Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 252 St. Nikolai 1579
Beschreibung
Epitaph für Valentin von Eickstedt. Bronze. Heute an der Südseite des vierten südlichen Langhauspfeilers angebracht. Das Epitaph besteht aus drei Teilen. Oben eine kreisförmige Platte flankiert von zwei Knaben, die je einen Ball und zwei Löwengrotesken halten. Im Zentrum der Platte ein Vollwappen umgeben von Inschrift A, diese wiederum zwischen zwei Stegen und Ornamentbändern. Vor dem ersten Wort befand sich ursprünglich ein den Beginn der Inschrift anzeigendes Ornament, das durch die Anbringung eines Lochs zerstört wurde. In der Mitte eine querrechteckige Tafel mit Beschlagwerk und der achtzeiligen Inschrift B, die letzte Zeile zentriert. Darunter eine deutlich kleinere Kartusche flankiert von zwei Köpfen, darin Inschrift C, nach unten anschließend eine Memento-mori-Darstellung: Ein liegender Knabe stützt einen Arm auf einen Totenschädel, daneben steht ein Stundenglas. Inschrift D links der Szene, das letzte Wort rechts unterhalb des Stundenglases auf glattem Hintergrund. Alle Inschriften sind erhaben gegossen.
Maße: H. 80,5 cm, Br. 57 cm. Bu. 1,8 cm (A), 2,4 cm (B), 1,1 cm (C), 0,3 cm (D).
Schriftart(en): Kapitalis (A, C, D), mit Versalien (B).
- A
VIXI ET QVEM DEDERAS CVRSVM MIHI CHRISTE PEREGI1)
- B
IN SPE RESVRRECTIONIS CER/TA REQVIESCVNT HIC CINE=/RES NOBILIS (ET)a) VIGILANTIS=/SIMI VIRI VALENTINI AB EICK=/STET CANCELLARII QVONDA(M) / DVCVM POMERANIAE. QVI / VIVIT CVM DEO AETERNI=/TATEM AETERNAM ˑ
- C
NASCITVR A(NN)Ob) / M. D. XXVII OB/IIT A(NNO)c) LXXIX
- D
HODIES / NI CERRASd) / ADOLES/CENTI // MORI/ENDVM
Übersetzung:
Ich habe gelebt und den Lauf vollendet, den du, Christus, mir gegeben hattest. (A)
In sicherer Hoffnung auf die Auferstehung ruht hier die Asche des edlen und unermüdlichen Mannes Valentin von Eickstedt, einst Kanzler der Herzöge von Pommern, der bei Gott in Ewigkeit lebt. (B)
Er ist geboren im Jahr 1527, starb im Jahr (15)79. (C)
Heute muss der Greis, morgen der Jüngling sterben. (D)
Versmaß: Hexameter (A, D).
Eickstedt2) |
Textkritischer Apparat
- Tironisches et mit durchstrichenem Schaft.
- A(NN)O] O verkleinert und hochgestellt.
- A(NNO)] Kürzungszeichen fehlt.
- HODIES NI CERRAS] Fehlerhaft ausgeführt, gemeint HODIE SENI CRAS.
Anmerkungen
- Diese Verse sind nachweisbar als Todesspruch des Wittenberger Astronomen Reinhold Erasmus († 1553); vgl. N. N. Günther, Reinhold, Erasmus, in: ADB 28, S. 77f., hier S. 77. Zugrunde liegt Vergil, Aeneis, 4,653 (vixi et quem dederat cursum Fortuna peregi); vgl. auch II Tim 4,7 (cursum consummavi).
- Wappen Eickstedt: hier unterer Balken in der Fußstelle.
- Biederstedt, Beyträge 4, S. 16f. Er bezeichnete das zerstörte Denkmal als „Ehrengedächtnis“. Ob es sich dabei um eine Grabplatte oder ein Epitaph handelte, bleibt unklar.
- Aufgrund der besonderen Qualität des Eickstedt’schen Epitaphs und der Nähe des Verstorbenen zum Herzogshaus scheint zunächst die Vermutung nahezuliegen, dass das Epitaph von demselben Gießer Wolf Hillger gefertigt wurde wie das ungleich größere, 1569 datierte Denkmal für Herzog Philipp I. in der St. Petrikirche, Wolgast (Ldkr. Vorpommern-Greifswald). Auch wenn ein ausführlicher Vergleich der Schriften beider Epitaphien hier nicht erfolgen kann, lassen einzelne abweichende Schriftcharakteristika wie die Gestalt des M und der AE-Ligatur doch die vorläufige Vermutung zu, dass das Eickstedt-Epitaph von einem anderen Meister stammt. Vgl. dazu die Abb. des Wolgaster Epitaphs bei Buske, Spuren, S. 93.
