Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 350 Heilig-Geist-Hospital (Lange Str. 51) 1623

Beschreibung

Glocke. Bronze. An der Nordseite des Innenhofs unter einem Schutzdach. Die Glocke wurde aus der Kapelle des Neuen Heilig-Geist-Hospitals, das vor dem Steinbecker Tor lag und 1630/31 zerstört wurde, in das Alte Hospital in der Langen Straße gebracht.1) Auf der Flanke drei kleine Medaillons mit Reliefs. In einem Rahmen das die gesamte Flankenhöhe einnehmende herzogliche Vollwappen gehalten von zwei Wilden Männern. Die Wappenmatrize war jedoch zu groß für die Glocke, weshalb der Schildfuß und damit die unteren drei der neun pommerschen Teilwappen fehlen. Unterhalb der Schulter zwischen einfachen Stegen der größte Teil der Inschriften, oben und unten begrenzt durch ein Lorbeerband; unterhalb des Bandes die letzten neun Buchstaben der Inschrift B links und rechts des herzoglichen Wappens. Die erhaben gegossenen Inschriften sind weitgehend ohne Wortzwischenräume ausgeführt, der Textübergang von einer Zeile zur nächsten ist nicht gekennzeichnet. Worttrenner in Form von Quadraten und Rauten.

Maße: H. 25 cm (ohne Krone), 36 cm (mit Krone), Dm. 33,5 cm. Bu. 1 cm.

Schriftart(en): Kapitalis.

LAKD/AD, Fotosammlung [1/5]

  1. A

    ACH GOT BEHVT MICH ALLEZEIT VOR VNGLVK VND MEINR MISˑ/GONNR ˑ NEID ˑ DAN ˑ MEIN LEBEN WANDL VND ENDE STEL ICH ˑ Iˑ/N DEINE HENDE ˑ

  2. B

    V ˑ G ˑ G P I H Z S Pa) ˑ ANNO 16ˑ23 ˑ MICHEL BOLT ˑ Fb) ˑ / ˑ HAVSFOGET ˑ IVRGEN ˑ KIKEBVL ˑ Fc) ˑ LANREITETRd) ˑ M(EISTER)e) BENEDIˑ/CHTVS // HEIN

Wappen:
Stettin, Herzogtum2)Pommern, Herzogtum, TeilwappenKaschuben
WendenRügenUsedom, Herrschaft

Kommentar

Die Inschriften weisen durchgängig retrogrades D auf. Die Glocke wurde gestiftet von Herzog Philipp Julius von Pommern-Wolgast (1584–1625) und zweien seiner Amtsträger, dem herzoglichen Hausvogt Michael Bolt und dem Boten Jürgen Kikebul (B). Ein Hausvogt war der Verwalter der herzoglichen Haushaltung. Michael Bolt(e) wurde am 5. September 1614 in Wolgast (Ldkr. Vorpommern-Greifswald) mit Anna Burgmann getraut.3) Bei Jörges Kikebul und Barbara Höhtke, die am 9. November 1573 ebenfalls in Wolgast heirateten, handelt es sich möglicherweise um die Eltern von Jürgen Kikebul.4) Der seit 1583 nachweisbare herzogliche Glockengießer und Pulvermacher Benedikt Hein aus Anklam (Ldkr. Vorpommern-Greifswald) goss auch Glocken für weitere Orte in Vorpommern.5) Der Spruch (A) lässt sich an anderen Glocken bisher nicht nachweisen, er kann eher als typisch für Hausinschriften gelten, die häufig den Neid der Mitmenschen zum Thema haben.6)

Textkritischer Apparat

  1. Initialen aufzulösen als ‚Von Gottes Gnaden Philipp Julius, Herzog zu Stettin (und) Pommern‘.
  2. F] ‚Fürstlicher‘.
  3. Wie Anm. b.
  4. LANREITETR] Fehlerhaft für LANTREITER.
  5. Kürzungszeichen fehlt.

Anmerkungen

  1. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 1209; Biederstedt, Sammlung 1, S. 242, Anm. *.
  2. Zu den Wappen der einzelnen pommerschen (Titular-)Herrschaften vgl. die Einleitung, Kap. 5.4.
  3. Schubert, Trauregister 8, S. 40 (Nr. 1743).
  4. Schubert, Trauregister 8, S. 17 (Nr. 722).
  5. Zu Benedikt Hein vgl. Eichler, Glockengießer, S. 119.
  6. Vgl. dazu DI 45 (Stadt Goslar), S. XXIV, mit weiterer Literatur.

Nachweise

  1. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 1252.
  2. Baier, Denkmale, S. 134, Tf. 122.

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 350 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0035005.