Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 225† St. Marien 1545

Beschreibung

Wandmalerei. Nicht erhaltene Verse zur heute noch vorhandenen lebensgroßen Darstellung eines Schwertwals an der Südwand der nördlichen Turmseitenhalle. Aus einer zeitgenössischen Quelle geht hervor, dass diese Darstellung durch die Inschrift B erläutert wurde.1) Da A und B einander inhaltlich ergänzen, ist zu vermuten, dass beide Texte inschriftlich ausgeführt waren.

Inschriften nach Ältere Matrikel Greifswald.

  1. A

    Talis fluctivomis est captus piscis in undisquaa) sita ad arctoum est fertilis Hildab) salumHic ubi dives agri Pomerania numine divumSubiacet imperio celse Philippe tuoQuisquis in hac tantam miraris imagine molemPicturae certam certus habeto fidem

  2. B

    Hilla vocor piscis prope littora fertilis HildaeIndigenis captus praeda stupenda fuiHic ubi divina Pomeranus sorte PhilippusIura dat et placida pace tuetur opesNe dubita quisquis picturam videris istamc)Sic caput et dorsum sic mihi cauda fuit

Übersetzung:

Ein solcher Fisch wurde in den flutspeienden Wellen gefangen, wo das fruchtbare Eldena am nördlichen Meer liegt, hier, wo das ackerreiche Pommern nach dem Willen der Götter deiner Herrschaft, erhabener Philipp, unterworfen ist. Wer du auch immer in diesem Bild die gewaltige Masse bewunderst, schenke dem Gemälde sicher einen sicheren Glauben. (A) Hilla heiße ich Fisch, bei den Stränden des fruchtbaren Eldena gefangen, bin ich den Einwohnern eine staunenswerte Beute gewesen, hier, wo nach göttlicher Fügung der Pommernherzog Philipp Recht setzt und in freundlichem Frieden den Besitz schützt. Zweifle du nicht, der du dieses Gemälde siehst, so sahen mein Kopf, mein Rücken und mein Schwanz aus. (B)

Versmaß: Elegische Distichen.

Kommentar

Inschrift A ist als erklärende Bildbeischrift zu verstehen, in B spricht der Wal über sich selbst.

Im Frühjahr 1545 war in der Dänischen Wiek vor Greifswald ein männlicher Schwertwal gestrandet, den man tötete und anschließend sezierte. Sein Abbild wurde nicht nur in St. Marien, sondern auch in St. Nikolai angebracht.2) Peter Vinzent aus Breslau (Wrocław), Mitglied der Medizinischen Fakultät, verfasste dazu erläuternde Verse.3) Eine Abbildung des Wals wurde dem Naturforscher Konrad Gesner (1516–1565) übermittelt, der darauf in seiner berühmten Enzyklopädie Bezug nahm.4)

Textkritischer Apparat

  1. qua] cum Thümmel.
  2. fertilis Hilda] Hilda vetusta Variante bei Thümmel.
  3. Ne ... istam] Ne dubites lector formam qui videris istam Sastrow.

Anmerkungen

  1. Bartholomäi Sastrowen Herkommen, S. 269, Anm. *: Zum Grypswalde in Marien Kirchen ist er abgemahlet, vnnd stehen diese Verse; es folgen die Verse 5 und 6 von Inschrift B.
  2. Die Darstellung in St. Nikolai wurde nicht durch den Einsturz des Turmes 1650 zerstört (so Pyl, Nachträge 1, S. 29). Vielmehr wurden Umrisse eines Schwertwals im Jahr 2010 an der Wand der Sakristei im nördlichen Bereich des Chorumgangs freigelegt (Kuhnert, Dom, S. 153f.).
  3. Angaben nach Thümmel, Fakultät, S. 60.
  4. Vgl. Konrad Gesner, Historiae animalium liber 4: De piscium et aquatilium animantium natura, Editio secunda, Frankfurt 1620, S. 117f.

Nachweise

  1. Bartholomäi Sastrowen Herkommen, 1, S. 270 (B, teilweise).
  2. Ältere Matrikel Greifswald, 1, S. 210.
  3. Thümmel, Fakultät, S. 60.

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 225† (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0022507.