Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 138† Franziskanerkonvent St. Peter und Paul 1449–1456

Beschreibung

Grabplatte für den Bürgermeister Hinrich Rubenow und seine Ehefrau Katharina Hilgemann. Die Platte lag ehemals im Chor der Franziskanerkirche in der Nähe des Hochaltars. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde sie an der nördlichen Chorwand aufgestellt.1) Im Jahr 1737 von Augustin Balthasar zuletzt beschrieben, konnte sie bereits 1743 von Jacob Heinrich Balthasar nicht mehr aufgefunden werden.2) Auf der Platte waren die Verstorbenen in Ritzzeichnung oder im Flachrelief dargestellt. Hinrich Rubenow hielt Spruchband C, seine Ehefrau Spruchband D in den Händen. Über Position und Ausführung der Inschriften A und B liegen keine Angaben vor.

Inschriften nach Cramer.

  1. A

    Hic jacet egregius Vir Dominus Heinricus Rubenow Legum Doctor eximius Decretorum Baccalaureus Proconsulq(ue)a) et Syndicus hujus oppidi nec non Consiliarius Domini Ducis Wartislai ac fidelis Procurator hujus monasterijAnno Domini M CCCC LXIII In vigilia circumcisionisb)

  2. B

    Hic jacet uxor ejusc) Catharina filia Domini Iohannis Hilgemans Proconsulis hujus oppidid) et Procuratoris hujus conventusAnno Domini M CCCCe)

  3. C

    Miseremini nostri quia manus Domini tetigit nos3)

  4. D

    Misereref) nostri propter misericordiam Christi

Übersetzung:

Hier liegt der ausgezeichnete Mann Herr Hinrich Rubenow, Doktor des Römischen Rechts, vortrefflicher Baccalaureus des Kirchenrechts, Bürgermeister und Syndikus dieser Stadt, ebenso Rat des Herrn Herzogs Wartislaw und treuer Prokurator dieses Klosters. Im Jahr des Herrn 1463 am Tag vor dem Fest der Beschneidung des Herrn (31. Dezember 1462). (A)

Hier liegt seine Ehefrau Katharina, Tochter des Herrn Johannes Hilgemann, Bürgermeister dieser Stadt und Prokurator dieses Konvents. Im Jahr des Herrn 14(..). (B)

Erbarmt euch unser, denn die Hand des Herrn hat uns berührt. (C)

Erbarmt euch unser um der Barmherzigkeit Christi willen. (D)

Kommentar

Hinrich Rubenow war der Sohn des Ratsherrn Arnold Rubenow († 1430) und der Margarete Lüssow.4) Er heiratete 1433 Katharina Hilgemann, Tochter des Bürgermeisters Johannes Hilgemann († 1430). Drei Jahre später wurde Rubenow an der Rostocker Universität immatrikuliert.5) Als er sich 1447 an der Universität Erfurt einschrieb, war er Magister artium und Lizentiat des Römischen Rechts. In Erfurt wurde er im selben Jahr zum Doktor des Römischen Rechts und Baccalaureus des Kirchenrechts promoviert und kehrte schließlich nach Greifswald zurück, um als Prokurator und Syndikus des städtischen Rates sowie als Rat der Herzöge Erich I. und Wartislaw IX. von Pommern tätig zu werden. 1449 wurde Hinrich Rubenow in den städtischen Rat aufgenommen und – ein für die Stadtgeschichte einmaliger Vorgang – gleichzeitig zum Bürgermeister gewählt. Wann er das in der Inschrift erwähnte Prokuratorenamt des Franziskanerkonvents erlangte, ist nicht bekannt. Er wurde 1456 erster Rektor der Universität und gleichzeitig Doktor des Kirchenrechts (Kat.-Nr. 137). Infolge innerstädtischer Auseinandersetzungen wurde Hinrich Rubenow am Silvesterabend des Jahres 1462 ermordet. An das Verbrechen erinnert ein Gedenkstein, der sich ebenfalls in der Kirche des Franziskanerklosters befand, heute aber in der Marienkirche zu sehen ist (Kat.-Nr. 143). Die Ehe mit Katharina Hilgemann, die nach ihrem Testament vom Jahre 1492 ihren Ehemann um mehr als dreißig Jahre überlebte, war kinderlos geblieben. Seine Grabplatte ließ Hinrich Rubenow wohl bereits zu Lebzeiten anfertigen. Für die Herstellung kommen nach den in Inschrift A aufgeführten Titeln die Jahre zwischen seiner Wahl zum Bürgermeister 1449 und der Promotion zum Doktor des Kirchenrechts 1456 in Betracht, denn in der Inschrift wird er nur als decretorum baccalaureus bezeichnet.

