Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 164† St. Nikolai 15.Jh.?

Beschreibung

Glocke.1) Sog. Rufglocke. Sie wurde 1856 in Greifswald und 1863 in Stettin (Szczecin)2) umgegossen. Auch dieser zweite Nachguss wurde 1930 neu gegossen, dabei wurde der Wortlaut der ursprünglichen Inschrift leicht verändert übernommen.3)

Inschrift nach Haselberg.

Maße: Dm. 126 cm (Haselberg).

  1. + VOX EGO VOX VITE VOCO VOS ORARE VENITE4)

Übersetzung:

Ich bin die Stimme, die Stimme des Lebens. Ich rufe euch, kommt, um zu beten!

Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.

Kommentar

Aufgrund der Schriftart („Minuskelinschrift“) und wegen äußerlicher Ähnlichkeiten datierte Pyl die Glocke in die Zeit der 1440 gegossenen Professorenglocke (Kat.-Nr. 123).5) Der Glockenspruch wurde auch auf anderen Glocken angebracht, die zwischen dem 13. und dem frühen 16. Jahrhundert entstanden.6)

Anmerkungen

  1. Höhe und Durchmesser jeweils ca. 120 cm (vier Fuß; vgl. Biederstedt, Denkwürdigkeiten, S. 11, Anm. 11), Gewicht 1058 kg (Haselberg, Kreis Greifswald, S. 119).
  2. Vgl. Peter, Glockeninventar (St. Nikolai), S. 1–3.
  3. Auf den ersten beiden Nachgüssen befanden sich die Inschriften RUFGLOCKE an der Schulter sowie VOX EGO SUM VITE VOCO VOS ORARE VENITE. (INSCHRIFT DER ALTEN RUFGLOCKE) an der Flanke (Peter, Glockeninventar [St. Nikolai], S. 4). – Bei Haselberg (1885) wird die Inschrift wohl nach dem Original wiedergegeben.
  4. Zu diesem Glockenspruch vgl. Anm. 5.
  5. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 317. Die Angaben bei Biederstedt, Denkwürdigkeiten, S. 12, Anm. 11, sind hinsichtlich der Schriftart nicht eindeutig. Ob die Wiedergabe der Inschrift bei Haselberg in Großbuchstaben auf Autopsie beruht und somit auf eine Inschrift in gotischer Majuskel schließen lässt, bleibt fraglich.
  6. Vgl. DI 8 (Landkreis Mosbach), Nr. 542, ‚Vox ego sum vite‘ (14. Jahrhundert); ebenso DI 54 (Landkreis Mergentheim), Nr. 6 (13. Jahrhundert), beide Glocken jedoch nicht erhalten. – DI 28 (Stadt Hameln), Nr. 26, ‚Vox mea sum vite‘ (1462); DI 39 (Landkreis Jena), Nr. 111 (1511, nicht erhalten) ‚Vox mea vox vite vos voco ad sacra venite‘.

Nachweise

  1. Biederstedt, Denkwürdigkeiten, S. 11f., Anm. 11.
  2. Haselberg, Kreis Greifswald, S. 119.
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 318.

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 164† (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0016409.