Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 221 St. Nikolai 1493–1529, 1559 o. später, 1622, 1.H.18.Jh.

Beschreibung

Grabplatte für Albert Reich (Albrecht Rike, A), Joachim Schwarz und Anna Reich (Rike, B), Joachim Crasemann (C, D) und Christian Helle (E). Kalkstein. Hochrechteckige Platte im zweiten Joch des südlichen Seitenschiffs.1) Alle Inschriften sind in chronologischer Reihenfolge untereinander angebracht, ausgenommen die stark abgetretene Inschrift A für Albert Reich, die im unteren Drittel durch die spätere Änderung der Ausrichtung der Platte auf dem Kopf steht. Das obere Plattenviertel nimmt ein rechteckig vertieftes Feld mit Inschrift B für Joachim Schwarz und Anna Reich ein. Die Zeilenenden sind stark abgetreten. Das Schriftfeld überlagert auf der rechten Seite eine nicht mehr lesbare, senkrecht verlaufende Inschrift. Unter B ein zugehöriger Wappenschild mit einer Hausmarke (H68). In der Plattenmitte Inschrift C für Joachim Crasemann, darunter ein Schild mit den Initialen D. Rechts neben dem Schild Nummerierung F. Unterhalb der Plattenmitte Inschrift E für Christian Helle. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, B erhaben in vertieftem Feld. Alle weiteren sind eingehauen.

Inschrift B ergänzt nach Pyl.

Maße: H. 227 cm, Br. 101 cm. Bu. 7,5 cm (A), 6,5 cm (B), 4,5 cm (C), 4,5–9,5 cm (D), 4 cm (E).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (A), Mischschrift aus gotischer Minuskel und Fraktur (B), Kapitalis (C, D), mit Versalien (E).

Jürgen Herold [1/1]

  1. A

    her albrecht rike vn(de) ˑ sine(n) er[ven]

  2. B

    Her Jochim Swar[te]n Eheliche [Frove] / Anna Riken diea) zelich [vorstorven] / Anno 47 [u]nde [ - - - ] / Anno 49 dor[ - - - ] / de[.....] Ro[ - - - ]b)

  3. C

    LAPIS ET LOCVS SEPVLCHRALIS / IOACHIMI CRASEMANNI ET / EIVS HAEREDVM / ANNO 1622

  4. D

    I C T Pc)

  5. E

    DIESES BEGRÄBNIS SOL NICHT / VOR DAS 1770 IAHR GEOFNET / WERDEN VND GEHÖRET NVNMEH[R] / SEEL(IGEN) CHRISTIAN HELLE[S] / ERBEN

  6. F

    93

Übersetzung:

Stein und Grabstelle des Joachim Crasemann und seiner Erben. Im Jahr 1622. (C)

Wappen:
Schwarz III oder Reich II

Kommentar

Besitzer der Grabplatte am Ende des 15. oder in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts war Albert Reich (A), der 1493 in den städtischen Rat aufgenommen wurde und 1528 oder 1529 starb. Da er den Titel ‚Herr‘ erst als Ratsmitglied tragen durfte, kann Inschrift A nicht vor seiner Aufnahme in dieses Gremium entstanden sein. Albert war vermutlich ein Sohn des Ratsherrn Johannes Reich, von dem er ein Haus in der Steinbeckerstraße erbte. Seine Tochter Anna brachte die Grabplatte in ihre Ehe mit dem späteren Ratsherrn Joachim Schwarz d. J. († 1584) ein.2)

Joachim Schwarz (B) war der Sohn des gleichnamigen Ratsherrn († 1545) und der Tita Bolhagen. Er erwarb 1548 das Bürgerrecht, wurde 1559 Ratsherr, 1568 Gerichtsvogt und 1572 Kämmerer der Stadt. Außerdem war er Provisor des Heilig-Geist-Hospitals. Da auch er in der Inschrift als ‚Herr‘ bezeichnet wird, kann sie erst nach 1559 entstanden sein. In zweiter Ehe vermählte er sich mit Elisabeth Bünsow, Tochter des Bürgermeisters Kaspar Bünsow († 1555) und der Liboria Glineke, Tochter des Moritz Glineke, Bürgermeister von Malchin (Ldkr. Mecklenburgische Seenplatte).3) Aus dieser Verbindung ging unter anderem eine Tochter Elisabeth (1558–1628) hervor, die den Wolgaster Anwalt Matthias Damaschke (1547–1620) heiratete.4) Deren Tochter Elisabeth (1586–1629) vermählte sich mit Joachim Crasemann, wodurch die Platte 1622 in dessen Besitz gelangte (C). Der Sohn von Hinrich Crasemann aus Malchin und Susanne Volrad wurde 1598 Kantor und Schulrektor in Wolgast (Ldkr. Vorpommern-Greifswald), wo er außerdem als Advokat und Notar tätig war. Die Vermählung mit Elisabeth Damaschke fand 1611 statt. Er starb am 6. April 1650.5) Die Grabplatte wurde im 18. Jahrhundert von Christian Helle oder dessen Erben erworben (E). Zwischenzeitlich gehörte sie der Nikolaikirche (F).

Textkritischer Apparat

  1. die] ist Pyl.
  2. de[.....] Ro[ - - - ]] den iiii Nowwem Pyl.
  3. I C T P] Vielleicht aufzulösen zu I(OACHIM) C(RASEMANN) T(ESTAMENTO) P(OSVIT), ‚Joachim Crasemann errichtete (dieses Begräbnis) durch (sein) Testament‘.

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Nikolai, Nr. 272. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Nikolai, Nr. 231.
  2. Pyl, Genealogien 5, S. 312 (Nr. 333).
  3. Pyl, Genealogien 5, S. 359f. (Nr. 399).
  4. Siehe Kat.-Nr. 265.
  5. Gesterding, Zweite Fortsetzung S. 21f. (Nr. 122); Spruth, Notare, Nr. 183 (Sedina-Archiv, N. F. Bd. 3, 15. Jg., Nr. 1, 1969, S. 132).

Nachweise

  1. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 422 (B), 452 (C, D), 475 (E).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 221 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0022109.