Bei der Angabe des Todestages bzw. -jahres für die Verstorbenen handelt es sich wohl um nachträgliche Ergänzungen, bei denen unklar ist, ob sie auf der Platte tatsächlich ausgeführt waren oder erst in der kopialen Überlieferung hinzugefügt wurden. Aus typologischer Sicht ist anzumerken, dass die mit ‚hic iacet‘ oder ‚hic requiescit‘ beginnenden Grabbezeugungen oft ohne Sterbedatum formuliert werden. Wo ein solches dennoch vorkommt, kann der Satzverbund mit einer Wendung wie ‚qui obiit‘ hergestellt werden.6) Da die Inschriften wohl bereits zu Lebzeiten der Genannten angebracht wurden, kommt ohnehin nur eine posthume Vervollständigung der Todesdaten infrage. Denkbar ist auch, dass Katharina Hilgemann († nach 1492) im Jahr 1490 Nachträge vornehmen und ihr Sterbedatum zur späteren Ergänzung (zu der es aber nicht kam) offen ließ. In Cramers Chronik (1603), dem ältesten Textzeugen, sind die Sterbedaten nicht aufgeführt. Die einzige Überlieferung enthält Augustin Balthasars Rubenow-Vita von 1737. Dabei ist keineswegs sicher, dass er die Platte selbst in Augenschein genommen hatte. Seine Beschreibung erweckt zwar diesen Eindruck, doch finden sich wörtliche Übereinstimmungen in Jacob Heinrich Balthasars Abhandlung von 1743. Die Quelle, aus der dieser zitiert, bezeichnet er als eine alte Nachricht. Es ist somit nicht auszuschließen, dass auch Augustin Balthasar seine Angaben auf diese Nachricht stützte und die Platte 1737 schon verloren war.

Textkritischer Apparat

  1. Proconsulq(ue)] Proconsul Balthasar.
  2. Anno ... circumcisionis] Die Jahresangabe am Original wahrscheinlich nicht ausgeführt, fehlt bei Cramer. Wiedergabe nach Balthasar, Programmata. Die Jahreszahl anscheinend nach dem Nativitätsstil (Jahreswechsel nach Weihnachten); bei Balthasar, Merkwürdigkeiten MCCCCLXII (Circumcisionsstil, also Jahreswechsel nach dem 31. Dezember).
  3. uxor ejus] ejus uxor Balthasar.
  4. hujus oppidi] Fehlt bei Balthasar.
  5. Anno Domini MCCCC] Die Jahresangabe am Original wahrscheinlich nicht ausgeführt, fehlt bei Cramer. Wiedergabe nach Balthasar, Programmata.
  6. Miserere] Miseremini Balthasar.

Anmerkungen

  1. prope destructam aram versus Boream (...) antea humi iacebat, B. Mayerus parieti superiori infigi curavit; Balthasar, Programmata, Serie 1, Nr. 1 (1737). Bei B. Mayerus handelt es sich um Johann Friedrich Mayer, Generalsuperintendent von 1701 bis 1712; Kosegarten, Universität 1, S. 115; Schmidt, Anfänge, S. 47, Anm. 538.
  2. Balthasar, Merkwürdigkeiten, 15. Stück, S. 113f.
  3. Iob 19,21 (Miseremini mei miseremini mei saltim vos amici mei quia manus Domini tetigit me).
  4. Hierzu und zum Folgenden siehe Pyl, Rubenow; Theodor Pyl, Heinrich Rubenow, in: ADB 29, S. 417–423; Schmidt, Anfänge (besonders S. 43, Anm. 363, S. 47f., Anm. 538).
  5. Zu seiner akademischen Ausbildung und seinen Ämtern vgl. auch Kat.-Nr. 142.
  6. Als Beispiele siehe Kat.-Nr. 131, 147. Eine verbindende Wendung fehlt hingegen in Kat.-Nr. 44.

Nachweise

  1. Cramer, Chronica, 2, S. 128f.
  2. Balthasar, Programmata, Serie 1, Nr. 1 (1737).
  3. Balthasar, Merkwürdigkeiten, S. 113f.
  4. Biesner, Rubenow, S. 28f.
  5. Kosegarten, Universität, 1, S. 115 (A, B).
  6. Pyl, Rubenow, S. 99f.
  7. Magin, Leuchten, S. 75, Anm. 38 (A).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 138† (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0013809.