- Ältere Matrikel Greifswald 1, S. 204.
- Daten nach Schleinert, Gutswirtschaft, S. 64, Anm. 24, S. 285f.
- Alle Angaben, soweit nicht im Einzelnen nachgewiesen, nach N. N. von Bülow, Eickstedt, Valentin von, in: ADB 5, S. 746f. Zu den historiografischen Werken vgl. Valentini ab Eickstet, Cancellarii quondam Ducum Pomeraniae citerioris de Patria optime meriti, Epitome Annalium Pomeraniae. Cui annexa sunt I. Genealogia Ducum Pomeraniae. II. Catalogus Episcoporum Camminensium. III. Brevis descriptio Pomeraniae. Vita Philippi I. Ducis Pomeraniae citerioris ab eodem auctore conscripta. Ex manuscripto edidit Jac[obus] Henr[icus] Balthasar, Greifswald 1728.
- Ältere Matrikel Greifswald 1, S. 298.
- Anno 1579, 23. Julii, nobilissimus vir doctor Valentinus Eickstetus, senior, cancellarius et capitaneus seu prefectus Ukermundensis, excessit e vivis, cuius exuviae ipso die sancti Jacobi apostoli (25. Juli) in templo Nicolaitano conditae sunt (Ältere Matrikel Greifswald, S. 316, Dekanatsbuch der Juristischen Fakultät). Weitere Angaben zu Valentin von Eickstedt sowie ein Stammbaum bei Eickstedt, Familien-Buch, S. 123; ebenda (Fortsetzung), Pommerscher Zweig, Stammbaum II, Nr. 68.
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 424f. (Kapelle XIV).
Nachweise
- Dähnert, Denkmale, S. 272 (Nr. II; B, C).
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 394 (D), 398 (A), 424f.
- Magin, Leuchten, S. 79, Anm. 50-53.
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 252 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0025204.
Kommentar
Biederstedt berichtet, das Eickstedt’sche Grabmal sei im Februar 1650 zerstört worden, als die Spitze des Kirchturms während eines Sturms auf das Kirchenschiff fiel.3) Dafür, dass es sich bei der Bronzetafel nicht um die Metallauflage der Grabplatte, sondern um das Epitaph für Valentin von Eickstedt handelt, sprechen die geringe Gesamtgröße des Denkmals und die geringe Buchstabenhöhe vor allem der Inschriften C und D, die nur aus unmittelbarer Nähe zu lesen sind. Somit handelt es sich bei diesem Denkmal wohl um das einzige erhaltene Bronze-Epitaph Greifswalds. Die Inschriften A und B sind besonders sorgfältig ausgeführt. M mit annähernd senkrechten Schäften weist einen bis auf die Grundlinie reichenden Mittelteil auf, C und O sind fast kreisrund.4)
Valentin von Eickstedt wurde 1541 gemeinsam mit seinem Lehrer in Greifswald immatrikuliert,5) 1545 wurde er in die herzogliche Kanzlei in Wolgast berufen. Von 1557 bis 1574 war er Kanzler Herzog Philipps I., 1574–1576 Hauptmann des Amtes Wolgast sowie 1576–1579 des Amtes Ueckermünde (beide Ldkr. Vorpommern-Greifswald).6) Im Jahr 1555 nahm er in Augsburg an den Verhandlungen zum Religionsfrieden teil. Eickstedt war an der Ausarbeitung der 1569 veröffentlichten pommerschen Kirchenordnung beteiligt und verfasste etliche historische Werke, unter anderem die ‚Epitome annalium Pomeraniae‘, einen Abriss der pommerschen Geschichte für den jungen Herzog Johann Friedrich.7) Mit Ulrich von Schwerin (vgl. den Kommentar zu Kat.-Nr. 228) visitierte er 1570 die Universität Greifswald.8) Er war seit 1559 mit Anna von Jasmund verheiratet, starb am 23. Juli 1579 in Greifswald und wurde zwei Tage später in St. Nikolai bestattet.9) Sein Erbbegräbnis befand sich in der zweiten Kapelle des südlichen Seitenschiffs.10)