Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 240 St. Marien 1569
Beschreibung
Glocke. Bronze. Sog. Wächterglocke. Wegen eines Sprungs steht die Glocke seit den 1960er Jahren in der Turmhalle rechts neben dem Eingang zum Mittelschiff,1) im Glockenstuhl hängt ein nahezu identischer Nachguss. Am Original fehlt die Mittelöse der Krone. Die erhaben gegossenen Inschriften unterhalb der Schulter zweizeilig umlaufend, die erste Zeile oben und unten begrenzt durch Stege, die Buchstaben zwischen schmalen Gussgraten. Zwischen den Zeilen ein Palmettenfries. Am Zeilenanfang je ein nimbierter (weiblicher?) Kopf, in der zweiten Zeile nimbierte Männerköpfe (oder Löwenköpfe?) sowie vierteilige Blüten, vor und nach dem Gießernamen je ein Putto. Unterhalb des Schlagrings das Gießerzeichen (M6).
Maße: H. 102 cm (ohne Krone), 127 cm (mit Krone), Dm. 122 cm. Bu. 1,5–2,5 cm.
Schriftart(en): Kapitalis mit Versalien.
- A
ˑ DE ˑ WACHTER ˑ KLOCKE ˑ BIN ˑ ICK ˑ GENANT ˑ ALLEN ˑ FVCHTEN ˑ BRODERS ˑ WOL ˑ BEKANT ˑ KROGER ˑ WEN ˑ DV ˑ HOREST ˑ MINEN ˑ LVTH ˑ SO ˑ IACH / ˑ ˑ DE ˑ GESTE ˑ TOM ˑ HVSE ˑ VTH
- B
ˑ IOHANNES ˑ DE ˑ BORCH ˑ ˑ ME ˑ FECIT ˑ 1ˑ5ˑ6ˑ9 ˑ GˑEˑG ˑ MˑHˑG ˑ ˑ CˑBˑGa) ˑ IˑHˑG ˑ IˑVˑG ˑ
Übersetzung:
Ich werde die Wächterglocke genannt, allen feuchten Brüdern2) (bin ich) gut bekannt. Schankwirt, wenn du mich läuten hörst, dann jage die Gäste aus dem (Gast-)Haus. (A)
Johannes de Borch hat mich gemacht. (B)
Textkritischer Apparat
- G B G Pyl.
Anmerkungen
- Vgl. Peter, Glockeninventar (St. Marien), S. 1, 3. Die Reparatur der Glocke ist geplant (Stand: November 2007).
- Gemeint sind ‚Zecher‘.
- Pyl, Nachträge 1, S. 35.
- Provisoren von St. Marien waren zwischen 1561 und 1580 Martin Hannemann, Hans Bünsow und Hans Engelbrecht (vgl. StA Greifswald, Rep. 3 Nr. 146, 1561–1592, ungezähltes Blatt vorne in der Handschrift mit einem Eintrag aus dem späten 18. Jahrhundert). – Es könnte sich um abgekürzte Devisen handeln, die jeweils mit ‚Gott‘ enden, oder um Namensinitialen, an die sich G für ‚Greifswald‘ anschließt.
Nachweise
- Pyl, 38.–39. Jahresbericht, S. 46.
- Otte, Glockenkunde, S. 130.
- Haselberg, Kreis Greifswald, S. 102.
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 519.
- Walter, Glockenkunde, S. 323.
- Thümmel, Inschriften, S. 133.
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 240 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0024004.
Kommentar
Die Inschriften sind besonders ebenmäßig gestaltet und weisen vier verschiedene, teilweise figürliche Worttrenner auf. Der Gießer Johannes de Borch hatte im Jahr 1568 bereits eine Glocke für die Nikolaikirche gegossen (Kat.-Nr. 239). Der Guss der Wächterglocke erfolgte am 11. Juli 1569.3) Der lateinische Gießervermerk in Inschrift B wird von den niederdeutschen Versen (A) sprachlich abgesetzt. Welche Bedeutung den Initialen am Ende von Inschrift B zukommt, ist unklar. Sie bezeichnen jedenfalls nicht die Provisoren der Gemeinde.4)