Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 215 Dom, Querhaus, Südempore 1576

Beschreibung

Metallteile der Grabplatte des Domdekans Friedrich von Britzke (1560–1576); an der Südwand der Südempore aufgestellt, früher nördlich vor dem nordöstlichen Vierungspfeiler vor dem zugehörigen Epitaph1) in den Boden eingelassen.2) Relief, von Abplatzungen des äußeren Steges abgesehen, gut erhalten. Im Innenfeld eine von Säulen mit korinthischen Kapitellen getragene Rundbogenarchitektur, darin stehend ein bärtiger Prälat, in Birett, eine pelzgesäumte, von zwei Agraffen und einer mit Troddeln versehenen Schnur gehaltene Almutie, ein Chorhemd mit starkem Faltenwurf und ein Untergewand mit glatten Längsfalten gekleidet, in den Händen ein Buch haltend, zu Füßen ein Vollwappen. Die Säulenmanschetten der Architektur sind mit je einer Halbmaske verziert, in den oberen Zwickeln geflügelte Putten, die eine vegetabile Girlande, über der eine Rollwerkkartusche mit einem geflügelten Cherubskopf angebracht ist, über den Kopf des Abgebildeten halten. Auf der Rahmenleiste zwischen Stegen umlaufend der erhaben ausgeführte Sterbevermerk (A), in der Mitte der beiden Längsseiten unterbrochen durch je ein Medaillon mit Heiligendarstellungen, links Stephanus mit Palmzweig sowie Buch und Steinen, rechts Maria mit dem Kinde. Die Tituli (B–E) sind auf die Spruchbänder der in den Ecken angebrachten Medaillons mit den geflügelten Evangelistensymbolen graviert. Der Gießervermerk des Hans Meisner als Künstlersignatur (F) ist auf dem unteren inneren Steg der Platte eingeritzt.

Maße: H. 210 cm, B. 121,5 cm, T. 1,6 cm, Bu. 9 cm (A), 0,5 cm (B–E), 4 cm (F).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal in gotischer Majuskel (A), Kapitalis (B–F).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    Anno · d(omi)ni · 1576 · 25 · iv//lii obiita) · in · christo · reve//re(n)d(vs)b) · et · nobilis · vir · d(omi)n(v)s · // fridericvs · a · breitzke · h//vivs · ecclesiae · decanvs · // c(vi)(vs) · a(n)i(m)ac) · reqviescat · in · pace

  2. B

    S(ANCTVS)d) // MATHEVS E(VANGELISTA)

  3. C

    S(ANCTVS)d) IOHANNES // E(VANGELISTA)i)

  4. D

    · S(ANCTVS)d) · MARCVS ··

  5. E

    S(ANCTVS)d) LV//CAS E(VANGELISTA)e)

  6. F

    · HANS · MEISNER · GOS · MICH · ZV · BRAVNSCHWEIG · V(ERBVM) · D(OMINI) · M(ANET) · I(N) · AE(TERNVM)f) ·3)

Übersetzung:

A: Im Jahre des Herrn 1576 den 25. Juli starb in Christus der ehrwürdige und edle Mann, Herr Friedrich von Britzke, Dekan dieser Kirche; dessen Seele in Frieden ruhe. F: Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.

Wappen:
Britzke4).

Kommentar

Die Schrift wirkt gedrängt und zeigt eine ungleichmäßige Anbringung der Buchstaben. Die Oberlängen sind nur sehr kurz. Der Deckbalken des A ist geschwungen. Der Mittelbalken ist verdoppelt. Der Bogen des s ist im unteren Verlauf geschwungen, das v unten spitz geschlossen. Über dem Quadrangel an der Schaftspitze des i dient ein kleineres Quadrangel als i-Punkt. Nur eine kurze rechte Schräghaste hat das k und sein Balken kreuzt den Schaft. Das o läuft oben spitz zu, die Schaftspitze des t wird nach rechts abgeknickt, der Schaft des r von einem Zierstrich begleitet, der an unverbundenem Quadrangel der Fahne ansetzt. Die Bögen des s sind vollständig geschlossen, die Zierstriche verlaufen z. T. nicht schräg sondern gerade, das Bogenende wird nach links umgebogen. Das Schleifen-s kommt auch im Wortinnern vor und wird von Zierstrichen abgeschlossen, die an der Spitze nach links umgebogen sind. Die Bögen des a, h, p und g werden nicht mehr gebrochen, sondern sind rund. Das z hat die Form einer arabischen 3. Die Schaftspitze des q läuft nach unten spitz zu. Diese Schriftform neigt schon der Fraktur zu. Kürzungen befinden sich innerhalb der Schriftleiste. Die Schriftformen der Kapitalis in Inschrift B kennzeichnet ein M mit eingezogenem Mittelteil, das A mit flachgedecktem Deckbalken, der an beiden Seiten übersteht. Das W besteht aus zwei ineinandergestellten V. Als Worttrenner verwendete man Quadrangel und Längsrechtecke auf Zeilenmitte (A, B).

