Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 155 Dom, Vierung E. 15./A. 16. Jh.

Beschreibung

Standbild der hl. Maria Magdalena;1) am südöstlichen Vierungspfeiler; Sandstein, Beschädigungen an der Konsole, Reste einer Farbfassung. Auf einer polygonen Blattkonsole ruhend, unter einem Baldachin, in ein faltenreiches, den Oberkörper betonendes Gewand und einen von Tasseln (Rosetten) gehaltenen Mantel gekleidet, das Haar offen unter einer orientalisierenden turbanähnlichen, von einer Rosette geschmückten Kopfbedeckung, mit der Rechten das Gewand haltend, in der Linken ein Salbgefäß. Auf der Sockelplatte beiderseits des Stifterwappens mit schwarzem Farbauftrag der erhaben ausgehauene Titulus.

Maße: H. ca. 250 cm (mit Baldachin ca. 350 cm), B. ca. 60 cm, T. ca. 40 cm, Bu. 6,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/3]

  1. [S(ancta) ma]riaa) // magdale[na]

Übersetzung:

Die heilige Maria Magdalena.

Wappen:
Wenden2).

Kommentar

Der linke Teil des gebrochenen oberen Bogens des a ist gerundet und verläuft geschwungen. Er reicht mit seinem oberen Teil weit in den Oberlängenbereich.

Die Beschädigungen an der Konsole sind wahrscheinlich auf eine Versetzung der Skulptur zurückzuführen. Sie wurde wegen der Anbringung des Epitaphs für den Domdekan Kaspar von Kannenberg (vgl. dazu Nr. 249) 1606 vermutlich versetzt, wie eine Eintragung im Tagebuch von Kannenbergs Nachfolger Matthias von Oppen nahelegt.3) Der Schöpfer des Epitaphs, der Bildhauer Ludolf Bartels, wollte „auff seine Unkosten das Bieldt am Pfeiler ein wenig … verrücken“. Dieses [Stand]Bild kann nur dasjenige der Maria Magdalena gewesen sein. Stifter der Skulptur war ein Angehöriger des Geschlechts derer von Wenden, wie aus dem Wappen zu schließen ist. Eigentlich kommen nur die Brüder Eckhart und Riddag von Wenden in Frage. Jener ist als Halberstädter und Hildesheimer Domherr, auch Propst des dortigen Domes und des Heilig Kreuz Stiftes für die Jahre 1438 bis 1479 bzw. 1488 belegt, dieser, ein Knappe, ist in der Zeit von 1451 bis 1492 nachgewiesen.4) Riddag von Wenden hatte 1489, nach dem Tode seines Bruders, dem Halberstädter Dom ein Glockenläuten gestiftet.5) So mag die Stiftung des Bildnisses der Maria Magdalena, das stilistisch in die Zeit um 1510 datiert wird, nach 1489 bzw. in den Jahren nach 1500 u. U. auch testamentarisch geschehen sein.6)

Textkritischer Apparat

  1. maria] Sämtliche erhaltenen Buchstaben sind an der Unterseite, teilweise auch in ihrem weiteren Verlauf beschädigt. Das Epitheton wurde nach dem Befund der Inschriften an den 1510 entstandenen Skulpturen des Cosmas und Damian am Lettner ergänzt.

Anmerkungen

  1. Vgl. zum Standbild Haber 1739, S. 29; Hinz 1964, S. 75; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 51 f.; Elis 1857, S. 83 und BKD, S. 264 halten die Skulptur für eine Darstellung der Heiligen Barbara.
  2. In Schwarz zwei goldene Sparren, allseits begleitet von goldenen Lindenblättern; vgl. die abweichenden Tinkturen Siebmacher BraA, S. 103 mit Taf. 63.
  3. Mülverstedt 1894, S. 25 Anm. 25; vgl. auch Ratzka 1998, S. 81.
  4. UB Stadt Hildesheim Bd. IV, VII und VIII Register; zu Eckhart auch UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 908 S. 203, Nr. 1033 S. 207–300; Lentz 1749, S. 306; RG V, Nr. 1615; RG VII, Nr. 1747; DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 192, 199. Im Domkapitel gab es außerdem um die Mitte des 15. Jahrhunderts einen Vikar namens Heinrich von Wenden, 1434 auch Heinrich von Einbeck alias von Wenden genannt, der aber schon vor 1470 verstorben sein muß und dessen Zugehörigkeit zu dem Adelsgeschlecht zweifelhaft ist; vgl. UB Stadt Halberstadt Bd. 2, Nr. 818 S. 127 f.; LHASA Magdeburg, Rep U 5, XII, Nr. 52; ebd., XVI f, Nr. 37, Nr. 177 und weitere Archivalien.
  5. Vgl. zur Läutestiftung Meibom 1605, S. 68; danach Zeiller 1653, S. 119; Lentz 1749, S. 306 f.
  6. Eine Korrektur testamentarischer Anweisungen für die Hildesheimer Stiftungen war noch 1506 vorgenommen worden; UB Stadt Hildesheim Bd. VIII, Nr. 488. Vgl. zur stilistischen Einordnung Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 51 f.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 155 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0015509.