Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 446 St. Nikolai nach 1420?

Beschreibung

Fragmente figürlicher Malereien im Gewölbe der beiden östlichsten Joche des nördlichen Seitenschiffs und des sich daran anschließenden Chorumgangsjochs. Die Malereien wurden im Winter 2009/2010 freigelegt.1) Männlichen und weiblichen Köpfen, teilweise mit Kopfbedeckungen, sind ein- oder zweizeilige Schriftbänder beigegeben, die teilweise durch Linien gerahmt werden. Die Inschriften werden jeweils beginnend im östlichen Feld eines Jochs und von dort dem Uhrzeigersinn entsprechend wiedergegeben. Wegen des größtenteils schlechten Erhaltungszustands waren nicht immer sichere Lesungen der Inschriften möglich, sie werden im Folgenden daher nicht durchgängig übersetzt. Worttrenner in Form von hochgestellten Rauten, teilweise mit ausgezogenen Zierlinien, und fünf kreuzförmig angeordneten Punkten. u teilweise mit übergeschriebenen Diakritika.

Siebtes Joch von Westen (Inschriften A–H): zu Inschrift A ein Männerkopf, zu E ein Frauenkopf von der Seite, zu G eine junge Frau in Frontalansicht.

Achtes Joch von Westen (I–K): im östlichen Bereich die Inschriften I und J an der Südseite des Jochs, Inschrift K an der Nordseite. I wird unterbrochen durch die Reste zweier Ranken(?). Inschriften in den beiden westlichen Zwickeln dieses Jochs verloren. Im westlichen und östlichen Gewölbefeld zwei noch schwach erkennbare Köpfe, sicher Christus und Maria, vergleichbar den beiden Darstellungen im südlichen Seitenschiff, allerdings ohne erhaltene Inschriften.

Chorumgangsjoch (L–M): im südwestlichen Zwickel die Inschrift L, im nordwestlichen M.

Maße: Bu. 10 cm (A, C, D, F, G, M), 11 cm (B), 12 cm (E, H), 9 cm (I), 11–12 cm (J), 10–11 cm (K), 9–10 cm (L).

Schriftart(en): Gotische Minuskel.

  1. A

    [ - - - ] / [ - - - ] leue [ - - - ]

  2. B

    [..]ekest ˑ du ˑ nycht

  3. C

    ˑ du ˑ laechsea) ˑ schoke

  4. D

    he gor ˑ vnde ˑ / syn ˑ moder

  5. E

    ˑ ha ˑ ha ˑ neueke(n) / soker

  6. F

    dat ˑ gha ˑ to [ - - - ]

  7. G

    ˑ gha ˑ tho bedde ˑ du h[ - - - ]

  8. H

    ˑ tho ˑ yddw[ - - - ] / ˑ ys ˑ my ˑ [ - - - ]

  9. I

    ˑ trek ˑ darˑ//vane ˑ

  10. J

    ˑ v[ - - - ]de ˑ ok ˑ [ - - - ]

  11. K

    [ - - - ]a vor / [ - - - ]

  12. L

    Jtem ˑ tho ˑ d[.]m [ - - - ] / [s]chegheb) vor [ - - - ]

  13. M

    [ - - - ]hort [ - - - ]

Übersetzung:

Du lose Hure. (C)

(...) und seine Mutter. (D)

Haha, (...) Sucher. (E)

Geh ins Bett, du (...). (G)

Zieh davon. (I)

Kommentar

Die Ausmalung der Gewölbe des nördlichen Seitenschiffs wird in derselben Zeit entstanden sein wie die in den gegenüber liegenden, südöstlichen Jochen des Seitenschiffs bzw. Chorumgangs, die bereits vor 1985 freigelegt und danach übermalt und dadurch verfremdet wurden (vgl. Kat.-Nr. 113). Alle Inschriftenreste der Nordseite sind niederdeutsch, die kurzen Sprüche bzw. Spruchreste der Figuren des siebten Jochs (A–H) befassen sich wahrscheinlich mit dem Thema Wolllust.

Textkritischer Apparat

  1. Abzuleiten von mittelniederdeutsch lak = ‚schlaff, lose, nicht fest‘? Vgl. Schiller/Lübben, Wörterbuch 2, S. 613.
  2. Lesung und daher auch Bedeutung der gesamten Inschrift unsicher; mittelniederdeutsch scheghe = ‚Ziege‘.

Anmerkungen

  1. Vgl. den ausführlichen Bericht bei Kuhnert, Dom, S. 152f.

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 446 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0044606.