Inschriftenkatalog: Dom zu Halberstadt

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 75: Halberstadt Dom (2009)

Nr. 24 Dom, Schatzkammer 2. V. 13. Jh.

Beschreibung

Kreuzreliquiar, Domschatz Inv. Nr. 51;1) Büffelhorn, gepreßt, Beschläge: Kupfer vergoldet mit blauem Grubenschmelz, Silber vergoldet, Nägel und Niete: Silber. Das rundovale Kästchen besteht aus einer flachen Sockelplatte, darauf befestigter Zarge und einem gewölbten, zu den Seiten hin gerundet abfallenden Deckel. Als Beschläge auf Zarge und Deckel fungierten acht gleich große Medaillons (Brakteaten) mit vier- und fünfblättrigen Blüten. Ein größeres in der Deckelmitte mit umlaufendem Palmettenfries geht in das Scharnierband über. Die Beschlagbänder sind mit Palmettenund Wellenbandfriesen geschmückt. Eine Verschlußöse auf dem Kupferbeschlagband an der Vorderseite schließt die Zarge zum Deckel hin ab. In Grubenschmelz blau auf Gold die Reliquienbeischrift. Das Reliquiar weist Anobienbefall auf, der Boden teilweise aufgelöst und mit einem Messingbeschlag geschlossen, vier Medaillons und das vordere Scharnierband sowie weiterer Schmuck fehlen.

Maße: H. 6,5 cm, B. 10,4 cm, T. 6 cm, Bu. 0,7 cm.

Schriftart(en): Romanische Majuskel.

SAW Leipzig, Inschriftenkommission (Hans Fuhrmann/Marion Gronemann) [1/1]

  1. + DE LIGNO · D(OMI)NI

Übersetzung:

Vom (Kreuzes-)Holz des Herrn.

Kommentar

Die Buchstaben sind breit geformt und enden in spitz auslaufenden Sporen an Hasten-, Balken- und Bogenenden. Der obere freie Bogenabschnitt des unzialen D liegt waagerecht. Er endet etwas verbreitert. Die Bogenenden und der Balken des unzialen E sind gleich lang. Der Mittelbalken weist keine Sporen auf. Einen verhältnismäßig langen, links vom Schaft spitz beginnenden und keilförmig verdickt endenden Balken sieht man am L. Der linke obere und der rechte untere Bogenabschnitt des O ist leicht verstärkt. Die Schattenachse der Bögen ist unregelmäßig gekippt; so nach rechts beim O und nach links bei G. Übereinstimmende Einzelheiten finden sich auch an den Kreuzbalken des Invokationskreuzes.

Sowohl Form als auch Material des ovalen und kästchenförmigen Reliquiars sind für Reliquienbehältnisse selten.2) Seine Entstehungszeit läßt sich schwer abschätzen. Hinsichtlich seiner Form bietet sich als Vergleichsstück ein ähnliches, aber hölzernes und silberbeschlagenes Reliquienkästchen im Xantener Dom aus dem 3. Viertel des 12. Jahrhunderts an.3) Der Brakteatenschmuck des Halberstädter Kästchens weist nach den Forschungen von Petra Janke auf die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts als Entstehungszeitraum hin.4) Jörg Richter setzt das Kästchen seiner Form nach in das 12. Jahrhundert und weist auf mehrere Zeitpunkte und Ereignisse hin, während derer das Stück nach Halberstadt gekommen sein könnte.5) Für eine Umnutzung als Reliquienbehältnis spricht die kupferne Inschriftenleiste, die auf der Vorderseite das ursprünglich umlaufende silberne Beschlagband ergänzt. Als Reliquiar könnte das Behältnis ausweislich seiner Schrift zeitnah zu den Reliquienerwerbungen – darunter Kreuzreliquien – Konrads von Krosigk auf dem Vierten Kreuzzug genutzt worden sein.6) Die Schrift läßt sich trotz der unterschiedlichen Herstellungsweisen besonders im Vergleich mit denjenigen der Triumphkreuzgruppe (Nr. 19) und des Karlsteppichs (Nr. 23), besonders aber derjenigen des Armreliquiars des Hl. Nikolaus (Nr. 20), auf das zweite Viertel des 13. Jahrhunderts datieren.

Anmerkungen

  1. Nebe 1889/1890, S. 90 f.; Zschiesche 1895, S. 158; Hermes 1896, S. 98; BKD, S. 274; Doering 1927, S. 68; Braun 1940, S. 128 f., 549; Janke 2006, Nr. 12 S. 193–195 mit Abb. 47.
  2. Braun 1940, S. 128 f., 160–162 mit Taf. 22 und Bild 74.
  3. Braun 1940, S. 160 mit Taf. 22 und Bild 74; Katalog Stuttgart 1977 Bd. 1, Nr. 558 S. 426, Bd. 2 mit Abb. 360; Katalog Köln 1985 Bd. 3, H 22 S. 100 f. mit Abb.
  4. Janke 2006, S. 195.
  5. Der heilige Schatz 2008, Nr. 11 S. 68 f. mit Abb. (Jörg Richter).
  6. GEH, S. 120.

Nachweise

  1. BKD, S. 274.
  2. Braun 1940, S. 128 f.
  3. Janke 2006, S. 193–195 mit Abb. 47.
  4. Der heilige Schatz 2008, Nr. 11 S. 68 f. mit Abb. (Jörg Richter).

Zitierhinweis:
DI 75, Halberstadt Dom, Nr. 24 (Hans Fuhrmann), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di075l003k0002409.