Inschriftenkatalog: Greifswald

Katalogartikel in chronologischer Reihenfolge.

DI 77: Greifswald (2009)

Nr. 22 St. Marien nach 1350, 1368 o. später, 1610

Beschreibung

Grabplatte für Lambert Warendorp (B) und seine Ehefrauen N. N. und Alverdis (A) sowie für Raphael Erich und seine Ehefrau Ilsebe Tessin (C). Kalkstein. Hochrechteckige Platte im ersten Joch des nördlichen Seitenschiffs, an der Außenwand aufgestellt.1) Inschrift A für die beiden Ehefrauen des Lambert Warendorp zwischen Eckrosetten umlaufend. An den beiden Langseiten ist sie größtenteils abgetreten. An der linken Langseite schloss Inschrift B für Lambert Warendorp an. Ihr Anfang ist, wie das Ende von A, verloren, ihr Ende verläuft unterhalb der ersten Zeile von Inschrift A. Im oberen Drittel des Innenfeldes nebeneinander in ovalen Vertiefungen zwei Vollwappen. Darunter Inschrift C für Raphael Erich und Ilsebe Tessin. Links in Höhe der letzten Zeile von C die Nummerierung D, weiter unten in der Plattenmitte Nummerierung E. Die Inschriften A und C erhaben in vertiefter Zeile, die übrigen sind eingehauen.

Inschriften A und C ergänzt nach Pyl.

Maße: H. 290 cm, Br. 164 cm. Bu. 9 cm (A), 6 cm (B), 6,5 cm (C).

Schriftart(en): Gotische Minuskel (B), mit Versalien (A), Kapitalis (C).

Jürgen Herold [1/2]

  1. A

    Anno ˑ d(omi)ni ˑ M° ˑ ccc° ˑ l° ˑ feria ˑ ii ˑ ante / mariẹ [ - - - ] di/uisio(n)is ˑ ap(osto)lor(um) o(biit) aluerd(is) ˑ uxoresa) / q(uo)nda(m) ˑ lamberti ˑ wa[rendorp]

  2. B

    [ - - - ]i ap(osto)li / o(biit) lambert(us) warendorp (con)sul or(ate) p(ro) eis

  3. C

    DISE STEIN GEHORET RAPHAEL ERIKEN VND SINER / HAVSFRAVWEN [ILS]EBE TE[SS]INS ˑ VND IHREN ERVEN / A(NN)O [16]10

  4. D

    106

  5. E

    11b)

Übersetzung:

Im Jahr des Herrn 1350 am Montag vor Mariä (... starb ... Im Jahr des Herrn ... Tag der) Aussendung der Apostel (15. Juli) starb Alverdis, (beide) einst Ehefrauen des Lambert Warendorp.  (A)

(...) des Apostels starb Lambert Warendorp, Ratsherr. Betet für sie. (B)

Wappen:
Erich, Tessin

Kommentar

Bei Inschrift A handelt es sich um eine der ältesten in gotischer Minuskel auf Greifswalder Grabplatten. Außer in ante enden die Schäfte von n, m und i unten stumpf. Die Schäfte der u enden oben stumpf. Das nur bis an die Grenze zum Oberlängenbereich reichende l ist oben gekerbt, die Enden sind nach unten eingerollt. Der obere Bogenabschnitt des d ist nach links abgeknickt und ragt nur knapp in den Oberlängenbereich hinein, das Bogenende mit nach links unten ausgezogenem Zierstrich. Bei der in schlanken Linien eingehauenen Minuskel von Inschrift B enden die i, m und n unten ebenfalls stumpf, das u oben nur am rechten Schaft.

Lambert Warendorp wurde 1338 in den Rat aufgenommen. Er vertrat die Stadt zwischen 1358 und seinem vermutlichen Todesjahr 1368 auf zahlreichen Hansetagen. Der Name seiner ersten Ehefrau, mit der er mindestens drei Söhne und zwei Töchter hatte, ist nicht bekannt. Sie starb 1350. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um ihr Erbe überschrieb er seinen Söhnen Lambert, Johann und Rabode je fünfhundert Mark, wofür er sein Haus in der Knopfstraße verpfändete. Eine seiner Töchter war mit Gottfried Dersekow, die andere mit dem Bürgermeister (1382–1396) Johann Lowe verheiratet. Spätestens nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau Alverdis ließ Lambert die Grabplatte mit den Sterbevermerken für beide Frauen in erhabenen Minuskeln anfertigen (A). Nach seinem eigenen Tod, wahrscheinlich im Jahr 1368 oder wenig später, wurde die ihn betreffende Inschrift in eingehauenen Minuskeln angebracht (B).2) 1610 ging die Grabplatte auf Raphael Erich und seine Ehefrau Ilsebe Tessin, Tochter des Stralsunder Ratsherrn Nikodemus Tessin, über (C). Raphael Erich (19. April 1573 – 5. Juli 1644) war der Sohn des Greifswalder Bürgermeisters Joachim Erich († 1598) und der Anna Völschow († 1583). 1621 erfolgte seine Aufnahme in den Rat.3) Im Jahr 1612 hatte er sich an der Errichtung eines Epitaphs für seine Eltern in der Marienkirche beteiligt (Kat.-Nr. 305). Wie die beiden Nummerierungen (D, E) belegen, gehörte die Platte zwischenzeitlich oder später der Marienkirche.

Textkritischer Apparat

  1. uxores] vxor eius Pyl.
  2. 11] Oder II als römische Ziffern.

Anmerkungen

  1. Siehe Grundriss St. Marien, Nr. 65. Zur früheren Lage siehe Pyl, Greifswalder Kirchen, nach S. 248, Grundriss St. Marien, Nr. 137.
  2. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 557f.; Pyl, Genealogien 4, S. 93f. (Nr. 128); Igel, Bürgerhaus, Kapitel 3.6.1, 4.2.1, Dokument 10104, 23002, 35004 und öfter.
  3. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 577f.; Pyl, Genealogien 5, S. 401f. (Nr. 467); Lange, Vitae Pomeranorum, S. 91. – Raphael Erich gehörte vermutlich eine weitere Grabplatte in der Marienkirche (Kat.-Nr. 421).

Nachweise

  1. Kirchner, Grabsteine Marienkirche, S. 218 (A, B).
  2. Pyl, Greifswalder Kirchen, S. 557f. (A, B), 578 (C).

Zitierhinweis:
DI 77, Greifswald, Nr. 22 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0002206.