Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 31 St. Marien M.14.Jh., M.16.Jh.

Beschreibung

Zwei Fragmente einer Grabplatte für Peter Gruwel (C). Kalkstein. Ein größeres rechteckiges Teilstück liegt im vierten Joch des nördlichen Seitenschiffs am Beginn des Quergangs vor dem Altar, ein kleineres im fünften Joch des südlichen Seitenschiffs vor dem vierten Pfeiler.1) Das größere Fragment wurde an der oberen Schmalseite sowie an der rechten Langseite beschnitten. Der untere Rand reicht mit Ausnahme der linken Ecke (mit dem Medaillon) unter den Pfeilermantel. Das kleinere Fragment bildete die linke obere Ecke der Platte, wobei die Ecke selbst ausgebrochen und verloren ist. Auf beiden Fragmenten Reste der ursprünglich zwischen einfachen Linien umlaufenden Inschrift A, von der lediglich der Anfang am oberen Rand des kleineren Bruchstücks sowie das Ende entlang der linken Langseite, hier über beide Fragmente verlaufend, erhalten ist. Die Eckmedaillons sind bis auf dasjenige der linken unteren Ecke, mit dem Symbol des Evangelisten Lukas, verloren. Textverlust am Übergang zwischen den beiden Bruchstücken und am rechten Rand durch das Beschneiden der Platte. Am unteren Rand wird die Schrift, falls noch vorhanden, durch den Pfeilermantel verdeckt. Als Worttrenner treten Doppelpunkte auf. Am linken Rand des Innenfeldes ebenfalls zwischen einfachen Linien die stark abgetretene Inschrift B, von der nur noch einzelne Buchstaben auf dem größeren Fragment erhalten sind. Am oberen Rand des Innenfeldes (auf dem kleineren Bruchstück) Inschrift C für Peter Gruwel. Weiter unten (auf dem größeren Bruchstück) Spuren einer weiteren, nicht mehr lesbaren Inschrift. Darunter Nummerierung D. Die Inschriften A, B und C erhaben in vertiefter Zeile, D eingehauen.

Inschrift A ergänzt nach Pyl.

Maße: H. 180 cm (großes Fragment), 105 cm (kleines Fragment), Br. 118 cm (großes Fragment), 117 cm (kleines Fragment). Bu. 9 cm (A), 7 cm (B), 8,5 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel mit Versal (A), gotische Majuskel (B), Mischschrift aus gotischer Minuskel und Fraktur (C).

Jürgen Herold [1/2]

  1. A

    [A]nno : d(omi)ni : M : ccc [ - - - ] / [ - - - ] / [ - - - ] / cui(us) : a(n)i(m)a ˑ per : pia(m) : misericordia(m) : dei : req[u]iescat : in : p[a]ce [amen]

  2. B

    [ - - - ]S[ - - - ]S[ - - - ]O[ - - - ]MO[..]S ˑ [.]OG[ - - - ]

  3. C

    Her Peter Grvwel Borge[mester vnd] / Sinen E[rven]

  4. D

    31

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 13(..) (...). Seine/ihre Seele ruhe durch das gütige Erbarmen Gottes in Frieden. Amen. (A)

Kommentar

Diese Grabplatte fällt dadurch auf, dass sie ursprünglich mit einer umlaufenden Inschrift in gotischer Minuskel versehen wurde, der man später im Innenfeld eine weitere Inschrift in der typologisch älteren gotischen Majuskel hinzugefügt hat. Da in Greifswald die Ablösung der Majuskel durch die Minuskel nach den datierbaren Grabplatten in den 1350er Jahren erfolgte, kann Inschrift B nur wenig jünger als A sein, sodass beide Inschriften um die Mitte des Jahrhunderts zu datieren sind. Inschrift A weist die typischen Formen der frühen gotischen Minuskel auf.

Wegen der umfangreichen Textverluste im Bereich der älteren Inschriften A und B lassen sich die Personen, denen die Platte im Mittelalter gewidmet wurde, nicht mehr feststellen. Zwischen 1539 und 1561 kam sie in den Besitz des Bürgermeisters Peter Gruwel, des Stammvaters der späteren Greifswalder Ratsfamilie, Sohn des Jakob Gruwel aus Laage (Ldkr. Rostock, C). Auch die Schriftform verweist auf die Mitte des 16. Jahrhunderts (Voss/Nürenberg-Gruppe, siehe Einleitung, Kap. 8). Peter Gruwel wurde 1505 an der Rostocker Universität immatrikuliert, 1507 zum Baccalaureus artium und später zum Magister promoviert. Herzog Bogislaw X. von Pommern berief ihn 1514 mit seinem Bruder Georg an die Greifswalder Universität, wo er an der Artistenfakultät als Professor publicus lehrte. Nach seiner Wahl in den städtischen Rat (1522) bekleidete er 1524 auch das Amt des Rektors, schied aber bald aus dem Universitätsbetrieb aus. Von 1517 bis 1525 war er als städtischer Notar tätig, versah das Amt des Gerichtsvogts (1522) und wurde 1525 Provisor des Heilig-Geist-Hospitals. 1536 wurde er Stadtkämmerer und 1539 Bürgermeister. Aus Altersgründen legte er dieses Amt 1559 nieder und starb am 2. März 1561. Aus seiner ersten Ehe mit Anna Kannegeter, Tochter des Bürgermeisters Jakob Kannegeter, sind zwei Töchter und drei Söhne, darunter der spätere Professor und Stadtsyndikus Christoph Gruwel († 1597), bekannt. Aus der zweiten Ehe mit Katharina Apenborg, Tochter von Jasper Apenborg und Katharina Lotze, stammen drei Töchter und der spätere Ratsherr Peter Gruwel d. J. († 1600).2) Die Grabplatte gelangte später in den Besitz der Marienkirche (D).

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Marien, Nr. 169. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Marien, Nr. 81, 113.
  2. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 580; Pyl, Genealogien 5, S. 330f. (Nr. 358).

Nachweise

  1. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 568 (A), 579 (C).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 31 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0003105.