pluviale und Untergewand unter einer mit Troddeln versehenen Pelzalmutie, die von Schnürbändern gehalten wird, in den Händen ein Buch; die Pilastersockel mit je einem von Vanitassymbolen (Stab, Stundenglas und Sense) begleiteten Putto verziert, in den Ecken vier Vollwappen. In eingetiefter Randleiste umlaufend, auf dem Architekturbogen zu Häupten des Dargestellten und auf den Nischenpilastern fortgesetzt, der erhaben ausgehauene Sterbevermerk (A), die Wappenbeischriften (B–E) auf Bändern unterhalb der Wappen eingehauen. Die Grabplatte ist bis auf einige Beschädigungen im Gesicht des Dargestellten und Erosionen an der rechten Seite gut erhalten.
Ergänzung nach Unterlagen von Karin Iffert, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission Halle, Archiv.
Maße: H. 207 cm, B. 109,5 cm, T. 10 cm, Bu. 5,5 cm (A), 0,5–1,5 cm (B).
Schriftart(en): Kapitalis.
- A
A(NN)O : A NA//TO CHR(IST)O M // D LXXXVIII DIE III MAIJ . VITA FVNCT(VS) EST REVERENDVS . ET // NOBILIS D(OMI)N(V)S HEIN//RICVS SPIEGEL . A . DESENBERG . HVI(VS) CATHEDR(ALIS)a) . HALBERS(TADENSIS)b) : // ET FRIDESLAR(IENSIS) // AC S(ANCTAE) . CRVCIS // HILDES(HEIMENSIS)c) . ECCL(ES)IARVM . CAN(ONI)C(VS)d) // CVIVS ANIMA . R(EQVIESCAT)e) IN PACE
- B
D(IE) · SPIGEL ZUM DESENBERf)
- C
D(IE) · EDLE · HERN · ZV BVREN
- D
D(IE) [HO – – –]
- E
[D(IE) IP – – –]
Übersetzung:
Im Jahre nach Christi Geburt 1588 am dritten Tag des Mai hat der ehrwürdige und edle Herr Heinrich Spiegel zum Desenberg, Kanoniker der Halberstädter Bischofskirche und der Kirchen in Fritzlar und Heiligkreuz in Hildesheim, sein Leben vollendet, dessen Seele in Frieden ruhe.
Spiegel zum Desenberg2) | Buren3) |
Hörde4) | Wrede5). |
Textkritischer Apparat
- CATHEDRALIS] Kürzungszeichen fehlt.
- HALBERSTADENSIS] Das L wegen des ins Schriftband ragenden Gesimses ohne Balken. Mittels folgendem Doppelpunkt gekürzt.
- HILDESHEIMENSIS] Kürzungszeichen fehlt.
- CANONICVS] Kürzung mittels hochgestelltem C und anschließendem us-Kürzel.
- REQVIESCAT] Kürzungszeichen fehlt.
- DESENBER] Letzter Buchstabe aus Platzmangel hochgestellt. Das den Namen abschließende G fehlt.
Anmerkungen
- Wo sich diese Grabplatte früher befand, ist unbekannt. Sie gehörte nicht zu jenen Platten, die nach einem Schreiben an den damaligen Konsistorialpräsidenten Grahn (undatiert, wohl erste Hälfte 19. Jahrhundert) zur Verlegung aus der Kirche und Neuaufstellung in der Vorhalle der Stephanskapelle (Alter Kapitelsaal) vorgesehen waren; vgl. Halberstadt, Domarchiv, Loc. III Nr. 1, Alte Inventarien-Verzeichnisse, Bl. 54. Das Epitaph des Verstorbenen war zu Anfang des 18. Jahrhunderts noch an der Ostseite des Kreuzgangs zwischen dem vierten und fünften Gewölbe von Norden angebracht; vgl. Halberstadt, Domarchiv, Grundriß des Kreuzgangs nach Haber von Carl Elis … 1836, ohne Signatur.
- Drei runde Spiegel mit Rand 2:1, HZ: über einer Helmkrone offener Flug, jeder Flügel belegt mit drei Spiegeln mit Rand; vgl. Siebmacher Han, S. 16 und Taf. 17; ebd. Brau, S. 9 und Taf. 8; ebd. He, S. 26 und Taf. 29; ebd. Pr, S. 29 und Taf. 32; Fahne 1860, S. 170 f. Vgl. zum Geschlecht auch Zedler Bd. XXXVIII, Sp. 1588 ff.
- Ein gekrönter Löwe, springend, HZ: über einer Helmkrone ein wachsender Löwe zwischen Flug; vgl. Ledebur Bd. 1, S. 123. Das Geschlecht stammt aus dem westfälischen Büren bei Paderborn, wo auch die Spiegel zum Desenberg herstammen, die Erbschenken des dortigen Hochstifts waren; vgl. Siebmacher Brau, S. 9.
- Quadriert und mit einem Herzschild belegt, Herzschild unkenntlich (Rose?), 1./4. hersehender Löwe (?) 2./3. eine Rose (?), HZ: ein hersehender Löwe zwischen Palmzweigen (?). Wappen beschädigt; vgl. Nr. 227 Anm. 8. Vgl. auch Rietstap 1934, S. 963.
- Ein Rosenschapel, HZ: zwischen offenem Flug ein Rosenschapel; vgl. Siebmacher ThüA, S. 111 f. mit Taf. 87.
- Vgl. Siebmacher Han, S. 16 und Taf. 17; ebd. Brau, S. 9 und Taf. 8. Nicht belegt für das Stift Heiligkreuz in Hildesheim ist Heinrich Spiegel zum Desenberg im UB Stadt Hildesheim, Bd. VIII 1481–1597, Register S. 986 f.
- Vgl. BKD, S. 224.
Nachweise
- Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Inschriftenkommission Halle, Archiv, Unterlagen Karin Iffert (B).
Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 226 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0022603.
Kommentar
Die Schrift ist schmal proportioniert. Der Deckbalken des spitzen A steht nach links über. M ist sehr breit gestaltet und hat schräge Seitenhasten und einen verkürzten Mittelteil. Die Serifen an den Balkenenden des T werden nach unten spitz ausgezogen. R weist eine geschwungene Cauda auf. Die Balkenenden des E werden zur Mitte hin ausgezogen, das mittlere ist verbreitert. O ist spitzoval geformt. Die Bogenenden des D werden weit nach links über den Schaft hinaus gezogen. Die Cauda des G wird lotrecht auf den Bogen aufgesetzt, die Serife am Bogenende ist stark nach unten ausgezogen. Als Worttrenner dienen Quadrangel im unteren Zeilendrittel, bzw. in den Wappenbeischriften eingehauene Dreispitze. Viele Buchstaben sind wegen der Konsolenform und ihres Schmuckes hochgestellt.
Heinrich Spiegel zum Desenberg entstammte einer ursprünglich westfälischen Familie, die in die Grafschaft Hohnstein eingewandert war. Sie besaß Güter sowohl im Hannöverschen als auch im Braunschweigischen und Halberstädtischen.6) Er bewohnte den Vorgängerbau des immer noch Spiegelsche Kurie genannten Gebäudes, in dem heute das Städtische Museum untergebracht ist.7)