Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 75: Halberstadt Dom (2009)
Nr. 59 Dom, Depot 13./14. Jh.
Beschreibung
Knochen (Reliquie), Inv. Nr. 603/40;1) ohne Überlieferungszusammenhang; am erhaltenen Gelenkende ein Bindfaden, auf einer Seite aufgemalt die Reliquienbeischrift (A), auf der gegenüberliegenden in griechischen Buchstaben (B).
Maße: L. 11 cm, Bu. 0,6 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel (Textura) (A), byzantinische Minuskel mit Akzenten und diakritischen Zeichen (B).
- A
Minatis ducis / (et) m(arty)r(is)
- B
+ ὁ ἅγιοςa) Μηνᾶςb) ὁ ϰαλλιϰέλαδ[ος +]
Übersetzung:
A: [Reliquie] des Fürsten und Märtyrers Menas. – B: Der heilige Menas, der schöntönende.
Textkritischer Apparat
- OC über der Zeile.
- AC über der Zeile.
Anmerkungen
- Vgl. dazu: Janke 2006, Nr. 34. h S. 262.
- Vgl. Wimmer/Melzer 2002, S. 584 f.; LCI Bd. 8, Sp. 3–9.
- So auch in den byzantinischen Hymnen zum 10. Dezember (Analecta Hymnica Graeca, Canones Decembris, canon XVIII): ϰαλλιϰέλαδε Μηνᾶ.
- GEH, S. 121; UBHH Bd. 1, Nr. 449 S. 404.
- So z. B. Propst Konrad im Jahr 1145, Bischof Ulrich (1149–1160, 1177–1181) dann 1158, im Jahr 1195 Bischof Gardolph von Harbke (1193–1201) und Friedrich von Kirchberg (Bischof: 1209–1236) in den Jahren 1202–1205; vgl. Röhricht 1894, S. 25, 47, 83 f.; Gatz 2001, S. 220 (Walter Zöllner). Weitere Möglichkeiten in den Besitz von byzantinischen Reliquien oder anderen Gegenständen zu kommen, listet Malich 1982 auf.
Nachweise
- Janke 2006, Nr. 34. h S. 262.
Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 59 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0005909.
Kommentar
Die Schrift der Inschrift A ist breitstrichig, und die Bögen sind nur wenig aufgelöst, statt dessen oft gerundet, manche auch spitz umgeknickt. Das a wirkt wie eine Mischung aus unzialem A und doppelstöckigem a. Unziales d ist gedrungen. Gegenläufige Sporen weist das i auf. Das r zeigt eine geschwungene Fahne. Langes-S ist entweder gerundet oder abgeknickt.
Es handelt sich bei dem Knochen um eine Reliquie eines Hl. Menas, von denen es zwei gab, die größte Berühmtheit erlangten. Der eine war ein Soldat, der unter Kaiser Diokletian (284–305) um 295 in der Mareotis (Mariut bei Alexandria) das Martyrium erlitten haben soll und der später der bedeutendste Heilige Ägyptens wurde (Festtag: 11. November).2) Der andere Menas stammte aus der Oberschicht von Konstantinopel; von Kaiser Maximinus Daia (305–313) nach Alexandria entsandt, wurde er dort Bischof und erlitt 307 den Tod; er wurde in seiner Heimatstadt, wohin das Meer seinen Leichnam zurücktrieb, zusammen mit Eugraphos und Hermogenes als Märtyrer verehrt (Festtag: 10. Dezember). Das in der griechischen Inschrift enthaltene Epitheton ϰαλλιϰέλαδος („schönrauschend“) beweist, daß der Reliquienknochen aus Konstantinopel stammen muß, denn es bezeichnet den dort als Rhetor und Märtyrer verehrten Heiligen.3)
Vermutlich stammt die Reliquie von einem Kreuzzugsteilnehmer. In den Gesta Episcoporum Halberstadensium werden die Menas-Reliquien in Verbindung mit Konrad von Krosigk (1201–1208, † 1225) nicht eigens erwähnt, jedoch könnten sie unter denjenigen, die in der Wendung „et multe alie reliquie sanctorum martirum, confessorum atque virginum, quas enumerare longum esset“ erwähnt werden, enthalten gewesen sein bzw. zu den in der Schenkungsurkunde von 1208 genannten in „capsam magnam argenteam cum reliquiis infinitis“ aufbewahrten Reliquien gehört haben.4) Jedoch kommen auch andere Teilnehmer aus Halberstadt als Erwerber und Stifter in Frage, die im Orient gewesen sind.5) Die chronologische Einordnung nach Objekt und Schrift verweist ehestens auf das 13. Jahrhundert, jedoch kann eine Anbringung im 14. Jahrhundert nicht ausgeschlossen werden.