Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 54 St. Jacobi 1370?, 1615, 1658

Beschreibung

Grabplatte für Bertram von Wampen (A), Joachim Netzeband (B) und Paul Lucht (C). Kalkstein. Hochrechteckige Platte im zweiten Joch des nördlichen Seitenschiffs an der Außenwand.1) Die rechte Kante ist teilweise ausgebrochen, die rechte untere Ecke fehlt. Besonders auf der linken Seite ist die Oberfläche stark abgetreten, was von der früheren Lage im Windfang des südöstlichen Portals herrührt. Pyl (1885) konnte die heute nur fragmentarisch erhaltene, außen zwischen Eckrosetten umlaufende Inschrift A für Bertram von Wampen mit Ausnahme der linken Langseite noch weitgehend lesen. Im unteren Drittel des Innenfeldes Teile der Umrisslinie eines gelehnten, stark abgetretenen Schildes, im oberen Drittel Inschrift B für Joachim Netzeband. In der Plattenmitte Inschrift C für Paul Lucht, deren linke Hälfte völlig abgetreten ist. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, B und C eingehauen.

Inschriften A und C ergänzt nach Pyl.

Maße: H. 187 cm, Br. 97 cm. Bu. 7 cm (A), 5 cm (B), 5,5 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Kapitalis (C), mit Versalien (B).

Jürgen Herold [1/1]

  1. A

    [Anno d(omi)ni m ccc lxx]a) / [dominica qua ca]nitur ˑ misericordia[s] ˑ d(omi)ni ˑ ob(iit) / [bertram de wampen] / c[ - - - ]b) a(n)i(m)a per [ - - - ]c)

  2. B

    DISSE STEIN GEHORET / IOCHIM NETZEBANDT / VND SEINEN ERBEN / ANNO 1615

  3. C

    [PAVL LV]CHT ERBLICH ˑ / [ANNO] 1658 ˑ

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1370 am Sonntag, an dem ‚Misericordias domini‘ gesungen wird (6. Mai), starb Bertram von Wampen. Seine Seele ruhe durch Gottes gütiges Erbarmen in (ewigem) Frieden. (Amen.) (A)

Wappen:
Wampen

Kommentar

Inschrift A zeigt in dem noch lesbaren Bereich für die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts typische Formen der gotischen Minuskel. Hierzu zählen die unten stumpf endenden Schäfte von i und n, vor allem aber von m, das in dieser Ausführung auf Greifswalder Grabplatten nur bis zum Ende des 14. Jahrhunderts belegt ist.2) Eine Datierung in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts entsprechend der durch Pyl überlieferten Jahreszahl (1470) kommt daher nicht infrage.

Entgegen Pyls Annahme kann Bertram von Wampen (A) nicht der Sohn des Ratsherrn Hinrich von Wampen,3) sondern nur dessen Vater, Sohn des Hermann von Wampen († 1317) und der Sophia Letzenitz (Tochter des Ratsherrn Lambert Letzenitz, † 1329), sein. Bertram war zuerst mit Christine Gorislaw († 1355), Tochter von Martin Gorislaw, dann mit Gertrud, Mutter des späteren Ratsherrn Hinrich von Wampen († 1415), verheiratet.4) Im Jahr 1615 gelangte die Platte in den Besitz von Joachim Netzeband (B). Bei ihm handelt es sich vermutlich um den gleichnamigen Windmüller, der am 1. November 1596 das Bürgerrecht erlangte.5) Er besaß ein Grundstück in der Kapaunenstraße, das seine Erben 1624 verkauften.6) 1658 ging die Platte an den Bildhauer und Tischler sowie Altermann der Schützengilde Paul Lucht über (C), der noch eine weitere Grabstelle in der Jacobikirche besaß.7)

Textkritischer Apparat

  1. m ccc lxx] m cccc lxx Pyl. Vermutlich hat Pyl irrtümlich ein c zuviel und damit die Jahreszahl 1470 wiedergegeben. Siehe dazu den Kommentar.
  2. c[ - - - ]] Zu ergänzen zu ‚cuius‘.
  3. Zu ergänzen zu ‚piam misericordiam dei requiescat in (perpetua) pace (amen)‘.

Anmerkungen

  1. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Jacobi, Nr. 22.
  2. Siehe Kat.-Nr. 69A (1392) als jüngsten Nachweis für unten stumpf endendes m.
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 653.
  4. Pyl, Genealogien 4, S. 168–171 (Nr. 192).
  5. StA Greifswald, Rep. 3 Nr. 28, Bl. 20v. Ein gleichnamiger Verwandter wurde 1588 in die Bürgerliste eingetragen (StA Greifswald, Rep. 3 Nr. 28, Bl. 16r).
  6. StA Greifswald, Grundstückschronik, Kapaunenstr. 15–18. Auch das Haus Kapaunenstr. 19 gehörte einem Joachim Netzeband, vermutlich dem gleichnamigen, 1588 eingebürgerten Verwandten des Windmüllers.
  7. Die Platte ist im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffs an der Außenwand aufgerichtet; Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 658 (Nr. 15). Ein Porträt von Paul Lucht befindet sich in der Nikolaikirche im südlichen Seitenschiff links neben der Bokholt’schen Kapelle. Die Inschrift darauf lautete Paulo Lucht, aetatis 51, 1653 (Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 301, 461), demnach wurde er 1602 oder 1603 geboren. Heute ist nur noch der Name angebracht.

Nachweise

  1. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 654 (A), 656 (B), 658 (C).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 54 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0005408.