Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 223 Dom, Kreuzgang 1585

Beschreibung

Grabplatte des Domherrn Johannes Spitznase, im ersten Joch von Osten an der Nordwand des Kreuzgangs aufgestellt;1) roter Sandstein. Relief, im Innenfeld, das von einer profilierten Leiste gerahmt ist, eine fast ovale Rollwerkkartusche mit lilienförmigen Abschlüssen, darin wohl ehemals ein jetzt abgespitztes Wappen. Auf eingetiefter Inschriftenleiste am Rand umlaufend der erhaben ausgehauene Sterbevermerk (A). In den Ecken Medaillons, darin die geflügelten Evangelistensymbole mit Spruchbändern, darauf die Tituli (B–E).

Maße: H. 186 cm, B. 93,5 cm, T. 18 cm, Bu. 6,5–7,5 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    28 AVGVSTI . 15//85, OBIIT REVERENDVS AC NOBILISa) D(OMI)N(V)S IOHANNESb) SPITZ//NASEc) HVI(VS) ECCL(ESI)AE // CANONICVS ET BEATAE VIRGINIS P(RAE)POSITVS NVNC VIVIT IN CHRISTO

  2. B

    S(ANCTVS) · MATT/HEVS

  3. C

    S(ANCTVS) . MAR//CVS

  4. D

    S(ANCTVS) · // LV//CAS

  5. E

    S(ANCTVS) IOH[/ANNES]d)

Übersetzung:

Am 28. August 1585 starb der ehrwürdige und edle Herr Johannes Spitznase, Domherr dieser Kirche und der seligen Jungfrau [Liebfrauenkirche] Propst. Nun lebt er in Christus.

Kommentar

Eine eng proportionierte Schrift, die teilweise sehr gedrängt wirkt und etliche auch ungewöhnliche Nexus litterarum aufweist. Sie ist leicht nach rechts geneigt. Es handelt sich, wie auch der rote Stein, um ein Kennzeichen dieser Werkstatt. Außer C zeigen die Buchstaben Serifen an Hasten-, Balken- und Bogenenden. I ist fast durchgängig mit Punkt versehen. Der obere und der Balken des Z sind geschwungen. Als Worttrenner fungieren Quadrangel und Virgeln auf der Grundlinie (A) sowie Punkte auf Zeilenmitte (B).

Johannes Spitznase ist 1564 nach Lentz als Halberstädter Domherr, 1583 darüber hinaus als Propst des Liebfrauenstifts belegt.2) Schon 1558 muß er Domherr gewesen sein, als er als Portanarius (Pfortenherr), ein Amt, das immer einem Domherrn zufiel, die Pfarre in Dingelstedt vergab.3) Er bewohnte 1573 die knapp einhundert Jahre zuvor von Balthasar von Neuenstadt genutzte Kurie.4) Weitere Familienmitglieder gehörten im Verlauf des 17. Jahrhunderts zum Halberstädter Domkapitel.5) Das aus Thüringen stammende Geschlecht war um Halberstadt, im Saalkreis und in der Altmark begütert.6) Spitznase war vielleicht ein im Katholischen verhafteter Kanoniker, da er 1578 bei der Erteilung der Tonsur an den vom Domkapitel 1564 noch als Kleinkind gewählten Bischof Heinrich Julius von Braunschweig durch Abt Johannes von Huysburg zugegen war.7)

Textkritischer Apparat

  1. NOBILIS] Das letzte I des Wortes mit einem Punkt.
  2. IOHANNES] Erster Buchstabe als Versal durch besondere Größe hervorgehoben.
  3. SPITZNASE] Der linke Schaft des N wegen des in die Schriftleiste ragenden Medaillons im unteren Verlauf verkürzt.
  4. IOHANNES] Nach den Unterlagen von Karin Iffert von 1964–1968 waren die ergänzten Buchstaben damals noch vorhanden und die beiden NN ligiert.

Anmerkungen

  1. Vgl. Nr. 209 Anm. 1.
  2. Vgl. Lentz 1749, S. 309; UB St. Johann, Nr. 539 S. 467.
  3. Vgl. Nebe 1880, S. 146; [Augustin] 1823 a, S. 117 f.; Koch 1997, S. 203 ff. mit weiterer Literatur.
  4. Vgl. BKD, S. 224.
  5. Vgl. ebd., S. 311; Siebmacher SaA, S. 159.
  6. Vgl. ebd. und Ledebur Bd. 2, S. 465.
  7. Vgl. Nebe 1880, S. 17; vgl. zur Wahl Bischof Heinrich Julius’ von Braunschweig Langenbeck 1886, S. 45 ff.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 223 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0022302.