Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 123 St. Nikolai 1440

Beschreibung

Glocke. Bronze. Sog. Bet- und Professorenglocke. 1998/99 repariert. Unterhalb der Schulter umlaufend die einzeilige Inschrift A zwischen dreifachen Stegen. Auf der Flanke in Ritztechnik sorgfältig gestaltete Darstellungen Christi am Kreuz mit dem Titulus B, unter dem Kreuz Maria und Johannes, ferner der Kirchenpatrone St. Nikolaus, Georg mit dem Drachen und Laurentius mit Palme und Rost.1) Zu beiden Seiten des Kreuzesfußes das Meisterzeichen der Monkehagen-Gießerwerkstatt (M1). Die Inschriften sind erhaben gegossen, B in Konturschrift; auf dem ersten Buchstaben von Inschrift A ein Kürzungszeichen in Form einer Krone.

Maße: H. 143 cm (ohne Krone), 180 cm (mit Krone), Dm. 181 cm. Bu. 9 cm (A), 2,5 cm (B).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (B), mit Versalien (A).

Jürgen Herold [1/1]

  1. A

    A(n)no ˑ d(omi)ni ˑ M cccc xla) ˑ kurd ˑ putlist ˑ (et)b) ˑ erik ˑ hans ˑ me ˑ procurauer(un)t O rex ˑ glorie ˑ (christ)ec) ˑ venid) ˑ cu(m) ˑ pace ˑ

  2. B

    ˑ i(esus) ˑ n(azarenus) ˑ r(ex) ˑ i(udeorum)2) ˑ

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1440 ließen mich Kurt Putlist und Johannes Erich herstellen. O König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden. (A)

Kommentar

Der Name Professorenglocke rührt daher, dass sie seit 1456 zu akademischen Feierlichkeiten, die in der Nikolaikirche stattfanden, geläutet wurde.3) Das auf der Greifswalder Glocke zu sehende Gießerzeichen benutzte die mit dem Namen Rickert de Monkehagen in Verbindung gebrachte Werkstatt zwischen 1376 und 1464. Noch heute lassen sich im Ostseeraum mehr als dreißig Glocken, die sich durch ihre qualitätvolle äußere Gestalt und einen harmonischen Klang auszeichnen, dieser Werkstatt zuordnen.4) Auf der Mehrzahl der Monkehagen-Glocken wurde wie auch auf der Professorenglocke der Spruch ‚O rex glorie Christe veni cum pace‘ angebracht. Ebenso wie zwei weitere Glocken der Nikolaikirche (Kat.-Nr. 164, 239) sollte auch die Professorenglocke im Jahr 1863 umgegossen werden, was jedoch durch die energische Intervention von Greifswalder Honoratioren verhindert werden konnte.5)

Zu Johannes Erich, der eine Grabplatte in der Marienkirche besaß, siehe Kat.-Nr. 140. Pyl zufolge waren er und Kurt (Konrad) Putlist 1425–1444 gemeinsam Provisoren von St. Nikolai.6) Allerdings wird Putlist auch beim Verkauf eines Hauses am Markt im Jahr 1420 bereits als Provisor der Bauhütte von St. Nikolai bezeichnet; darüber hinaus ist er zwischen 1405 und 1440 als Besitzer von Häusern in der Steinbeckerstraße, Büch- (heute Johann-Sebastian-Bach-Straße), Fleischer- und der Langen Straße nachzuweisen.7)

Textkritischer Apparat

  1. m cccc xl] 1340 Biederstedt.
  2. Tironisches et mit durchstrichenem Schaft.
  3. xpe. Fehlt Haselberg.
  4. veni] vestrum Biederstedt.

Anmerkungen

  1. Der heilige Laurentius wird in einer Urkunde des Jahres 1457 als Kirchenpatron genannt, nicht jedoch der heilige Georg (Kosegarten, Universität 2, Nr. 33 S. 65–68, hier S. 66).
  2. Io. 19,19.
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 317.
  4. Zu den Schriftformen auf der Professorenglocke vgl. Einleitung, Kap. 7.3. Die Glocken der Monkehagen-Werkstatt, deren Ort nicht bekannt ist, müssen von zwei oder sogar drei Gießergenerationen angefertigt worden sein. Vgl. Peter, Monkehagen, bes. S. 10; zu Gestalt und Klang der Glocken Peter, Monkehagen, S. 12–21.
  5. Möller, Geläut, S. 6f.
  6. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 779.
  7. Igel, Bürgerhaus, Dokument 146102, 146103, 155008 und öfter.

Nachweise

  1. Biederstedt, Denkwürdigkeiten, S. 11f., Anm. 11.
  2. Haselberg, Kreis Greifswald, S. 118.
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 316, 779.
  4. Peter, Professorenglocke, S. 9, 11 (alle A).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 123 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0012308.