Der aus Nürnberg stammende Gießer Hans Meisner schuf zwei weitere Werke für den Halberstädter Dom.5) Seine Künstlersignatur wird, dem Glauben des Auftraggebers zum Trotz, mit einer protestantischen Devise beschlossen, die Rückschlüsse auf das Glaubensbekenntnis des Gießers zuläßt.6) Der Auftraggeber, Friedrich von Britzke, gilt als das Haupt der katholischen Parteiung des Domkapitels.7) Er stammte aus einem magdeburgischen Adelsgeschlecht mit Stammsitz im Kreis Jerichow.8) Seit 1516 gewählter Domherr zu Magdeburg, dort seit 1531 Minorpräbent und seit 1557 mit einer Majorpräbende versehen, in Halberstadt seit vor 1540, ist er 1551 bis 1571 und 1573 bis 1575 auch als Propst in Lebus belegt und wird 1564 und 1567 als Halberstädter Domdekan genannt.9) Nach dem Tod seines Vorgängers Huner von Sampleven hatte er am 1. April 1560 dieses Amt angetreten.10) Die Wahl zum Magdeburger Dompropst 1558 hatte er abgelehnt.11) Seit 1538 Archidiakon des Balsamgaus, standen ihm Einkünfte aus der Heilig-Geist-Kapelle in Hornburg und aus den zur Nicolai-Kapelle in Aschersleben gehörenden Ländereien sowie von Altären der Martini- und der Jacobikirche zu Gröningen zu.12) Er wohnte in einem Haus an der Nordseite des Domplatzes.13)

Textkritischer Apparat

  1. obiit] Der folgende Worttrenner in Form eines oblongen Rechtecks.
  2. reverendvs] Der folgende Worttrenner in Form eines oblongen Rechtecks.
  3. anima] Wegen des Kürzungsstriches fehlt der i-Punkt.
  4. SANCTVS] Durch nachfolgendes Quadrangel auf der Grundlinie gekürzt.
  5. EVANGELISTA] Durch nachfolgendes Quadrangel auf der Grundlinie gekürzt.
  6. AETERNVM] Es folgt das Gießerzeichen Hans Meisners; vgl. Taf. LXXXII, Nr. 9 und die Abb. bei Hartmann 1964, S. 220 f. Nr. 60 und BKD, S. 302 Nr. 7. Auf der Platte fehlt heute die linke Hälfte des oberen Balkens.

Anmerkungen

  1. Siehe dazu Nr. 216.
  2. Haber 1739, S. 36; Büsching 1819, S. 254; Niemann 1824, S. 28; vgl. auch Nr. 107 Anm. 1.
  3. Vgl. Is 40,8. Vgl. dazu auch unten Anm. 6.
  4. Ein sechsstrahliger Stern, HZ: drei Straußenfedern über einer Helmkrone; vgl. Siebmacher Sa, S. 22 und Taf. 23 als altmärkischer Adel angegeben; ebd. Pr, S. 99 und 129 als „anhalt’scher Uradel“ bezeichnet; ebd. AnhA, S. 11 mit Taf. 5; ebd. PrE, S. 30 mit Taf. 24.
  5. Zur Person des Gießers Hans Meisner siehe Nr. 203 und Anm. 4, Nr. 208.
  6. Vgl. Stopp 1969, S. 123–135; DI 42 (Einbeck), S. XXI Anm. 38. Vgl. dazu auch Fuhrmann 2006 b, S. 271 f.
  7. Vgl. Langenbeck 1886, S. 55. Siehe zu Friedrich von Britzke auch Neumann 1900, S. 42–48.
  8. Vgl. Ledebur Bd. 1, S. 107; Kneschke Bd. 2, S. 77; GS Magdeburg Bd. 1, S. 565.
  9. Vgl. GS Magdeburg Bd. 1, S. 565; nach Lentz 1749, S. 309; UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 471 S. 548 und Register S. 583. Zu seinem Testament vgl. UB St. Johann, Nr. 553 S. 474, Nr. 595 S. 497 f.
  10. Neumann 1900, S. 43. Vgl. Nr. 203.
  11. Vgl. GS Magdeburg Bd. 1, S. 565.
  12. Nebe 1880, S. 115, 162 f., 189.
  13. Vgl. BKD, S. 224. Zu seinem Testament siehe Neumann 1900, S. 44–48.

Nachweise

  1. Haber 1739, S. 36 (A).
  2. Neumann 1900, S. 44 (A).
  3. BKD, S. 302 f. (B).
  4. Fuhrmann 2006 b, S. 272 mit Abb. 20–21 (F).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 215 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0021500.