Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 109 Dom, Neuer Kapitelsaal um 1480

Beschreibung

Flügelaltar, Mitteltafel, Domschatz Inv. Nr. 415; die Predella mit den zwölf Aposteln jetzt im Depot aufbewahrt; Eichenholz, farbig gefaßt, in einem innen mittels Hohlkehle profilierten, ochsenblutfarbenen Rahmen mit schwarzen Rosetten, Fehlstellen eingetönt, der Predella fehlt der linke ausladende Teil. Vor einem (kaum noch ursprünglichen) Goldgrund Kalvarienberg, Christus am Kreuz mit Strahlennimbus. Drei Engel fangen das Blut der Wunden in Kelchen auf, unter dem Kreuz – sämtlich nimbiert – Maria und der Apostel Johannes umgeben von den Aposteln Petrus und Paulus sowie den Märtyrern und Kirchenpatronen Stephanus1) und Sixtus. In der Mitte des Kreuzbalkens der Kreuztitulus (A), auf den aufgeschlagenen Seiten eines Buches in Händen des Apostels Paulus die fragmentarische Inschrift (B) zeilenweise, schwarz auf Weiß gemalt.

Maße: H. 155,8 cm (mit Rahmen), B. 219,3 cm (mit Rahmen), T. 7,1 cm, Bu. 1,1 cm (A), 0,2–0,6 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Minuskelschreibschrift (B).

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. A

    i(hesus) n(azarenus) r(ex) i(udeorum)2)

  2. B

    [– – –] // Verba mea caro / fiunt o[...]a quid / Barn[.]air et / Di[..] [...] / [– – –]

Übersetzung:

A: Jesus aus Nazareth, der König der Juden. B: Meine Worte wurden Fleisch ….

Kommentar

Die Schrift der Inschrift A ist verhältnismäßig klobig. Die Schaftenden wurden nur nach links abgeknickt, die unteren Enden sind nicht umgebrochen sondern um 90° abgeknickt. Der vertikale Zierstrich ist nach unten gerade ausgezogen. Der Buchstabenbestand läßt keine Datierung zu.

Busch und Stange sahen den Meister des Hannoverschen Marktkirchenaltars als Schöpfer des Gemäldes.3) Gmelin bestätigt eine Ähnlichkeit, weist das Werk aber dem Meister des Meiendorfer Altars zu und setzt es in die Zeit um 1480.4) Das Retabel könnte nach seinem Bildprogramm mit demjenigen identisch sein, das Büsching am Altar im vorletzten Joch von Osten des nördlichen Seitenschiffs gesehen hat.5) Dann hätte jedoch 1817 eine andere Predella als heute dazu gehört, die „zehn heilige Frauen“ zeigte. Die heute als zugehörig betrachtete Predella mit den zwölf Aposteln befand sich damals entweder zusammen mit einer nicht näher bestimmbaren auf Goldgrund gemalten Kreuzigung im vorletzten westlichen oder im östlichsten Joch des südlichen Seitenschiffs unter der Tafel mit Szenen aus dem Leben der beiden Johannes, die ebenfalls dem Meister des Marktkirchenaltars zugewiesen wird.6)

Anmerkungen

  1. Es handelt sich nicht um Laurentius, wie Stange 1967–1978 Bd. 1, S. 128 glaubt.
  2. Io 19,19.
  3. Busch 1943, S. 71 f.; Stange 1954, S. 127 f.; Stange 1967–1978 Bd. 1, Nr. 787 S. 238.
  4. Gmelin 1974, S. 285 f.
  5. Büsching 1819, S. 248.
  6. Ebd., S. 247 f.

Nachweise

  1. Busch 1943, Abb. 234.
  2. Gmelin 1974, Abb. 781, 782.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 109 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0010904.