Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 215 St. Marien 1520, 1667

Beschreibung

Grabplatte für Ursula und Jürgen Stevelin sowie für Dorothea Stevelin (bzw. Glineke, A) und für Nikolaus Georg Schmiterlow (B). Kalkstein. Hochrechteckige Platte im ersten Joch der nördlichen Vorhalle, an der Ostwand aufgestellt.1) Die auf den Flächen ringsum erkennbaren Spuren einer doppelbogigen Architekturrahmung zeigen, dass es sich ursprünglich um eine figürliche Doppelgrabplatte handelte. Umlaufend Inschrift A für Ursula, Jürgen und Dorothea Stevelin. Der Schrifthintergrund ist rot gefasst. In den Ecken Medaillons mit den Evangelistensymbolen. Die beiden oberen wurden später mit Metallscheiben belegt, von denen heute nur noch die Dübel vorhanden sind. In der Mitte der Platte ein hochrechteckiges Bildfeld, dessen Hintergrund ebenfalls rot gefasst ist. Am unteren Rand dieses Feldes ein kleinerer gelehnter Schild mit dem Wappen der Familie Stevelin. Unmittelbar darüber, unter einem Helm mit einer Dornenkrone, ein größerer gelehnter Schild mit den Wundmalen Christi. Die gezaddelten Helmdecken füllen das gesamte Bildfeld. Am oberen Rand des Innenfeldes die stark abgetretene Inschrift B für Nikolaus Georg Schmiterlow. Darunter auf dem Kopf stehend Nummerierung C. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, B und C eingehauen.

Maße: H. 312 cm, Br. 177 cm. Bu. 10,5 cm (A), 8 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Frakturversalien (A), Kapitalis mit Versalien (B).

Jürgen Herold [1/2]

  1. A

    Anno D(omi)ni dussent vyff / Hunderth vn(d) xvij starff Ursula steuelyns Anno D(omi)ni ˑ M ˑ vc xx / starff Jurgen steuelyn dat de(n) / godt gnedich sy Desse sten hort dorothee Steuelyns vnd eren eruen

  2. B

    H(ERR) NICOLAUS GEORG / SCHMITERLOW A(NN)O 1667

  3. C

    2

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1517 starb Ursula Stevelin. Im Jahr des Herrn 1520 starb Jürgen Stevelin. Gott sei ihnen gnädig. Dieser Stein gehört Dorothea Stevelin und ihren Erben. (A)

Wappen:
?2)
Stevelin

Kommentar

Inschrift A wurde in einer sehr schlanken Variante der späten Form der gotischen Minuskel ausgeführt. Die auffällig hohen Ober- und Unterlängenbereiche sind mit Schleifenornamenten, die zum Teil aus den Ober- und Unterlängen der Gemeinen sowie aus den reich verzierten Frakturversalien herausgeführt sind, ausgefüllt.3)

Die aufwändige, für Greifswald einzigartige Gestaltung der Grabplatte steht in einem merkwürdigen Kontrast dazu, dass die von Inschrift A genannten Personen anderweitig kaum nachzuweisen sind. Der letzte namhafte Vertreter der seit 1436 kontinuierlich im Rat vertretenen Familie Stevelin war der Bürgermeister Johannes Stevelin. Er wurde 1500 in den Rat aufgenommen, 1510 zum Bürgermeister ernannt und starb 1518. Nach einer unsicheren Nachricht war er zuerst mit einer Alveke verheiratet. Pyl vermutet, dass es sich bei der von Inschrift A als Besitzerin angeführten Dorothea Stevelin um Johannes’ zweite Ehefrau Dorothea Glineke, bei Ursula und Jürgen um früh verstorbene Kinder des Ehepaars handelt. Dorothea Glineke vermählte sich später mit dem herzoglichen Rat Valentin Stojentin, zu dessen Gedenken sie einen Beitrag zur Erneuerung der Kleinen Universitätszepter leistete (Kat.-Nr. 228).4) 1667 kam die Platte an den Ratsherrn und späteren Bürgermeister Nikolaus Georg Schmiterlow (B, † 1688).5) Zuvor oder danach war sie im Besitz der Marienkirche (C).

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Marien, Nr. 323. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Marien, Nr. 124.
  2. Wappen ? (Arma Christi, wohl in der Funktion eines Devotionswappens).
  3. Dieselbe Schriftausführung findet sich auf den Grabplatten zweier Äbte des Klosters Neuenkamp, heute Franzburg (Ldkr. Vorpommern-Rügen): Hinrich Witte († 1518) und Valentin († 1520); Haselberg, Kreis Franzburg, S. 27; N. N., Grabsteinkunst, S. XVIf., Tf. 11f. Eine ähnliche, aber weniger reich mit Schleifen verzierte Ausführung zeigen auch zwei Grabplatten aus Rostock; vgl. Schlie, Geschichts-Denkmäler 1, S. 85–87 (Balthasar Jendrick, † 1509; die Platte ist verloren); Rütz, Grabplatte Berchmann; Rütz, Jakobikirche, S. 379 (Johannes Berchmann, † 1517).
  4. Pyl, Genealogien 5, S. 318f. (Nr. 340).
  5. Pyl, Genealogien 2, S. 371f. (Nr. 80).

Nachweise

  1. Kirchner, Grabsteine Marienkirche, S. 220 (A).
  2. Haselberg, Kreis Greifswald, S. 105 (A).
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 572 (A), 592 (B).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 215 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0021501.