Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 64 Dom, südlicher Chorumgang A. 15. Jh.

Beschreibung

Bildfenster süd V;1) ehemals in Fenster nord V (Dionysiusfenster) und süd VIII (Stephanusfenster); Farbglas, Schwarzlot, verschmutzt, korrodiert, sonst gut erhalten, Teile, darunter auch Inschriften, im Jahr 1898 erneuert bzw. ergänzt.2) Vier Bahnen zu fünf Zeilen mit abschließenden Kopfscheiben und Maßwerkverglasung zeigen Szenen der Dionysius- und der Stephanuslegende; während die auf Stephanus bezogenen Scheiben keine Inschriften aufweisen, sind die Inschriften der beiden erhaltenen mittelalterlichen Scheiben des Dionysiusfensters, die Kreuzesmarter des Heiligen (1b) und seine Heilung eines Blinden (1d), ganz oder teilweise erhalten. Jeweils radiert bzw. aufgemalt auf Schriftbänder am unteren Bildrand die Bildbeischriften (A, C), um die Nimben umlaufend die Nameninschriften (B, D).

Maße: H. 748 cm (Scheiben 1b, 1d: ca. 90,4 cm), B. 257 cm (Scheiben 1b, 1d: ca. 52 cm), Bu. 5,5 cm (A), 1,6–2,3 cm (B), 4–4,2 cm (C), 2–2,4 cm (D).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien der gotischen Majuskel.

CVMA Deutschland Potsdam/Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (Renate Roloff) [1/3]

  1. A

    Dyonisi(us) pendit in cruce ·

  2. B

    Sanct(us)a) // dyonisius

  3. C

    [– – –]at cecu(m)b) ·

  4. D

    Sanctus pavlus apo[s]tolvs deic) ·

Übersetzung:

A: Dionysius hängt am Kreuz. B: Der heilige Dionysius. C: Der heilige Dionysius heilt einen Blinden. D: Der heilige Paulus, der Apostel Gottes.

Kommentar

Die Schrift weist auf die Werkstatt hin, die auch das Martins- und das Marienfenster geschaffen hat. Dafür spricht das geschlossene End-s, die fehlenden Brechungen der oberen Schaftenden des u, um es vom n zu unterscheiden. Diesen stumpfen Schluß der Schäfte zeigt jedoch auch das v.

Eva Fitz bemerkt, daß die Glassorten und die Ornamentik wie auch die Nimbenbeschriftungen auf diese Werkstatt verweisen.3) Nach ihren Forschungen weist das Dionysiusfenster durch seinen prominenten ehemaligen Standort (Chorumgang nord V) auf die Verehrung hin, die Dionysius in Halberstadt entgegengebracht wurde.4) Vermutlich war sein Kult schon mit der Gründung des Bistums unter dem Leiter der Mission, Hildegrim Bischof von Châlons sur Marne (802–827), nach Halberstadt transferiert worden. Das Heiligenfest wurde als hoher Feiertag gewürdigt und besonders seit dem 14. Jahrhundert gefördert. Aufgrund der Tatsache, daß sowohl eine Scheibe mit einer Darstellung vom Anfang der Legende (1 d) als auch eine von deren Ende (1 b) erhalten sind, die sonst nur in umfangreichen Bildzyklen vorkommen, nimmt Fitz an, daß sich ursprünglich in dem Fenster zwanzig Darstellungen befunden haben. Abweichend von der französischen Bildtradition scheinen die Motive aus der Legenda aurea zu stammen, wie besonders die Scheibe mit Dionysius’ Bekehrung durch die Heilung des Blinden nahelegt, die hier eben nicht Paulus sondern Dionysius vornimmt.

Textkritischer Apparat

  1. Sanctus] Sämtliche Buchstaben beschädigt.
  2. cecum] Heute ergänzt zu sanct · dyonisius cur.
  3. dei] v[ivi?] Ergänzt Fitz.

Anmerkungen

  1. Vgl. Fitz 2003, S. 227–230, 238–244, 343–349 mit Abb. 149–158 und Farbtaf. XI, XXIV mit der älteren Literatur.
  2. Chorumgang Bildfenster süd V, Scheibe 1 a, Die Enthauptung des Hl. Dionysius: dyoni(sius) capitem suu(m) portat // Sanctus // dyonisius. Chorumgang Bildfenster süd V, Scheibe 1 c, Dionysius wird verurteilt: dyonisius condemnatur // Sanctus · / · dyonisius ·.
  3. Fitz 2003, S. 230 f.
  4. Vgl. auch zum Folgenden ebd., S. 229 f.

Nachweise

  1. Fitz 2003, S. 239 f. mit Abb. 150–151 mit Farbtaf. XI.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 64 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0006403.