Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 86(†) St. Marien 14.Jh.?
Beschreibung
Graffiti an der Wand zweier Nischen, der sog. Levitennischen, im Ostteil der Kirche an der Südwand. Die eingeritzten und größtenteils dunkel nachgezogenen Graffiti sind stark gefährdet, teilweise nahezu zerstört, denn der Putz blättert aufgrund von Rissen im Mauerwerk fortlaufend ab. Inschrift A etwa in Kopfhöhe in der westlichen, B und C in der östlichen Nische. Die dritte Zeile von Inschrift B in deutlich kleineren, nicht dunkel nachgezogenen Buchstaben.
Inschriften ergänzt nach Thümmel.
Maße: Bu. 9 cm (A), 2–7 cm (B), 10 cm (C).
Schriftart(en): Kursive mit Versalien in gotischer Majuskel.
- A
Vade s[u]p(er)be foras s[pernit] / d[eu]s [omne] q(uod) [oras]1)
- B
Mụ[...]a) quanb) / Q ṃịḷḷẹc) [abet] / [no(n)] debet illẹ
- C
Esto sup(er)be foras sp[(er)]niṭd) / deus n[...] q̣ụọḍe) oras
Übersetzung:
Gehe hinaus, du Hochmütiger, Gott verschmäht alles, was du betest. (A) (...) schuldet jener nicht. (B) Bleibe draußen, du Hochmütiger, Gott verschmäht (...), was du betest. (C)
Versmaß: Hexameter, zweisilbig leoninisch gereimt.
Textkritischer Apparat
- Mundus(?) Thümmel.
- quan] Denkbar auch audii.
- Unterhalb dieses Wortes eine weitere, nicht mehr lesbare Inschrift.
- sp[(er)]niṭ] Unterlänge des p nicht erhalten, Wort nach Thümmel rekonstruiert.
- n[...] quod] quod unsicher. omne quod Thümmel, auf der Basis des heutigen Erhaltungszustands nicht mehr nachzuvollziehen.
Anmerkungen
- Singer, Thesaurus 6, S. 127 Nr. 30; Walther, Proverbia, Nr. 32867.
- Vgl. Reinle, Ausstattung, S. 60f.
Nachweise
- Thümmel, Inschriften, S. 129.
- LAKD, Abteilung Archäologie und Denkmalpflege, Schwerin, Fotosammlung
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 86(†) (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0008600.
Kommentar
Inschrift C beginnt mit einem sorgfältig gestalteten Versal: Das E ist geschlossen und weist eine ausgerundete Innenkontur sowie einen dreifachen Balken auf. Die Gemeinen zeigen – soweit noch erkennbar – Charakteristika einer spätmittelalterlichen kursiven Buchschrift mit relativ wenigen Brechungen. Die Inschriften A und C entsprechen sich mit Ausnahme des ersten Wortes und stammen möglicherweise von derselben Hand. Bauhistorisch wird dieser Teil der Südwand etwa in die Jahre zwischen 1285 und 1290 datiert.
In Nischen wie dieser, die wohl ehemals mit Bänken versehen waren und sich häufig südlich des Altars befinden, nahmen der Pfarrer sowie weitere die Messe zelebrierende Diakone und Subdiakone Platz.2)