Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 89 Dom, Langhaus, nördliches Seitenschiff ca. 1434–1443

Beschreibung

Standbild der hl. Katharina, auf dem Katharinenaltar im westlichsten Joch des nördlichen Seitenschiffs, zu dem es auch früher gehörte,1) zeitweilig in der Altarnische des vierten Jochs von Osten im nördlichen Chorumgang auf der Altarmensa stehend bzw. in der Domsammlung im Neuen Kapitelsaal aufbewahrt;2) Sandstein, hell, leicht beschädigt, Reste einer Farbfassung erhalten. Auf halbrundem Sockel stehend die Heilige, eine Lilienkrone auf dem offen getragenen Haar, der Mantel von einer Nusche gehalten, mit der Rechten ein Schwert (ohne Parierstange und Knauf) sowie ein halbes Wagenrad haltend, in der Linken ein aufgeschlagenes Buch; am Sockel ein beschädigtes Stifterwappen sowie ein Hund, ein dreiblättriges Kleeblatt, ein dreiblättriger Löwenzahn und ein Esel.3) Auf dem Kronenreif erhaben ausgeführt umlaufend die Namenbeischrift.

Maße: H. 132 cm, B. ca. 72 cm, T. ca. 30 cm, Bu. 3,5 cm.

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. sa(n)cta · virgo · kate[r]ina ·

Übersetzung:

Die heilige Jungfrau Katharina.

Wappen:
Dotzem4).

Kommentar

Die Schrift ist schnörkellos. Bis auf den Bogenansatz des a und das ausgezogene Bogenende des e keine Zierstriche oder ähnliches, auch nur an einem der Quadrangel Ansätze von ausgezogenen Zierstrichen. Als Worttrenner dienen Quadrangel auf der Zeilenmitte.

Die Skulptur ist mit derjenigen identisch, die noch 1929 auf dem heute noch existierenden, ehemals in einer hölzernen Kapelle (Ziborium?) befindlichen Katharinenaltar gestanden hat, wie auch die nahezu identischen Maßangaben bezeugen.5) Haber und noch Doering hielten sie irrtümlich für eine bemalte Holzfigur.6) Nach Büsching, Elis und Giesau, der sie auf den Anfang des 15. Jahrhunderts datiert, handelte es sich jedoch um eine steinerne Skulptur.7) Marchand nimmt an, daß sie „mit bezeichnenden Abweichungen“ die „Kopie einer Madonna“ an der Außenseite der Annenkapelle der Braunschweiger Martinikirche sei.8) Diese entstand zwischen 1434 und 1438. Dieser Zeitraum wäre dann terminus post quem für das Katharinenstandbild. Dieselbe Autorin stellt weiter eine Verbindung der Skulptur zu zwei der Halberstädter Chorpfeilerfiguren – den Aposteln Johannes und Bartholomäus – her. Diese läßt Lehmann jedoch dem einzigen datierten Standbild des Zyklus, dem Andreas von 1427, um zwei Jahre vorausgehen.9) Alle vier Figuren zeigen am Sockel jeweils dasselbe Wappen (vgl. Nr. 82 zu Dotzem).10) Es handelt sich um eine Stiftung eines Mitgliedes der Familie von Dotzem. Wegen der fehlenden Helmzier am Wappen der Katharinenskulptur ist ein geistlicher Stifter zu vermuten. In den Urkunden des Domstiftes erscheint mit dem Domherrn Gerhard von Dotzem seit 1409 nur ein einziger dieses Namens. Er ist außerdem als Archidiakon von Quedlinburg, Propst des Halberstädter St.-Bonifatius-Stiftes und seit 1428 als Seniorkanonikus des Doms nachweisbar.11) 1438 fungierte er als Richter der Union des Halberstädter Klerus.12) Gerhard verfügte über ein größeres Vermögen. So kaufte er 1434 von den Herren von der Asseburg den halben Zehnten zu Wulferstedt für 500 Gulden, drei Jahre später lieh er dem Domkapitel für den Bischof 1000 Gulden.13) 1443 zahlten seine Testamentsvollstrecker 200 Halberstädter Mark an das Domkapitel, um eine Armenspende zu seinem Anniversar einzurichten.14) Die Kombination aus den Baudaten der Braunschweiger Annenkapelle und ihres Figurenschmucks mit den Lebensdaten des Stifters läßt eine Eingrenzung des Entstehungszeitraums der Katharinenstatue auf die Zeit zwischen ca. 1434 und 1443 zu.

Anmerkungen

  1. Vgl. Haber 1739, S. 33 f.; Büsching 1819, S. 248; Elis 1857, S. 56; BKD, S. 292; Giesau 1929, S. 45.
  2. Vgl. Hinz 1964, S. 128 Anm. 33.
  3. Der Hund bedeutet sowohl Treue als auch Bereitschaft zur Wachsamkeit und Kontemplation; vgl. LCI Bd. 2, Sp. 334 ff. (P[eter] Gerlach). Der Esel muß hier wohl als Zeichen der Enthaltsamkeit gedeutet werden; vgl. LCI Bd. 1, Sp. 684 (L[iselotte] Wehrhahn-Stauch). Klee gilt als Zeichen der Dreifaltigkeit, Löwenzahn steht für Christus und Maria; vgl. Behling 1964, S. 110, 140.
  4. Drei anstoßende schräggestellte Spickel schrägbalkenweise (beschädigt); vgl. UBHH Bd. 4, Taf. XXII Nr. 192 (Siegel des Gerhard von Dotzem).
  5. Vgl. BKD, S. 292 „1,35 m hoch“; Giesau 1929, S. 45; Müller 1795, S. 163 gibt an, auf dem Altar habe ein „Ritter St. Georgen gestanden“.
  6. Vgl. Haber 1739, S. 33 f.; BKD, S. 292.
  7. Vgl. Büsching 1819, S. 248; Elis 1857, S. 56; Giesau 1929, S. 45.
  8. Dazu und zum Folgenden Marchand 1925/26, S. 313 f., Scheffler 1925 und DI 35 (Stadt Braunschweig), Nr. 116; vgl. auch Nr. 82.
  9. Vgl. Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 47.
  10. Vgl. Giesau 1929, S. 45; Hinz 1964, S. 128 Anm. 33; Flemming/Lehmann/Schubert 1990, S. 47; siehe auch Nr. 82.
  11. Vgl. UBHH Bd. 4, Nr. 3267 S. 524 f., Nr. 3285 S. 535, Nr. 3304 S. 543, Nr. 3386 S. 607; LHASA Magdeburg, Rep. U 5 VI Nr. 15 a, ebd., IX Nr. 159, Nr. 161, Nr. 165; ebd., XVII b Nr. 6; ebd., XVII f Nr. 15.
  12. UB S. Bonifacii et S. Pauli, Nr. 187 S. 455 ff.
  13. LHASA Magdeburg, Rep. U 5 IX Nr. 159, Nr. 165.
  14. LHASA Magdeburg, Rep. U 5 XVII f Nr. 15.

Nachweise

  1. Abb. Marchand 1925/26, S. 312.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 89 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0008907.