Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 166 Dom, Vierung A. 16. Jh., 1510

Beschreibung

Lettnerhalle,1) in der Vierung vor der westlichen Chorschranke, dreijochig; Sandstein, die Fassung teilweise wohl das Ergebnis von Restaurierungen. Die mit einer Brüstung versehene Empore wird von einer mit Maßwerkornamentik und Fialen verzierten Spitz- und Kielbogenarkatur getragen. In den drei Jochen Netzgewölbe. Vier reliefierte und farbig gefaßte Schlußsteine des südlichen Joches zeigen die Evangelistensymbole, auf Spruchbändern die Namenbeischriften (A–D) schwarz auf Gold aufgemalt. Auf den zierlichen Pfeilerkonsolen unter Baldachinarchitekturen vor Maßwerkblendfenstern vollplastische Heiligenfiguren, am südwestlichen Pfeiler nach Süden auf sechseckigen Konsolen, teilweise beschädigt, Cosmas und Damian, in zeitgenössischer Ärztetracht mit Kappe, Schaube (Mantel) mit pelzbesetztem Aufschlag, Cosmas in der Linken ein Kästchen haltend, in der Rechten des Damian eine Phiole, in seiner Linken ein Buch. Jeweils am unteren Konsolenrand einzeilig erhaben ausgeführt die Namenbeischriften mit den Jahreszahlen (E, F). Bei der Skulptur des Hl. Damian soll sich ehemals ein verschlungenes, aus zwei vertikal übereinander angebrachten G bestehendes Zeichen (Monogramm?) (G) befunden haben.

Inschrift G nach der Abzeichnung bei Büsching.

Maße: Schlußsteine: D. 31,8–34 cm, Standbilder: H. 106,5 cm bzw. 107 cm, B. ca. 32 cm, T. ca. 19 cm bzw. 30 cm, Bu. 2,2 cm (A), 1,8 cm (B), 1,5 cm (C), 1,6 cm (D), 2,5 cm (E), 2 cm (F).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien in gotischer Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    S(anc)t(us) // lu//cas

  2. B

    S(anc)t(us) // marc//vs

  3. C

    [S(anc)t(us)] // ma//theus

  4. D

    S(anc)t(us) [I]oha//nes

  5. E

    S(anctus) / Cosmas / 1510

  6. F

    [S(anctus) · Da]mia(nus)a) / 1510

  7. G †

    G Gb)

Übersetzung:

A–F: Der heilige Lukas. Der heilige Markus. [Der heilige] Matthäus. Der heilige Johannes. Der heilige Cosmas 1510. Der heilige Damian 1510.

Kommentar

Die Inschriften A bis D scheinen nicht mehr zum originalen Buchstabenbestand zu gehören, weshalb sich eine Schriftbeschreibung hier erübrigt. Die Bögen des C in der Inschrift E sind zu einem verdoppelten Schaft aufgelöst. Das C gleicht in der Anlage dem E in Nr. 156 (†). Der rechte obere Bogenabschnitt des doppelstöckigen a der Inschriften E und F setzt geschwungen an und wird anschließend nach rechts abgeknickt und weiter aufgelöst. Die Bögen der us-Kürzung sind sehr eckig gestaltet und laufen spitz aus. Der Bogen der 5 ist sehr langgestreckt und kaum gebogen.

Die Kommende der Heiligen Cosmas und Damian war 1484 zusammen mit derjenigen der Hl. Petrus und Paulus aus dem Testament des 1474 verstorbenen Dompropstes Heinrich Gherwen durch dessen Testamentsvollstrecker Dompropst Balthasar von Neuenstadt und Dekan Johann von Querfurt am Altar des heiligen Nikolaus eingerichtet worden.2) Die Zwillinge und Ärzte Cosmas und Damian, die Kranke unentgeltlich heilten, sollen 303 in Kilikien das Martyrium erlitten haben.3) Die beiden verschlungenen Buchstaben, die zuerst 1817 erwähnt werden und sich an der Figur des hl. Damian befunden haben sollen, sind als Zeichen des ausführenden Künstlers gedeutet worden, und zwar ohne daß explizit ein Künstlermonogramm postuliert wurde, das aber wohl gemeint war.4) Mit der Einstellung der Skulpturen dürfte der Lettner 1510 vollendet worden sein. Die Schlußsteine werden, wie der Lettner insgesamt, zu Beginn des Jahrzehnts fertiggestellt worden sein.5)

Textkritischer Apparat

  1. Damianus] Kürzung durch Kompendienstrich und us-Kürzung.
  2. GG] E Niemann 1824.

Anmerkungen

  1. Vgl. zur Lettnerhalle Büsching 1819, S. 237 f.; Niemann 1824, S. 20; Elis 1857, S. 83; Elis 1883, S. 47; Hermes 1896, S. 57 mit Abb. S. 58.; BKD, S. 264; Doering 1927, S. 45 mit Abb. 39 f.; Giesau 1929, S. 42 f. mit Abb. S. 73.; Hinz 1964, S. 90–94 mit Abb. S. 93, 96; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 30, 52 mit Abb. 31; Findeisen 1996, S. 56 mit Abb. S. 48 f.
  2. LHASA Magdeburg, Rep. U 5, XVIIe Nr. 86; vgl. zu Gherwen Nr. 107.
  3. Vgl. LCI Bd. 7, Sp. 344–352 (W[olfgang] Artelt).
  4. Vgl. Taf. LXXXII, Nr. 6; Büsching 1819, S. 238; Niemann 1824, S. 20; BKD, S. 264.
  5. Vgl. Doering 1927, S. 45; Giesau 1929, S. 42; Hinz 1964, S. 90 mit Abb. S. 79; Findeisen 1996, S. 56 nach der älteren Literatur 1510.

Nachweise

  1. Büsching 1819, S. 238 (E–G).
  2. Niemann 1824, S. 20 (G).
  3. BKD, S. 264 (G) mit Fig. 85.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 166 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0016602.