Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 225 Dom, Neuenstädter Kapelle 1588

Beschreibung

Metallteile der Grabplatte des Domdekans Ludwig von Britzke (1576–1588); ursprünglich westlich vor dem nordöstlichen Vierungspfeiler,1) nach Doering dort noch vor 19022), heute im Chorbereich der Neuenstädter Kapelle in den Boden eingelassen, 1846 auf die Südempore verbracht.3) Relief, in elf Teilen (je vier Schriftleisten und Medaillons sowie die Innenplatte in drei nahezu gleich großen Teilen, die Zierschrauben der Schriftleiste fehlen heute). Im Innenfeld ein Prälat vor einer im unteren Viertel sichtbaren Stadt- und Landschaftsabbreviatur (Stadttor, Kirchturm, Häuser, Bewaldung), unter einem auf korinthischen Säulen ruhenden Segmentbogen, der in der Mitte mit einem geflügelten Cherubskopf geschmückt ist; in den Bogenzwickeln geflügelte Putten, ein Feston haltend, das in ein Schriftband (s. u.) übergeht. Der bärtige Dignitär in Birett, Halskrause, Rochett, Superpelliceum und einer von zwei Rosettenagraffen und Schnürband gehaltenen Pelzalmutie, in den Händen ein Buch, zu Füßen ein Vollwappen. In den Ecken Medaillons mit Darstellungen der Evangelisten samt ihren Symbolen. Am Rand zwischen zwei Stegen mit Beschlagwerk- und Flechtbandprofilen der erhaben gegossene Sterbevermerk (A) einzeilig umlaufend, der sich auf der oberen Schmalseite – seitlich von antikisierenden Masken gefaßt – zwischen Stegen zweizeilig fortsetzt und in einem von Doppelstegen gerahmten bogenförmigen Schriftband über dem Kopf des Verstorbenen wiederum einzeilig endet. An der unteren Schmalseite, zwischen Bildfeld und umlaufender Inschrift (A) in einer schmalen Leiste die Künstlersignatur (B) des Hans Wilken.

Maße: H. 239 cm, B. 140,5 cm, T. 2,5 cm, Bu. 2,7–6 cm (A), 2,7 cm (B).

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    · ANNO · 15 · 88 · DIE · 4 · SEPTE//:MBRISa)4) · OBIIT · IN · CHRISTO · REVERENDVS · ET · NOBILIS · // · VIR · DOMINVS · LVD://:OVICVSb) · A · BRITZKEN · HVIVS · ECCLESIAE · DECANVS · // · LOCVM · TENENS · REVERENDIS·/·SIMIc) · ET · COMES · PALATINVS · // · CVIVS · ANIMA · REQVIESCAT · IN · SANCTA · PACE

  2. B

    · HANS · WILKEN · GOT · MICH · ZV · BRVNSEWICK ·

Übersetzung:

A: Im Jahre 1588 am 4. Tag des September starb in Christus der ehrwürdige und edle Mann, Herr Ludwig von Britzke, Dekan dieser Kirche, Stellvertreter des Hochwürdigsten und Hofpfalzgraf,5) dessen Seele in heiligem Frieden ruhe. B: Hans Wilken goß mich zu Braunschweig.

Wappen:
Britzke6).

Kommentar

Die Schrift zeichnet sich durch annähernd quadratisch proportionierte Einzelformen aus. Die Strichstärke ist einheitlich. Sonst weist sie keine Besonderheiten auf. Als Worttrenner verwendete man Quadrangel auf der Zeilenmitte.

Der Braunschweiger Gießer Hans Wilkens goß für einen Domkanoniker im Jahr 1585 schon einmal eine Grabplatte sowie eine Glocke für die Domäne Hessen im Halberstädtischen, die sich heute im Kirchenschiff der St. Servatiuskirche in Quedlinburg befindet.7) Ludwig von Britzke ist seit 1548 als Domherr belegt, nach dem Tod seines Onkels Friedrich von Britzke wurde er zum Dekan des Halberstädter Doms gewählt.8) Er war „Stellvertreter des Bischofs und Statthalter des Stifts Halberstadt“.9) Im Jahr 1582 ist er als Administrator der Dompropstei nachweisbar, er fungierte als Dekan der Oschersleber Kalandsbruderschaft und hatte ein Altarlehen in St. Jakob zu Gröningen inne.10) Einem Geschlecht des magdeburgischen Adels entstammend11) gehörte er vielleicht zunächst zu den dem Katholischen zugeneigten Domherren, da er der Tonsurierung des vom Domkapitel gewählten, allerdings im evangelischen Glauben erzogenen Bischofs Heinrich Julius von Braunschweig am 27. November 1578 beiwohnte.12) Später scheint er evangelisch geworden zu sein, denn er hatte eine Frau, Barbara, und Kinder.13) Er bewohnte die Kurie gegenüber der Schule.14) Am 11. September wurde er im Dom beigesetzt.15)

Textkritischer Apparat

  1. SEPTEMBRIS] Trennung durch zwei vertikal übereinander angebrachte Quadrangel; Sept. Neumann 1900.
  2. LVDOVICVS] Trennung durch zweimal zwei vertikal übereinander angebrachte Quadrangel.
  3. REVERENDISSIMI] Trennung durch zwei Quadrangel.

Anmerkungen

  1. Haber 1739, S. 36.
  2. BKD, S. 302 f.
  3. Vgl. Nr. 107 Anm. 1.
  4. 4. September 1588.
  5. Vgl. zum Amt des Hofpfalzgrafen HRG Bd. 2, Sp. 212 f. und Zedler Bd. XXVII, Sp. 1250 f.
  6. Ein sechsstrahliger Stern, HZ: über einer Helmkrone drei Straußenfedern; vgl. Nr. 222 Anm. 4.
  7. Vgl. zu Hans Wilkens Thieme/Becker Bd. 36, S. 3; Lüer 1904/1909, S. 445; BKD, S. 303; Nr. 222.
  8. Lentz 1749, S. 309; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Register S. 583; UB St. Johann, Nr. 539 S. 467; Neumann 1900, S. 49–51; sein Vorgänger Friedrich von Britzke war 1576 gestorben, vgl. Nr. 215.
  9. Neumann 1900, S. 49.
  10. Vgl. Nebe 1880, S. 68, 136 und 162 f.; Neumann 1900, S. 49.
  11. Vgl. Ledebur Bd. 1, S. 107; Kneschke Bd. 2, S. 77.
  12. Zu dieser Zeit hatte er wohl noch nicht den Rang eines Domdekans inne; vgl. Nebe 1880, S. 17, 26 f. und 136.
  13. Neumann 1900, S. 51.
  14. Vgl BKD, S. 224.
  15. Neumann 1900, S. 51.

Nachweise

  1. Haber 1739, S. 36 f. (A).
  2. BKD, S. 303 (B).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 225 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0022506.