Inschriftenkatalog: Greifswald
Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.
DI 77: Greifswald (2009)
Nr. 124 St. Nikolai 1447, 1671
Beschreibung
Grabplatte für den Abt Hartwig von Eldena (A) und Johannes Heune (B). Kalkstein. Die aus dem Kloster Eldena stammende, in der Mitte quer gebrochene Platte steht heute aufrecht an der Südwand der östlichen Eingangshalle (Marienkapelle).1) Inschrift A für Abt Hartwig läuft vom Beginn der rechten Langseite über die untere Schmalseite bis zum Ende der linken Langseite zwischen einfachen Linien um. In den Ecken Medaillons mit den Evangelistensymbolen. Im Innenfeld die Ritzzeichnung des Abtes als Ganzkörperfigur unter einer von zwei Säulen getragenen, spätgotischen Bogenarchitektur. In der rechten Hand hält er den Abtsstab, in der linken ein Buch. Auf der Stirn der Figur hat man später die Nummerierung C eingehauen. Unter weitgehender Berücksichtigung der mittelalterlichen Komposition wurde im unteren Bereich in einem leicht vertieften Feld Inschrift B für Johannes Heune angebracht. Inschrift A erhaben in vertiefter Zeile, die übrigen eingehauen.
Maße: H. 221 cm, Br. 133 cm. Bu. 7 cm (A), 5,5 cm (B).
Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versalien (A), Kapitalis mit Versalien (B).
- A
An(n)o d(omi)ni ˑ M° ˑ cccc° xl° vii°a) ˑ in ˑ die ˑ dyonisii ˑ mar(tiris)b) ˑ o(biit) ˑ d(omi)n(u)s hartwic(us) ˑ / vicesim(us) sext(us) abbas in ˑ / hilda ˑ cuius ˑ anima ˑ requiescat ˑ in ˑ perpetua ˑ pace ˑ ame(n) ˑ
- B
SEPVLCHRVM / IOH(ANNIS) . HEVNII . M(EDICINAE) . D(OCTORIS) . & . / PROF(ESSORIS) . PVB(LICI) . EIVSQ(VE)c) / HEREDVM / ANNO . M.DC.LXXI
- C
10
Übersetzung:
Im Jahr des Herrn 1447 am Tag des Märtyrers Dionysius (9. Oktober) starb Herr Hartwig, sechsundzwanzigster Abt in Eldena. Seine Seele ruhe in ewigem Frieden. Amen. (A)
Grabstätte des Johannes Heune, Doktor der Medizin und öffentlicher Professor, und seiner Erben. Im Jahr 1671. (B)
Textkritischer Apparat
- cccc°] ccc° Pyl, Eldena.
- mar(tiris)] cc-a in Form zweier Quadrangeln als Kürzungszeichen verkleinert über der Zeile.
- EIVSQ(VE)] Q verkleinert.
Anmerkungen
- Siehe Grundriss St. Nikolai, Nr. 148. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Nikolai, Nr. 25.
- Pyl, Eldena, S. 148–150, 561; Hoogeweg, Klöster 1, S. 574.
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 465f.
- Kosegarten, Universität 1, S. 258; Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 462f.; Thümmel, Fakultät, S. 108f., 116–119, 128–151, 194f.; Schubert, Trauregister 9, S. 7 (Nr. 282); Alvermann/Dahlenburg, Köpfe, S. 107.
Nachweise
- Kirchner, Grabsteine Nikolaikirche, S. 194 (A).
- Pyl, Eldena, S. 149 (A).
- Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 462f. (B).
Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 124 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0012405.
Kommentar
Inschrift A ist zwar den Proportionen nach der älteren, gedrungenen Form der gotischen Minuskel zuzurechnen. Bei einzelnen Elementen deutet sich aber bereits die ab dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts dominant werdende Spätform an. Die unteren Schaftbrechungen sind nach unten spitz ausgezogen, die Kanten leicht eingebogen. Bei u sind die rechten Schäfte oben nach innen abgeschrägt. Die Oberlängen von b, h und l sind verbreitert und enden flach abgeschrägt. Die Unterlängen von p, q und y sind unten nach rechts umgebrochen.
Die Platte war zunächst dem Eldenaer Abt Hartwig gewidmet. Vermutlich befand sie sich im Chorbereich der Klosterkirche. Hartwig war der sechsundzwanzigste Abt des Klosters und amtierte von 1435 oder 1436 bis zu seinem Tod 1447. Über Herkunft und persönliche Verhältnisse ist nichts bekannt.2)
Spätestens im Jahr 1671 erwarb Johannes Heune die Platte und ließ sie in die Greifswalder Nikolaikirche bringen (B). Die Nummerierung C weist darauf hin, dass später, zumindest zeitweilig, die Kirche selbst über sie verfügte. Im 18. Jahrhundert war sie nacheinander im Besitz des Professors Theodor Pyl († 1723) und seines Sohnes, des Magisters Gottfried Pyl († 1748).3) Nach den Umbau- und Restaurierungsarbeiten in den 1820er bis 1830er Jahren lag die Platte im achten Joch des nördlichen Seitenschiffs vor der Sakristei im Fußboden. Im Zuge der Umbauarbeiten in den 1980er Jahren wurde sie aufgenommen und wieder in eines der Seitenschiffe verlegt. An ihren heutigen Platz gelangte sie erst in den 1990er Jahren.
Johannes Heune war der Sohn des Apothekers Joachim Heune und der Anna Neumann. Am 18. Februar 1603 in Wolgast geboren, besuchte er zunächst die örtliche Schule, später das Gymnasium in Hamburg und studierte von 1617 bis 1625 Medizin in Greifswald, Wittenberg und Leipzig. Nach Reisen durch Brabant, Geldern, Holland und Friesland wurde er Leibarzt von Herzog Bogislaw XIV. von Pommern, 1640 Stadtphysikus in Greifswald. Die Greifswalder Universität berief ihn 1642 zum ordentlichen Professor der Medizin. Seine erste Ehefrau war Anna Papke, seine zweite seit 1641 Gertrud Bukow. Aus Altersgründen ging er 1666 in den Ruhestand. Er war Kanoniker des Camminer Domkapitels und starb am 7. Juni 1672.4)