Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 152 Dom, Textilsaal 2. H. 15./A. 16. Jh.

Beschreibung

Dalmatik des Melchior Duwel († vor 1511 V 2), Domschatz Inv. Nr. 283;1) weißer Seidendamast mit Granatapfelmuster, an Saum und Ärmeln ein 20 bzw. 15 cm breiter Streifen aus grünem Seidensamt mit Granatapfelmuster angesetzt, die seitlichen Gewandschlitze unterhalb der Armansätze außen mit Kölner Borte und innen mit roter Seide besetzt, am Halsausschnitt ein Seidenripsbörtchen, Leinenfutter. Besatzstäbe aus Kölner Borte mit eingewebten Lebensbaum- und Pflanzenmotiven und Inschriften verziert: auf den Querriegeln der Vorder- und Rückseite die Heiligennamen (A, D) zweizeilig und auf den Längsstäben der Vorderseite (B, C) und der Rückseite (E–G) die Anrufungen und Buchstaben. Der viermal wiederholte Stifter- und Besitzvermerk ist zweizeilig eingestickt. Auf der Vorderseite im Bauchbereich ist das Gewand mehrfach ausgebessert und z. T. neu unterlegt.2)

Maße: H. 120,5 cm, B. 161,3 cm (mit Ärmeln), Bu. 4 cm (A, D), 2–2,3 cm (B, C, E–G, Anrufungen), 1,7 cm (B, C, E–G, Buchstaben und Besitzvermerk).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Joachim Fritz) [1/1]

  1. A

    sanctus / sixtus

  2. B

    ihesus // melchior / duuel // ihesus // maria // m // ihesus

  3. C

    ihesus // maria // m // ihesus // maria

  4. D

    sanctus / steffan(us)

  5. E

    maria // m // ihesus // maria // ihesus / melchior / duuel

  6. F

    maria // ihesus // melchior // duuel / ihesus

  7. G

    ihesus // melchior / duuel // ihesus // maria // m // ihesus

Übersetzung:

A: Der heilige Sixtus. D: Der heilige Stephanus.

Kommentar

Die Schäfte, Balken und Bögen der Buchstaben sind von Zacken begleitet. Der senkrechte Teil des gebrochenen unteren Bogens des doppelstöckigen a ist stark verkürzt. Am rechten Teil des gebrochenen oberen Bogens wird der linke runde Teil angeschlossen. Das lange s ist links einseitig gezackt. Der rechte Schaft des x wird zu einem Haarstrich reduziert, dessen oberes Ende in der Mitte zwischen Schaft und Balken endet und am linken unteren Ende des den Schaft abschließenden Quadrangels wieder austritt. Die gestickten Teile der Inschriften B und E–G sind dünner ausgeführt. Der Bogen des h wird weit unter die Grundlinie gezogen. Der zu einem Schrägstrich reduzierte Balken des e wird weit nach unten zum Schaft geführt und dort nach rechts umgebogen.

Die Anbringung eines zusätzlichen mittleren Längsstabes auf der Rückseite ist ungewöhnlich.3) Es scheint sich um eine Umarbeitung unter Verwendung bereits vorhandener Kölner Borten zu handeln. Kölner Borten der verwendeten Art kommen um die Mitte bzw. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vor.4) Der Besitzer und Stifter der Dalmatik, Melchior Duwel, in den Jahren 1494 bis 1507 nachweisbar, ist vor 1511 V 2 verstorben.5) Er war Kanoniker des Liebfrauenstifts in Halberstadt und als Vikar Diakon am Dom gewesen. Er hatte zur Feier des Hochamtes am Altar zu Ehren der Vierzehn Nothelfer „circa baptisterium“ in der Pfarrkirche St. Stephan zu Osterwieck (Kreis Halberstadt) 100 Gulden Kapital – vom Rat in Braunschweig herrührend – geschenkt, die fünf Gulden Zins brachten. Dafür mußte der Inhaber der Pfründe, deren Präsentationsrecht der älteste der Kalandsbrüder von Osterwieck innehatte, am Dienstag nach Invocavit und an St. Briccius die Anniversarien der Stifter halten. Vgl. auch Nr. 153 mit dem Gegenstück dieser Dalmatik, die ein Ensemble bildeten, das, wie die 1514 angeschafften Glocken (vgl. Nr. 178, 179), den Schutzheiligen des Doms gewidmet war.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Elis 1857, S. 81, der bemerkt, daß „zu den meisten Gewändern … die passende Stola und Manipel vorhanden“ seien; Scheffer 1864, S. 3 f.; Lucanus 1866, S. 61 unter Nr. 240; Nebe 1889/1890, S. 86; Hermes 1896, S. 111; BKD, S. 285; Hinz 1964, S. 193. Vgl. zur Kölner Borte Scheyer 1932, passim; Wilckens 1991, S. 143 ff.
  2. Zu den Restaurierungen Happach 1983, S. 385.
  3. Freundlicher Hinweis von Frau Dr. Karen Stolleis, Kronberg.
  4. Vgl. zum Beispiel Scheyer 1932, S. 103 Nr. 51 mit Abb. 51 (E. 15. Jh.), Sporbeck 2001, S. 54 f. Nr. 1 mit Abb. 1 a, 107 f. Nr. 18 mit Abb. 18 a, b (M. 15. Jh.), 117 ff. Nr. 21. 2 mit Abb. 21 a, b (um 1450), 154 ff. Nr. 30. 2 mit Abb. 30 a, b (M. 15. Jh.), 225 Nr. 57 mit Abb. 57 c (15. Jh.). Siehe zur Kölner Borte auch die Stola Inv. Nr. 345 (Nr. 79) und die unter Inv. Nr. 177 und 365 (Nr. 80, 81) verwahrten Manipel.
  5. Siehe auch zum Folgenden Halberstadt, Stadtarchiv, L Nr. 21 von 1511 V 2; die Stiftung wurde 1511 IX 11 vom Administrator des Stifts Halberstadt, Erzbischof Ernst von Magdeburg, bestätigt. Vgl. auch Der heilige Schatz 2008, Nr. 75 S. 266 (Gudrun Sporbeck).

Nachweise

  1. Elis 1857, S. 81 (A–G unvollständig).
  2. Scheffer 1864, S. 3 (A, G unvollständig).
  3. Lucanus 1866, S. 58 (A–G unvollständig).
  4. Der heilige Schatz 2008, Nr. 75 S. 266 f. mit Abb. (Gudrun Sporbeck).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 152 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0015208.