Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 431 Stralsund, Kulturhistorisches Museum vor 1650?

Beschreibung

Richtschwert der Stadt Greifswald.1) Stahl. Den Angaben des Sammlers Friedrich von Hagenow zufolge wurde das Schwert vom letzten Greifswalder Scharfrichter als Alteisen verkauft und um 1865 in die Sammlung Hagenow übernommen,2) aus der es schließlich ins Kulturhistorische Museum Stralsund gelangte. Abgerundetes Klingenende. Auf beiden Klingenseiten in der Blutrinne die eingravierte Jahreszahl, unterhalb jeweils ein graviertes Rad auf einem Gerüst und ein Galgen. Vor und nach der Jahreszahl fünf kreuzförmig angeordnete Punkte.

Maße: L. 110,5 cm. Zi. 1,5 cm.

Jürgen Herold [1/2]

  1. ˑ 1441 ˑ

Kommentar

Über die Herkunft des Schwertes liegen keine Informationen vor. Die Inschrift zeigt zweimal die Ziffer 4 in der aufgerichteten, modernen Form. Arabische Ziffern waren in Norddeutschland vor 1450 nicht üblich,3) generell war bis zum Ende des 15. Jahrhunderts die (runde oder eckige) Schlingen-4 gebräuchlich. Auch im süddeutschen und österreichischen Raum, in dem sich arabische Ziffern generell früher durchsetzten als im Norden, lässt sich keine aufgerichtete 4 vor 1500 sicher nachweisen.4) Die Inschrift ist daher mit einiger Sicherheit nicht im Jahr 1441, sondern deutlich später angebracht worden.

Anmerkungen

  1. KHM Stralsund, Inv.-Nr. 1866:60/869. Das Richtschwert wird in der Ausstellung des Kulturhistorischen Museums als das der Stadt Stralsund bezeichnet. Diese Deutung scheint auf einer irrtümlichen Interpretation der Angaben des Sammlers und vorherigen Eigentümers Friedrich von Hagenow zu beruhen: Wenn der Greifswalder Hagenow feststellt, das Schwert sei „Eigentum des jedesmaligen hiesigen Scharfrichters“ gewesen (Hagenow, Alterthümersammlung), S. 74), ist damit nicht die Stadt Stralsund, sondern Greifswald gemeint.
  2. Hagenow, Alterthümersammlung, S. 74.
  3. Die ältesten niedersächsischen Beispiele im bislang edierten Material stammen aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und zeigen die schlingenförmige 4: DI 35 (Stadt Braunschweig 1), Nr. 165 (1469); DI 58 (Stadt Hildesheim), Nr. 204 (1489); DI 66 (Landkreis Göttingen), Nr. 71 (1488).
  4. In Wiener Neustadt kommt bis zum Ende des 15. Jahrhunderts nur die Schlingen-4 vor; vgl. DI 48 (Wiener Neustadt), S. LII, dazu Nr. 22, 26, 34, 37, 45 (Abb. 14–18), Nr. 52 (Abb. 21) usw. Zu demselben Ergebnis führen auch die Übersichten bei Hill, Numerals, S. 64–70. Ein Beispiel für eine eindeutig später angebrachte Textinschrift mit der Jahreszahl 1444 auf einem Schwert in DI 72 (Krems), Nr. 349. – Gemalte Jahreszahlen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts mit aufgerichteter 4 wurden hier nicht berücksichtigt, weil sie sich bei genauer Betrachtung oft als restauriert oder neu angefertigt erweisen.

Nachweise

  1. Hagenow, Alterthümersammlung, S. 74 (Nr. 869).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 431 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0043105.