Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 29 Dom, Glockenhaus E. 13. Jh.

Beschreibung

Glocke, Bronze; Krone mit sechs Öhren, Kronenbügel von rundem, auf der Schauseite dreifach profiliertem Querschnitt, ein Bügel ausgebrochen, Kronenplatte abgesetzt, Haube leicht gerundet. Der Antiphonanfang an der Schulter umlaufend zwischen doppelten bandartigen Stegen in teilweise konturierter Schrift (zweilinig in den Glockenmantel geritzt, Konturen erhaben); am Wolm doppelter Rundsteg, Gewicht: ca. 300 kg, Schlagton: f2 + 6.1)

Maße: H. 57 cm, Krone 13 cm, D. 69 cm, Bu. 2,8 cm.

Schriftart(en): Gotische Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/2]

  1. +a) AVE · MARIA · GRA(CIA)b) · PL(EN)Ac) ·2)

Übersetzung:

Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade.

Kommentar

Den Schriftcharakter bestimmen folgende Buchstabenformen: symmetrisches offenes unziales M mit beidseitig nach außen umgebogenen Bogenenden, unziales, durch Zierstrich abgeschlossenes E, je zwei eingestellte, nicht parallel zur Kontur verlaufende Zierstriche im unzialen E und im G, ein R mit gerader, eines mit geschwungener Cauda aber ohne Verbindung von Bogen und Cauda zum Schaft, kapitales A mit beidseitig überstehendem Deckbalken. Kreise auf der Zeilenmitte dienen als Worttrenner.

Bei dieser Glocke könnte es sich um die im Volksmund Bratwurst genannte handeln, denn nur diese wird im Inventar von 1731 mit einer passenden Inschrift erwähnt.3) Zu Funktion, Herstellung und Werkstatt siehe Nr. 28.4) Die Datierung erfolgt hier nach den Schriftformen.5) Eine hinsichtlich der Doppelstege und der Schriftformen vergleichbare Glocke mit gleicher Inschrift ist aus dem Ort Alikendorf nordöstlich von Halberstadt im heutigen Bördekreis belegt, als deren Entstehungszeit Schubart das ausgehende 13. Jahrhundert annimmt.6) Ähnliche Schriftformen zeigt auch die Glocke in Kittendorf bei Malchin (Kreis Demmin MVP) von 1288.7)

Textkritischer Apparat

  1. Tatzenkreuz mit verbreiterten Kreuzarmen am Anfang der Inschrift.
  2. GRACIA] Unter der Oberlinie am Wortende ein Kürzungsstrich aus einem Balken und zwei ihn begrenzenden vertikalen Strichlein bestehend, die beide nach oben und unten über dessen Breite hinausragen. Es handelt sich nicht um mißratene Buchstaben, wie Peter/Bund annehmen.
  3. PLENA] 1505 fügt hinzu Jacobs nach LHASA Magdeburg, Rep A 15, Tit. D., Nr. 5. Der folgende Worttrenner im oberen Zeilendrittel mit einem Kreuz darin. Unter der Oberlinie am Wortende ein Kürzungsstrich, wie in Anm. b beschrieben.

Anmerkungen

  1. Nach Peter/Bund 1997, S. 335, Glocke VI und 348, Nr. 4; Peter 1999, S. 163, Glocke VII.
  2. Zum Ave Maria vgl. Nr. 28 Anm. 2.
  3. LHASA Magebeburg, Rep A 15, Tit. D, Nr. 5; vgl. auch Jacobs 1873, S. 509. Dagegen Peter/Bund 1997, S. 346 ff., die sie mit der Langhals identifizieren. Vgl. dazu auch Nr. 28.
  4. Peter/Bund 1997, S. 326 und 346 f.; Peter 1999, S. 124 f. Vgl. auch 28 mit Anm. 7 und Nr. 30.
  5. BKD, S. 268, Glocken der Heimat 1996, S. 7, Peter/Bund 1997, S. 326, 348 und Peter 1999, S. 123, 126 dehnen den Entstehungszeitraum auf das gesamte 13. Jh. aus. Das von Jacobs 1873, S. 509 ausgewertete Inventar von 1731 nennt ein angeblich inschriftlich belegtes falsches Gußjahr 1505. Vgl. zu dieser Glocke und ihrer Bestimmung Nr. 28.
  6. Vgl. Schubart 1896, S. 115 f.
  7. Vgl. Schilling 1988, S. 138 Abb. Nr. 241.

Nachweise

  1. LHASA Magdeburg, Rep A 15, Tit. D., Nr. 5 (MS Archiv 1505).
  2. Jacobs 1873, S. 509.
  3. Nebe 1876, S. 289.
  4. Hermes 1896, S. 25.
  5. BKD, S. 268.
  6. Hartmann 1964, S. 206.
  7. Peter/Bund 1997, S. 340.
  8. Peter 1999, S. 158.

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 29 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0002901.