Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 146 Greifswald-Eldena, Zisterzienserkloster St. Marien 1473
Beschreibung
Grabplatte für den Abt Johannes VII. von Eldena. Kalkstein. Die hochrechteckige, in der Mitte gebrochene Platte wurde 1843 in die Südwand des Querhauses links neben dem Durchgang eingelassen.1) Die Inschrift zweizeilig umlaufend. In den Ecken Medaillons, auf deren ursprüngliche Metalleinlagen nur noch Dübel hinweisen. Das äußere und das innere Schriftband beginnen jeweils links oben, das innere spart die obere Schmalseite aus und reicht bis zur Mitte der linken Langseite. In den Ecken folgt es den Rundungen der Medaillons. Das äußere Schriftband zeigt Buchstabenverluste im Bereich der Bruchkante in der Mitte der beiden Langseiten. Im Innenfeld als Ritzzeichnung die Darstellung des Verstorbenen mit Tonsur und im Mönchshabit unter einem Kielbogen und weiteren Architekturelementen. In seiner linken Hand hält er ein Beutelbuch.2) Schaft und Krümme des Abtsstabes in der rechten Hand waren mit Metalleinlagen versehen, die heute ebenfalls verloren sind. Die Inschrift ist erhaben in vertiefter Zeile ausgeführt. Die annähernd senkrecht gehauenen Buchstabenkonturen und die rauen Untergründe zeigen, dass die Zeilen, ebenso wie Teile der figürlichen Darstellung, mit einer vermutlich dunklen Masse ausgefüllt waren.
Inschrift ergänzt nach Pyl.
Maße: H. 245 cm, Br. 134 cm. Bu. 9,5 cm.
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien.
A(n)no ˑ mille(n)o ˑ q(u)adri(n)ge(n)t(eno)a) / septua(gen)o q(u)oq(ue) t(er)nob) ˑ May vnden[a m]u(n)dic) nephas li(n)que(n)s q(ue)rit ˑ / euad) hac pausa(n)ṣ tu(m)ba / dec(or)uṣ q(uas)ie) colu(m)baf) Joh(ann)es hu(m)at(us)g) past[or - - - ]ḥugeh) p(ro)bat(us)i) Carnem // despexit / ha(n)c neq(u)amj) q(ui) ˑ / bene ˑ rexit ˑ A(n)nos ˑ p(er) ˑ trinos co(n)regnet ˑ r(e)gna(n)tib(us) / celos ut fiatk)/ da ˑ pia ˑ tu / flagrans / rosa maria ˑ amen ˑ
Übersetzung:
Im Jahr 1473 am 11. Mai verlässt diese schändliche Welt und sucht für sich die Ewigkeit Johannes, der schön wie eine Taube in diesem Grab ruht. Hier also ist der bewährte (...) Hirte bestattet. Er, der das nichtsnutzige Fleisch verachtete und drei Jahre lang gut regierte, möge gemeinsam mit denen, die den Himmel lenken, regieren. Gib, dass dies geschehe, du gütige Maria, duftende Rose. Amen.
Versmaß: Hexameter, teils einsilbig, teils zweisilbig leoninisch gereimt, prosodisch fehlerhaft.
Textkritischer Apparat
- a als cc-a über der Zeile.
- q(u)oq(ue) t(er)no] quarto Kirchner.
- vnden[a m]u(n)di] Aus Platzgründen ist davon auszugehen, dass n in [m]u(n)di durch einen Nasalstrich gekürzt war, hier heute jedoch Fehlstelle.
- eua] tua Kirchner.
- dec(or)uṣ q(uas)i] Nach de Befund am Original undeutlich, abschließender Buchstabe möglicherweise Schleifen-s; in q(uas)i i hochgestellt. de(n)ique (christi) Pyl, Eldena, S. 155; rp. Pyl, Eldena, S. 154, auch Abb. nach S. 150.
- hac pausa(n)s tu(m)ba ... q(uas)i colu(m)ba] Die Bedeutung von columbarium ‚Taubenschlag‘, aber auch ‚Grabkammer‘ könnte die inhaltliche Verklammerung von pausans, tumba und columba bilden, im Sinne von ‚er ruht in seinem Grab wie eine Taube in ihrem Taubenschlag‘.
- hu(m)atus] Von Kirchner als Nachname Hu(n)atus gedeutet; ihm folgend Pyl, Eldena, Abb. nach S. 150, richtig hu(m)atus hingegen Pyl, Eldena, S. 155.
- past[or - - - ]ḥuge] Lesung und Bedeutung dieser Stelle sind unklar. Pyl liest und ergänzt zu pastor bonus juge, in einer späteren Lesung steht [h]u(cus)q(u)e statt juge; Pyl, Eldena, S. 154f., 722. Der zweiten Lesung hucusque folgt auch Haselberg. a in past[or] als cc-a über der Zeile.
- p(ro)bat(us)] a als cc-a über der Zeile. perbeatus Kirchner.
- neq(u)am] a als cc-a über der Zeile.
- fiat] a als cc-a über der Zeile, Quadrangeln aus Platzgründen nicht nebeneinander, sondern übereinander gestellt.
Anmerkungen
- Herold, Äbte, S. 359.
- Von Kirchner, Grabsteine Eldena, Teil 2, S. 148, fälschlich als Laterne gedeutet.
- Pyl, Eldena, S. 155, 720–722.
- Kirchner, Grabsteine Eldena, Teil 2, S. 150; siehe dazu oben, Anm. g.
Nachweise
- Kirchner, Grabsteine Eldena, Teil 2, S. 150.
- Pyl, Eldena, S. 154f. (mit Abb. nach S. 150), 722.
- N. N., Grabsteinkunst, S. XVf. u. Tf. 9.
- Haselberg, Kreis Greifswald, S. 77.
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 146 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0014601.
Kommentar
Die Inschrift stellt den ältesten Beleg der späten Form der gotischen Minuskel auf Greifswalder Grabplatten dar. Auffällig sind die Brechungen der Schaftenden als in der Vertikale lang ausgezogene Quadrangeln. Neben doppelstöckigem a über der Zeile kommt cc-förmiges a vor, g mit ausladendem unteren Bogen. Bei u in septuageno und tu sowie bei v in vndena sind die oberen Schaftenden innen abgeschrägt. Die Oberlängenenden von h und l sind verbreitert und abgeschrägt, verbreitert auch die Unterlängen von p und q.
Johannes VII. war der dreißigste Abt des Klosters Eldena. Sein Vorgänger Hermann II. starb 1470, am 12. Juli des Jahres wurde Johannes erstmals und bis 1473 noch zwei weitere Male urkundlich als Abt erwähnt. Er starb nach Auskunft der Grabplatte am 11. Mai 1473.3) Über seine Herkunft und sein weiteres Wirken ist nichts bekannt. Durch einen Lesefehler Kirchners wurde der Abt als Johannes ‚Hunatus‘ in die Literatur eingeführt.4)