Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 218 Dom, Depot 1577

Beschreibung

Notiztafel, Domschatz Inv. Nr. 115;1) Holz, mit heute grauschwarzem Wachs beschichtet, die Vorderseite waagerecht in zwei gleich große, 0,4 cm eingetiefte Felder eingeteilt, die durch einen 1,7 cm breiten Steg getrennt sind. Der verbliebene 1,6–2,7 cm breite Rand geht am unteren Ende in einen 10,5 cm langen, am Ende abgerundeten Stiel mit einem kreisrunden Loch in der Mitte über, der als Griff dient. Rahmen und Stiel sind durch eine Hohlkehle profiliert, der Griff ist außerdem beidseitig mit einer geschnitzten Rosette verziert. Die beiden Schreibfelder sind teilweise noch mit einer Wachsschicht beschichtet, im oberen finden sich allerdings nur Reste. Auf der Rückseite am linken Rand von unten nach oben verlaufend eingeschnitzt die Initialen (A), von links nach rechts auf dem Stiel die Initialen (B) und am unteren Rand die Initialen mit Herstellungsvermerk und Jahresangabe (C). Auf der Vorderseite in die Wachsschicht des unteren Feldes zeilenweise eingeritzt die Notizen (D).

Maße: H. 73,3 cm, B. 23,7 cm, T. 1,4 cm, Bu. 1,1–1,6 cm (A–C), 0,4 cm (D).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A–C), Humanistische Kursive (D).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    I W M Fa)

  2. B

    P · W · P

  3. C

    ANNOb) D(OMI)NI 1577 I T F Fc)

  4. D

    imd) P[r]aesentation(e)m [...]m Se) Cansin[.]sti2) [...] / [...] u Psn [...] / – – – / S(ancti)f) Chryso[go]ny3) [...] / [...] Am S(ancta)f) Catharina4) [...] Olim Alberti Cardinalis ac Can[.]t / [...]ntii Halberg) sncin / [...]nadirs / [...]arttagin / [...] servare heth) et Victoris5) / [...]wigis6) / [...] harslebsiei) / [...]rch de Querfurde / [...]ti clara in Organ[i]s / [...] R Sterndorff / [...]las in a advent(us) D(omi)nj7)

Übersetzung:

A: I W stellte mich her. C: Im Jahre des Herrn 1577 ließ I T es machen. D: – – – einst des Kardinal Albrecht und – – – zu dienen ... Victors – – – harslebisch ... hell auf Musikinstrumenten – – – Ankunft des Herrn.

Kommentar

In den Inschriften A–C sind die Hastenenden der Buchstaben keilförmig verbreitert. Das A ist flachgedeckt, die Hasten sind dünner ausgeführt als der Deckbalken. Das D ist an der linken Seite offen. Das I zeigt in der Schaftmitte einen Bügel nach links. Der Mittelteil des M wird dünner ausgeführt und ist verkürzt, die seitlichen Hasten sind schräggestellt. W besteht aus zwei verschränkten V. Die N werden seitenverkehrt gebildet. Der Bogen des runden T ist eingerollt. Als Worttrenner benutzte man Quadrangel.

Die Initialen lassen sich leider nicht vollständig und auch nur mutmaßlich auflösen. Vermutlich wurde die Tafel zur Zeit des Herstellungsvermerks, den die Initialen mit der Datierung (C) wohl bedeuten, in „Betrieb“ genommen. Der in das Wachs eingeritzte fragmentarische Text enthält jedoch weder Nachrichten vom „convent“ des Jahres 1511, wie Nebe meinte,1) und ebensowenig, wie Doering glaubte,1) Namen der Mitglieder des Domkapitels, sondern vermutlich Aufzeichnungen zur Liturgie bestimmter Heiligenfeste im Herbst und zu deren Finanzierung. Die neben der Nennung des Kardinals Albrecht von Brandenburg dort niedergelegten Namen (… von Querfurt und Sterndorf) lassen sich nicht verifizieren. Von vierzehn ähnlichen Tafeln die er aus dem Archiv des Halberstädter Rathauses erhalten hatte, berichtet Johann Heinrich Lucanus.8) Sie stammten nach seiner Ansicht aus dem 14. Jahrhundert, waren aber mit einer Größe von 6 ⨯ 3 rheinischen Zoll (ca. 19 ⨯ 9,5 cm) wesentlich kleiner als die im Domschatz aufbewahrte Notiztafel. Enthalten waren darin – ebenfalls durch eine waagerechte Leiste getrennt – zwei gleich große, mit schwarzem Wachs gefüllte Felder. Die Täfelchen waren zu einer Art Buch von etwas über zwei Zoll (ca. 6,5 cm) Dicke zusammengefügt. Sie enthielten ein Verzeichnis von Äckern aus der Umgegend von Halberstadt nach Größe, Lage und Nachbarschaft. Ihr Verbleib ist ungeklärt.

Textkritischer Apparat

  1. IWMF] Das W wurde aus zwei verschränkten V zusammengesetzt. Vielleicht für I W ME FECIT.
  2. ANNO] Die beiden N retrograd.
  3. ITFF] Vermutlich stehen die beiden ersten Buchstaben als Initialen des Namens und die beiden folgenden sind mit FIERI FECIT aufzulösen. Die beiden Auflösungsvorschläge aus a und c widersprechen sich scheinbar, könnten sich jedoch auf die Herstellung verschiedener Teile etwa des Schreibutensils oder der Wachsschicht beziehen.
  4. im] Sic!
  5. S] Wohl zu ergänzen zu Sancti oder Sanctae.
  6. Sancti] Kürzungszeichen fehlt.
  7. Halber] Wohl zu ergänzen zu Halberstadensis.
  8. het] Sic!
  9. harslebsie] Sic!

Anmerkungen

  1. Siehe dazu: Nebe 1889/1890, S. 91; Hermes 1896, S. 129 f.; BKD, S. 299; Doering 1927, S. 64.
  2. Verballhornt für Candidus? 1. Dezember.
  3. 24. November.
  4. 25. November.
  5. 10. Oktober?
  6. Vielleicht zu ergänzen zu Hadwigis. 15. Oktober.
  7. Einer der Adventssonntage im Spätherbst.
  8. Lucanus 1799 b, S. 250–255.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 218 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0021801.