Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 196 Dom, Textilsaal 1. H. 16. Jh.

Beschreibung

Kasel, Domschatz Inv. Nr. 192;1) roter Seidensamt, Futter feines, braunes Leinen gestärkt, auf dem Rücken ein Kaselkreuz aus Goldbrokat mit Figur des heiligen Antonius Eremita in Reliefstickerei mit Stab und Buch in Händen, hinter ihm hervorlugend ein Schwein, auf die linke obere Seite des Gewandes der Buchstabe bzw. das Zeichen aus Silberblech genäht, zu den Seiten des Kaselkreuzes zwei Vollwappen. Kette an einigen Stellen gebrochen, Reliefstickerei teilweise abgeschabt, sonst gut erhalten, 1982 restauriert.

Maße: H. 126 cm, B. 89 cm, Bu. 3,3 cm.

  1. T

Wappen:
Brandenburg2), Zollern3).

Kommentar

Ob es sich bei dem Silberblechgebilde überhaupt um einen Buchstaben handelt, ist zu bezweifeln. Da aber das Taukreuz als Attribut des Hl. Antonius Eremita die Form eines kapitalen T hat, wird es hier behandelt. Das untere Schaftende ist ausgestellt, die Balkenenden leicht nach innen gebogen.

Ob die Kasel diejenige Friedrichs IV., Erzbischof von Magdeburg und Administrators von Halberstadt († 1552), war bzw. seine Stiftung, wie verschiedentlich behauptet wurde,4) läßt sich nicht mehr mit Gewißheit sagen.5) Seine beiden unmittelbaren Vorgänger stammten ebenso aus dem Hause Brandenburg wie sein Nachfolger.6) Der Gewandschnitt der Kasel ist im gesamten 16. Jahrhundert zu finden.7) Für Kardinal Albrecht von Brandenburg und seinen Koadjutor und späteren Administrator Johann Albrecht als Stifter spricht einerseits die Darstellung eines Heiligen auf dem Kaselkreuz, da ihre beiden Nachfolger zumindest in ihren religiösen Überzeugungen schwankend, wenn nicht gar schon protestantisch waren. Besondere Vorlieben für bestimmte Heilige, etwa Erasmus und Mauritius, kennt man von Kardinal Albrecht, der sich als Heiliger porträtieren ließ;8) eine für Antonius Eremita ist nicht bekannt. Vielleicht hing die Stiftung der Kasel aber auch mit der Beliebtheit dieses Heiligen als Pestpatron am Ende des 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts im Kontext der Armenfürsorge und Krankenpflege zusammen, wie Stiftungen in der Halberstädter Diözese zeigen.9) Eine Kommisson zu Ehren des Hl. Antonius war im Jahr 1475 am Karlsalter des Halberstädter Doms eingerichtet worden, die auch in den folgenden Jahren bestiftet wurde.10)

Anmerkungen

  1. Lucanus 1866, S. 54 f. unter Nr. 23 und 27; Nebe 1889/1890, S. 85 f.; Zschiesche 1895, S. 153; Hermes 1896, S. 114 f. mit Abb.; BKD, S. 282; Doering 1927, S. 70; Meyer 1936, S. 18; Hinz 1964, S. 191 f.
  2. Vgl. Siebmacher Souv3, S. 11 f. mit Taf. 17.
  3. Ebd., S. 99 ff. mit Taf. 110 ff.
  4. Schon Lucanus 1866, S. 54 f. nennt sie, ohne Belege, „die Kasel des Bischofs Friedrich“, gibt aber als Jahr 1500 an; Nebe 1889/1890, S. 86 folgt ihm darin, merkt aber in Anm. 2 an, daß „seine unmittelbaren Vorgänger ... ebenfalls Markgrafen von Brandenburg“ waren; auch Zschiesche 1895, S. 153 und Hermes 1896, S. 114 wie auch Doering 1927, S. 70 schreiben die Kasel Friedrich zu, Hinz 1964, S. 191 differenziert und nennt „die vier brandenburgischen Bischöfe von Halberstadt“, präferiert aber auch Friedrich III. (IV.).
  5. Vgl. zu Friedrich von Brandenburg Gatz 1996, S. 202 (Josef Pilvousek); siehe zu seiner religiösen Einstellung, seinem Tod und Grabmal Fuhrmann 2006 b, S. 260–266; Nr. 201, 202.
  6. Albrecht von Brandenburg, Administrator (1513–1545), Johann Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Koadjutor (1523–1545), Administrator (1545–1550), Sigismund von Brandenburg (1552–1566); Gatz 1996, S. 13–16 (Friedhelm Jürgensmeier), ebd., S. 337 f. (Josef Pilvousek), ebd., S. 665 (Josef Pilvousek).
  7. Stolleis 2001, S. 20 ff.
  8. Tacke 1992, S. 87; Reber 1990 b, S. 87 ff.; Biermann 1975, S. 251 ff.
  9. So z. B. LHASA Magdeburg, Rep. U 5, XIII Nr. 255 (1502 V 4); vgl. LCI Bd. 5, Sp. 205–210 (K[arl] G[eorg] Kaster).
  10. LHASA Magdeburg, Rep. U 5 XVII e Nr. 11 (1475 VI 1); ebd., XVII b, Nr. 78, Nr. 37 (1475 VI 2); ebd., XVII d Nr. 11 (1474 VI 27); ebd., XVII a Nr. 14 (1484 V 24).

Nachweise

  1. Abb. Hermes 1896, S. 115.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 196 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0019609.