Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 162 Dom, Kreuzgang 1509

Beschreibung

Kreuzigung mit Stifterdarstellung; im nördlichen Kreuzgang im 12. Joch von Osten an der Nordwand in die Wand eingelassen und von mehreren Eisenhaken gehalten; Sandstein, Relief, hochrechteckig, auf doppelt gekehlter Konsole. Corpus Christi an Dreinagelkreuz und rechts und links davon zwei kleine Reliefplatten mit Stifterdarstellungen, fast vollplastisch. Unter dem Kreuz links Maria, die Hände vor der Brust gekreuzt, rechts Johannes, mit der Rechten sein Gewand raffend, in der herabhängenden Linken ein Buch; den Kreuzesstamm mit beiden Armen umfangend in der Mitte Maria Magdalena mit offenem Haar und bänderumwundener Haube. Auf dem Spruchband am Kreuzhaupt zeilenweise erhaben ausgeführt der Kreuztitulus (A), dreifach in pseudohebräisch und lateinisch. Auf den seitlich angefügten Reliefs die Stifter, links Friedrich von Hoym in einem maßwerkverzierten Betstuhl kniend und betend, vollbärtig, in voller Rüstung, Harnisch mit Stoßkrägen, Beintaschen, Arm- und Beinzeug, das Schwert an der Linken, am Fuß des Betstuhls sein Vollwappen, rechts seine Frau, Margareta von Stutternheim, kniend im langen Gewand mit Rise, Gebende und Kopftuch, in den gefalteten Händen einen Rosenkranz, in der Mitte der Konsole ihr Wappen. Auf dem Postament des Betstuhls erhaben die Namensinitialen bzw. der Name (B, C), auf der abgefasten Konsole des rechten Reliefs der vom Wappen unterbrochene, eingehauene Name der Stifterin, unter dem Wappen die erhaben ausgehauene Jahreszahl (C).

Maße: H. ca. 305 cm, B. 194 cm, T. 22,5 cm, Bu. 3,5 cm (A), 2,5 cm (B, C).

Schriftart(en): Frühhumanistische Kapitalis (A, B, C), gotische Minuskel (A) mit Versal, pseudohebräische Buchstaben (A).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    IHESVS1) · NAZAREN(VS) · REX · IVDEORVM / Jhesvs · nasaren(us) · rex · ivdeorvm2)

  2. B

    F(RIDERICH) · V(AN) · H(OYM) ·

  3. C

    MARGA(R)ETA // VA(N) · STOTTERNHEYM / 1509

Übersetzung:

A: Jesus aus Nazareth, der König der Juden.

Wappen:
Hoym3), Stutternheym4).

Kommentar

Die frühhumanistische Kapitalis der Inschrift C ist durch einen starken Wechsel von Haar- und Schattenstrichen, z. B. an N und V gekennzeichnet sowie durch feine Serifen bzw. ausgestellte Hasten- und Balkenenden. Selten finden sie sich an den Bogenenden. Der Balken des H kommt nach oben und unten ausgebuchtet aber auch ganz ohne Bügel leicht schräg verlaufend vor. Die seitlichen Hasten des M stehen gerade, der Mittelteil ist bis auf die Grundlinie herabgezogen. Die Schäfte des A sind teils leicht nach innen gebogen. Die Cauda des R verläuft lang und gerade. Der Bogen ist proportional zum Gesamtbuchstaben klein. Bögen des epsilonförmigen E treffen sich nur am Bogenende, diejenigen des S werden stark eingerollt. D ist links offen und ohne Schaft gestaltet, nur aus einem Bogen bestehend. Z weist einen Balken auf. Der J-Versal der gotischen Majuskel wird unter die Grundlinie verlängert und zeigt einen ganz leichten Schwellbogen in der Schaftmitte.

In Inschrift A kann als typisch das h gelten, dessen Bogen unter die Grundlinie verlängert und nach rechts oben umgebogen wird; weiter das abgeschlossene s und doppelstöckige a. Der linke Schaft des x verläuft gerade, der rechte hingegen schräg. Der Buchstabe wird oben nach links, unten nach rechts umgebogen, und er weist einen Balken auf, der die beiden Schäfte durchschneidet. Die us-Kürzung ist in beiden Alphabeten etwas eckig gestaltet. Als Worttrenner benutzte man Quadrangel und ausgezogene Quadrangel auf Zeilenmitte. Offenbar versuchte man durch die verschiedenen Buchstabenformen des Kreuztitulus die nach dem Johannesevangelium angebrachten verschiedenen Sprachen zu charakterisieren. Neben (Pseudo-)Hebräisch muß mangels Griechischkenntnissen die Frühhumanistische Kapitalis dieses Alphabet vertreten haben.

Die Kreuzigung gehört zu einer Gruppe von Werken, die einem um 1510 schaffenden Meister zuzuschreiben sind; vgl. Nr. 156 (†), 163, 165.5) Vermutlich war sie, wie die Beweinung Nr. 165, Teil eines zumindest geplanten Stationszyklus.6) Der Stifter Friedrich von Hoym ist seit 1460 urkundlich belegt.7) Er hielt neben Burg und Stadt Ermsleben zeitweise auch die Burg Langenstein sowie Schloß, Stadt und Gericht Oschersleben in Pfandbesitz.8) 1492 und 1495 stiftete er als Stiftshauptmann und bischöflicher Rat in der Kapelle der Pfarrkirche zu Ermsleben einen Altar und richtete das Stundengebet ein.9) Urkundlich läßt er sich zuletzt 1502 nachweisen.10) Er starb im Jahre 1510.10) Weitere durch seine Initialen gesicherte Stiftungen sind die nahezu identische Kreuzigung im Kreuzgang von Liebfrauen aus dem Jahr 1508 sowie im Dom die Figur der Heiligen Katharina von 1509 am 7. südlichen Langhauspfeiler von Osten.11)

Anmerkungen

  1. Die über dem Titulus befindliche erste Zeile ist mit pseudohebräischen Buchstaben angefüllt.
  2. Io 19,19.
  3. Von Rot und Schwarz dreifach geteilt, HZ: Flug; abweichende Tinkturen bei Siebmacher SaA, S. 78 mit Taf. 78.
  4. Zwei mit den Rücken gegeneinandergekehrte Mondsicheln; vgl. Siebmacher SaA, S. 164 mit Taf. 107.
  5. Vgl. Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 52. Weitere Werke dieses Künstlers befinden sich in Liebfrauen; vgl. BKD, S. 349 f. Nr. 1 (Anna Selbdritt und Johannes der Täufer), Nr. 4 (Kreuzigung). Siehe dazu DI 86 (Stadt Halberstadt).
  6. Vgl. Hermes 1896, S. 28.
  7. LHASA Magdeburg, Rep U 5, XVII f, Nr. 274.
  8. Ebd., IX, Nr. 193 f.; ebd., Nr. 200 f.
  9. LHASA Magdeburg, Rep. Cop. 495, fol. 189v–191v, fol. 210v–212v.
  10. Ebd., fol. 92v–93v.
  11. Vgl. Nr. 163. Vgl. dazu BKD, S. 350 f. Nr. 4 (Kreuzigung). Siehe dazu DI 86 (Stadt Halberstadt), Nr. 69, 70. 75–78.

Nachweise

  1. Elis 1857, S. 111.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 162 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0016204.